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Eine Studie der TU München sorgte vor zwei Jahren für viel Aufregung. 2035 werde jedes dritte Auto in Deutschland elektrisch angetrieben sein, schreiben die Verfasser der Studie unter dem Titel «Blackout – E-Mobilität setzt Netzbetreiber unter Druck». Für diese Menge an E-Autos sei die Niederspannungsebene im Stromnetz nicht ausgelegt. Die Münchner Forscher forderten einen raschen Ausbau der Stromnetze, sonst drohten «flächendeckende Stromausfälle». Insbesondere in den Abendstunden, wenn die Pendler ihre Elektroautos an die Ladestationen anschliessen, entstehe eine kritische Spitzenlast.
Diesem Szenario widersprechen die Stromproduzenten. Die Elektrizitätswerke Zürich (EKZ) beispielsweise arbeiten bereits heute an Lösungen zum Lademanagement. Es sei gar nicht nötig, alle Elektrofahrzeuge gleichzeitig aufzuladen, wird die Elektroingenieurin Marina Gonzales Vaya auf der EKZ-Website zitiert: «Man könnte das Laden vieler Fahrzeuge ohne Komforteinbussen verschieben. Für die meisten Leute ist es nicht erheblich, ob ihr Auto von 20 bis 22 Uhr oder erst von 1 bis 3 Uhr geladen wird.» Hauptsache, es stehe am Morgen geladen wieder bereit. «Der Strombedarf ist aus heutiger Sicht keine Herausforderung», sagt auch der deutsche Energieversorger EnBW zum Thema Elektromobilität.
Das Problem ist die Argumentation «aus heutiger Sicht». Heute stammt ein grosser Teil des Stroms in Europa aus Kern- und Kohlekraftwerken. Sie liefern das, was man in der Schweiz als Bandenergie, in Deutschland als Grundlast bezeichnet. Es ist jener Grundbedarf an Strom, der jeden Tag rund um die Uhr verbraucht wird. In einer nicht allzu fernen Zukunft werden nicht mehr Kohle und Kernkraft diese Bandenergie liefern müssen, sondern erneuerbare Quellen: Wasser, Sonne und Wind. Doch die Stromerzeugung mit Photovoltaik- und Windkraftwerken ist starken saisonalen und zeitlichen Schwankungen unterworfen. Insbesondere dann, wenn viele Besitzerinnen und Besitzer von Elektroautos die Batterien laden wollen, nämlich nachts, produzieren Solarzellen keinen Strom.
Gemäss Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der Empa, kommen mit der zunehmenden Verbreitung der E-Mobilität grosse Herausforderungen auf die Stromnetze Europas zu: «Nicht in der Schweiz oder Deutschland, sondern in Ländern mit weniger gut ausgebautem Stromnetz.» Eine vollumfängliche Elektromobilität verdopple den Leistungsbedarf im Stromnetz ungefähr, auch mit intelligenten Ladesystemen, so Bach. «Das ist nicht überall machbar.» (sco, 10. März 2020)
Lesen Sie auch den ersten Teil der Serie unter: «Grosse Wirbel um die VW-Strategie»
Den zweiten Teil der Serie finden Sie unter: «Strategieentscheid oder taktischer Schachzug?»