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Wie wird Energieversorgung widerstandsfähiger

Rund 150 Teilnehmende wollten am Powerloop Forum 2024 wissen, wie die Kopplung der Sektoren Gas, Strom und Wärme vorankommt und welche Rolle dabei Wärme-Kraft-Kopplungen – kurz WKK – spielt. Aber auch das Potenzial von landwirtschaftlichen Biogasanlagen wurde in Bern einmal mehr eindrücklich aufgezeigt.

Monika Rüegger, Co-Präsidentin von Powerloop und Nationalrätin, erläutert aktuell Heizungsarten und den Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit. Quelle: CNG-Mobility.ch

Zum Auftakt des diesjährigen Powerloop Forum 2024 in Bern machte Monika Rüegger, seit fünf Jahren im Nationalrat und Co-Präsidentin von Powerloop, nochmals deutlich, dass die Schweiz aktuell viel Strom und in Zukunft sogar sehr viel Strom braucht. «Wir alle haben es im Winter gerne warm. Es ist für uns selbstverständlich, dass die Elektrogeräte funktionieren, dass die Bodenheizung Wärme liefert und dass wir unsere E-Autos aufladen können. Wir in der Politik setzen uns ein für eine gesicherte, aber eben auch eine bezahlbare Energieversorgung.»

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Dafür müssten aber nicht nur die Abhängigkeiten von anderen Staaten bei der Stromversorgung beachtet, sondern die Schweizer Energieversorgung grundsätzlich widerstandsfähiger gemacht werden. «In den letzten zwölf Jahren wurden vor allem mehr Wärmepumpen verbaut. Sie benötigen ebenfalls wieder mehr Strom», führte Rüegger vor den rund 150 Teilnehmenden aus. «Vor allem mit Wärme-Kraft-Kopplung – kurz WKK – können wir sofort Lösungen bieten. Diese sind zudem meist dezentral und eine gute, preiswerte Alternative, um die Stromlücke im Winter von 6 bis 8 TWh nicht mit CO2-lastigem EU-Strom schliessen zu müssen.»

Kurt Lanz, Geschäftsführer von Powerloop, begrüsste in Bern über 150 Teilnehmende am Forum. Quelle: CNG-Mobility.ch

Durch die Kopplung der Sektoren Gas, Strom und Wärme durch effiziente und reversible Technologien könnte in der Schweiz noch ein grosses Potential ausgeschöpft werden. WKK-Anlagen können gegenüber dem Ist-Zustand die CO2-Emmissionen um über 30 Prozent senken. Ausserdem können sie dank erneuerbaren Brennstoffen wie Biogas oder grünem Wasserstoff auch klimaneutral betrieben werden und der Anschluss ans bestehende Gasnetz erlaubt sogar einen wirtschaftlichen Betrieb.

Kai Herrmann, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Quelle: CNG-Mobility.ch

Einen wichtigen Schritt hin zu mehr Energiesicherheit bietet die Power-to-X- oder auch Biomass-to-X-Technologie. «Wobei es wohl die beste Variante wäre, wenn daraus H2 hergestellt wird», erläuterte Kai Herrmann, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, in seinem Vortrag. Aber auch die verschiedensten anderen Varianten der Nutzung von Sommerstromüberschüssen und Umwandlung etwa in Methan, Ammoniak bis zu Methanol sind denkbar. «Das Ganze noch in den unterschiedlichsten Formen, ob gasförmig oder auch flüssig», erläuterte er. Doch selbst nachhaltige Treibstoffe haben gewisse Nachteile und eignen sich nicht für jeden Anwendungszweck. Als nettes Beispiel nannte Herrmann dabei ein Container-Schiff mit Wasserstoff-Antrieb. Mit grünem H2 könnte es zwar umweltfreundlich über die Weltmeere schippern, aber kaum noch Container aufnehmen wegen des riesigen Volumens seiner Wasserstoff-Tanks.

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Bei einem Antrieb mit Batterien sieht es ähnlich aus, wobei dort auch das hohe Gewicht der Batterien fürs Containerschiff kritisch sein dürfte. «Hier sind Anwendungen wie LNG viel spannender und auch Ammoniak und Methanol kommen immer mehr als Optionen auf», erläuterte der Energie-Experte. «In der Forschung haben wir nun einen Motor mit reinem Ammoniak zum Laufen gekriegt», vermeldete er dem Powerloop-Publikum stolz. «Im Abgas gibt es zwar Lachgas N2O, was fast 300 Mal so klimaschädlich ist wie CO2, aber wir können trotzdem 95 Prozent der Emissionen gegenüber einem Diesel verhindern.» Für Wissenschaftler Kai Herrmann lohnt sich die Produktion und der Einsatz von Wasserstoff vor allem dann, wenn er sofort genutzt wird. Für längere Speicherzeiten würden sich dagegen Ammoniak, Methan oder Methanol besser eignen. Er brachte es auf dem Punkt: «Alle Energieträger haben ihren Anwendungsbereich, auch Brennstoffzellen und Batteriespeicher.»

Andreas Kunz, CEO von Innio Jenbacher. Quelle: CNG-Mobility.ch

Andreas Kunz, CEO von Innio Jenbacher, einem österreichischen Energiespezialisten und Hersteller von Blockheizkraftwerken sowie Gasmotoren mit mittlerweile 5000 Mitarbeitenden und etwa 2 Milliarden Euro Umsatz, legte danach einleuchtend dar, welchen Einfluss erneuerbare Energieträger auf die in Europa in die Jahre gekommen Strom- und Verteilnetze haben. «Die Erneuerbaren sind volatil, das belastet die grossen, aber teils sehr alten Netze enorm. Und weil in Europa gerade alle am Erneuern sind, gibt es auch massive Verzögerungen bei wichtigen Komponenten», so Kunz. Er rechnete vor, dass 2020 erst etwa 22 Prozent der weltweiten Stromerzeugung von 27’000 TWh erneuerbar waren. Da man den weltweiten Strombedarf im Jahr 2050 auf rund 83’000 TWh schätzt, benötige man, um die Klimaerwärmung unter 2° Celsius zu halten, dafür rund 86 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen, was eine Vervierfachung der heutigen Mengen ist!

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Der Inno-Chef ergänzte: «Für mich ist WKK der Schlüssel zum Erfolg. Es ist flexibel und einfach mit anderen Sektoren zu koppeln. Wichtig für die Zukunft – auch in der Schweiz – aus unseren Erfahrungen heraus: Es müssen wirtschaftliche Anreize geschaffen, regulatorische Barrieren abgebaut und WKK muss als Teil der Energiewende verankert werden, dann kann WKK sein Potenzial entfalten.» Für den Österreicher steht die direkte Nutzung der Erneuerbaren an erster Stelle, doch wenn diese nicht gebraucht werden können, sollen sie umgewandelt oder gespeichert werden. «Mit der RAG Austria haben wir Sommerstrom in Wasserstoff umgewandelt, in der Tiefe gespeichert und dann im Winter wieder einem Jenacher-Aggregat zugeführt, um es bei Bedarf dem Netz zurückzuführen», so Andreas Kunz, «das funktioniert!» Und in Deutschland installiert sein Unternehmen gerade eine Mehrmotorenanlage mit höchstem Wirkungsgrad im Teillastbereich und sofortiger Einsatzbereitschaft, die dann ab 2027 zum Einsatz kommen soll. Man darf also gespannt sein, welche Lösungsansätze für mehr Versorgungsicherheit die Innio Jenbacher noch auf Lager hat.

Albert Vollmer von Silent Power. Quelle: CNG-Mobility.ch

Dass Wärme-Kraft-Kopplung auch zu 100 Prozent nicht-fossil machbar ist, zeigte Albert Vollmer von Silent Power auf. Das Zuger Unternehmen wandelt klimaneutrales CO2 in Methanol um, speichert und nutzt es als Energieträger für Gebäude, Industrie, Stromerzeugung und Mobilität. «Wir haben dazu ein bestehendes Blockkraftheizkraftwerk verwendet und auf den Betrieb mit Methanol statt Gas umgebaut», so Vollmer. Für ihn kann eine WKK-Anlage auch nicht nur für kurze Zeit aushelfen, sondern durchaus durchlaufen und eine gewisse Bandlast liefern. Wichtig sei bloss, dass sie mit nachhaltigen Energieträgern befeuert werde. Und Vollmer verriet zudem, dass «die Notstrom-Aggregate von Bimex, die bislang auf Diesel gelaufen sind, nun zusammen mit uns auf Methanol umgestellt und so nachhaltiger werden.» Auch dies eine nicht-fossile Lösung – wenn der Wille da ist, geht’s also!

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Albert Vollmer machte gleichzeitig klar: «Eine Lösung bei der Speicherbarkeit von Überschussenergie ist jedoch noch nicht spruchreif, auch von der wirtschaftlichen Seite her. Aktuell fliesst noch zu viel Überschussenergie in die Wasserkraft. Und wir haben noch zu wenig erneuerbare Energie, um sie in chemische Energie umzuwandeln.» Dadurch komme man aktuell nicht voran, weil die Anlagen zum einen noch nicht konstant laufen könnten und zum anderen somit deren Wirtschaftlichkeit – auch für Investoren – schwierig zu beurteilen sei.

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Meisterlandwirt und Thurgauer Kantonsrat für die Mitte, Josef Gemperle, zeigte danach, wieso er sich ebenfalls einen Namen als leidenschaftlicher Energiepolitiker gemacht hat. Er verriet, warum landwirtschaftliche Biogasanlagen durchaus auch kombiniert mit Photovoltaikanlagen viel zur Schweizer Versorgungssicherheit beitragen könnten, dass die Rahmenbedingungen aber auch hier alles andere als optimal sind. Gemperle ist nicht nur Landwirt, sondern auch Energie(selbst)versorger, denn seit Jahren investieren er und seine Familie auf dem Hinterthurgauer Betrieb mit rund 80 Milchkühen und Futteranbau in eine clevere Energieversorgung. «Eine effiziente Nahrungsmittelproduktion steht für mich immer an erster Stelle, Priorität muss aber auch die Energieeffizienz haben und wir wollen ausserdem das grosse Potenzial der erneuerbaren Energien nutzen», so Gemperle.

Josef Gemperle erläutert die Vorteile einer nachhaltigen Landwirtschaft und Energieversorgung. Quelle: CNG-Mobility.ch

Für den 64-Jährigen ist klar: «Im Bereich Energie und Klima braucht es Taten statt Worte.» Und daher geht der Thurgauer mit gutem Beispiel voran. Schon 2005 hat er eine Photovoltaik-Anlage mit 200 kW installiert. Die immer wieder erneuerte und ausgebaute Biogasanlage solle nächstes Jahr 50 kWe liefern. «Zudem stinkt die Biogasgülle nicht und macht den Einsatz von Mineraldüngern überflüssig. Dessen Herstellung und Transport ist ebenfalls immer energieintensiv, auch das fällt nun weg», so Josef Gemperle. «Pro Grossvieheinheit GVE können bis zu einer Tonne CO2-Emmissionen eingespart werden dank der ganzen Anlagen auf unserem Hof», rechnete er vor. In all den Jahren hat er inzwischen 10 Kilometer Steuerkabel für seine Biogasanlage verlegt, denn die Software steuert längst den gesamten Betrieb und macht auf einer Visualisierung die ganzen Energie-Prozesse sichtbar.

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«Auf einem Bauernhof ist stets viel Energie vorhanden. Mit den 700’000 Litern des Fermenter-Inhalts, den wir auf rund 41 Grad warm halten, kann man alle Gebäude auf dem Hof heizen. Wir produzieren aktuell Strom für uns und 100 Einfamilienhäuser in der Region. In Planung ist auch noch ein Batteriespeicher und eine Vergrösserung der Fassaden-PV, um Spitzen zu brechen», so der Thurgauer. Er zeigte damit eindrücklich auf, welches Potenzial in der konsequenten Nutzung und Kopplung der verschiedenen Energieträger stecken würde. Dieses Potenzial ist jedoch nur ausschöpfbar, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. «Ich bin meiner Familie dankbar, die all das mitträgt – auch im finanziellen Bereich», so Gemperle. «Für Investitionen braucht es verlässliche Rahmenbedingungen. Wenn die Bedingungen stimmen, dann geht etwas und sonst nicht!»

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Im abschliessenden Podiumsgespräch musste aber ausgerechnet Urs Meier von der eidgenössischen Elektrizitätskommission eingestehen: «Die Rahmenbedingungen sind noch nicht ideal. Es geht vorwärts betreffend Photovoltaik, ob das reicht fürs Schliessen der Winterstromlücke, ist noch offen; dazu braucht es sicherlich noch eine Reserve sowie flankierende Massnahmen und sicherlich auch Anreize beim Endkonsumenten.» Der Energie-Experte mahnte bezüglich angenommenem Energiegesetz zudem: «Wir dürfen uns bei der Umsetzung des Mantelerlasses nicht mit der Klein-Klein-Regulierung verlieren, sondern müssen die grossen Fragen im Energiebereich beantworten und voranbringen.» Falls man die Bevölkerung – auch beim Netzausbau – nicht miteinbeziehe, würde die Schweiz wieder Jahre verlieren, was verhindert werden müsse.

Nationalrätin Monika Rüegger. Quelle: CNG-Mobility.ch

Dem pflichtete Monika Rüegger bei: «Der Netzausbau wird für die Energieversorgung und -sicherheit die schwierigste Sache werden. Wir können dezentral noch so viele Energieproduzenten hinstellen, wenn die Energie dann nicht im Netz aufgenommen werden kann.» Ausserdem sei man zu stark in einem Schwarz-Weiss-Denken verhaftet und wolle nur 100 Prozent erneuerbar statt auch Teilschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität hin zu machen. «Die Welt muss technologieoffen sein, sonst geht es nicht voran», brachte es Andreas Kunz auf den Punkt. «Und es geht voran, aber nicht schnell genug.» Klar war für alle Teilnehmenden am Powerloop Forum 2024, die Schweizer Energieversorgung muss flexibler und breiter aufgestellt werden, um mehr Sicherheit und Widerstandsfähigkeit zu erreichen. (jas, 30. November 2024)

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