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In Aarberg BE und in Frauenfeld TG verarbeitet die Schweizer Zucker AG lokal angebaute Zuckerrüben. Quelle: CNG-Mobility.ch
In Sichtweite zum malerischen Städtchen Aarberg wachsen die (Rüben-)Berge wieder in die Höhe. Seit 100 Jahren werden hier – und halb so lange in Frauenfeld – von der Schweizer Zucker AG lokal angebaute Rüben zu Zucker und wertvollen Nebenprodukten verarbeitet. Der unverkennbare, süssliche Duft liegt in der neblig, feuchten Herbstluft und bereits fährt der nächste Bauer mit zwei vollen Anhängern an Zuckerrüben auf dem Werkgelände vor und lässt seine Ladung wägen. Nebenan schiebt eine Güterlok erste Bahnwagons mit Rüben Richtung Zuckerfabrik und Waschanlage.
Steve Howe, Leiter Operations, (vorne recht mit oranger Weste) führt die Besuchergruppe aus der Gaswirtschaft über das Werksgelände. Quelle: CNG-Mobility.ch
«Wir verarbeiten während der etwa drei Monate dauernden Verarbeitungskampagne rund 10’000 Tonnen Rüben pro Tag», erläutert Steve Howe, Leiter Operations, mit prüfendem Blick auf die neuen Zuckerrüben. «2023 ist ein durchschnittliches Jahr, die Rüben hatten mit dem trockenen und heissen Sommer recht schwierige Wachstumsbedingungen.» Der Zugtransport ist genauso wie die umfassende Verwertung der Zuckerrüben entscheidend dafür, dass Schweizer Zucker heute schon eine gute Ökobilanz vorweisen kann und beispielsweise 30 Prozent nachhaltiger ist als EU-Zucker. Doch damit gibt sich CEO Guido Stäger nicht zufrieden: «Die Zuckerherstellung ist energieintensiv und wir haben grossen Druck – auch von Seiten der Endkunden –, dass wir bereits bis 2030 weitere grosse Schritte in Richtung CO2-neutral realisieren.»
Während der drei Monate dauernden Verarbeitungskampagne werden rund 10’000 Tonnen Rüben pro Tag verarbeitet. Quelle: CNG-Mobility.ch
Rund 1000 kWh Energie sind dazu etwa nötig pro Tonne Zucker. Schon seit drei Verarbeitungskampagnen zählt man in Aarberg dazu auf Ökostrom und Wärmeenergie aus dem grössten Holzkraftwerk der Schweiz. Guido Stäger zeigt quer übers Areal Richtung HKW Aarberg «60 Prozent der benötigten Energie für die Zuckergewinnung werden aus Altholz gewonnen. So können wir die CO2-Emissionen um rund 14’000 Tonnen pro Jahr reduzieren.» Doch der Energiebedarf, um die Rüben zu kochen, ist genauso gigantisch wie der Wasserumsatz der Zuckerrübenfabrik. «Wir haben eine betriebseigene Kläranlage mit zwei Reinigungsstufen und einer Kapazität, die für eine mittlere Stadt ausreichen würde», sagt Steve Howe, während er die Besucher aus der Gaswirtschaft weiter durch die imposante Verarbeitungsanlage zur kleinen Biogasteilaufbereitung führt.
Bevor die Rüben verarbeitet werden können, müssen sei gewaschen werden, dazu ist genauso wie für die Verarbeitung enorm viel Wasser notwendig. Quelle: CNG-Mobility.ch
«Wir nutzen bereits heute biogene Reststoffe aus der Rübenverarbeitung, um in einer kleinen Anlage während der rund dreimonatigen Kampagne Rohgas für den Eigenbedarf zu gewinnen», so der Leiter Operations. Doch bis zum nächsten Kampagnenstart im Herbst 2024 will man die Teilaufbereitungsanlage durch eine Vollaufbereitungsanlage ersetzen und dafür rund 2,5 Millionen Franken investieren. «Wir möchten die Biogasproduktion auch von der rund 100-tägigen Kampagne entkoppeln und das ganze Jahr über betreiben. Dazu benötigen wir jedoch das passende Substrat zum Vergären. Wobei wir gerne im Flüssig- und Kohlehydrat-Bereiche bleiben würden, damit kennen wir uns schon aus», erläutert Steve Howe.
Steve Howe, Leiter Operations, und Guido Stäger, CEO der Schweizer Zucker AG, erläutern, wieso sie die Teilaufbereitungsanlage für Biogas in eine Vollaufbereitung umwandeln möchten und wieso diese dann sogar ganzjährig betrieben werden soll. Quelle: CNG-Mobility.ch
Mit der neuen Biogasanlage könnte die Zuckerfabrik ihre CO2-Bilanz weiter verbessern. Die Verantwortlichen gehen von einer Biogas-Kapazität für rund 5 GWh aus. Klappt es mit der ganzjährigen Produktion sind es gar das Drei- bis Dreieinhalbfache, also annähernd 20 GWh, klimaneutrale Energie, die von allen gefordert wird und von der Zuckerfabrik perfekt aufbereitet ins Gasnetz einspeist werden könnte. Guido Stäger ergänzt: «Wenn sich die Biogasanlage in Aarberg bewährt, können wir das Ganze auch am Standort in Frauenfeld kopieren und so mit zwei Biogasanlagen sogar nachhaltige Energie im Umfang von fast 40 GWh pro Jahr produzieren.»
Sicht auf das Werksgelände in Aarberg. Quelle: Zucker Schweiz
Neben Zucker und Biogas liefern die beiden Standorte in Frauenfeld und Aarberg übrigens bereits heute weitere, wertvolle Rohstoffe wie Viehfutter und natürliche Düngemittel. Sogar die Erde, die von den Rüben abgewaschen wird, wird weiterverwertet und von der Tochterfirma Ricoter jeweils zu nährstoffreicher Pflanzenerde aufbereitet. «In einem weiteren Schritt könnte man auch an eine Nutzung des biogenen CO2 aus der Biogasproduktion denken», sinniert Stäger zum Abschluss des Rundgangs. Doch erste Priorität für den CEO hat nun die neue Biogasanlage, damit sie rechtzeitig auf Herbst 2024 fertiggestellt wird und der Zucker Schweiz AG dann hilft dank eigener, grüner Energie preiswerter und vor allem nachhaltiger Zucker aus und für die Schweiz zu produzieren. (jas, 21. November 2023)