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CNG-Mobilitätsförderer Hans Wach in seinem Büro. Quelle: CNG-Mobility.ch
An der Wand des Eckbüros in Arlesheim BL hängen Karten der wichtigsten Gasleitungen Europas und der Schweiz. Ordner, Dokumente, diverse Erinnerungsstücke, aber auch Familienfotos türmen sich auf Schreibtisch und Schränken. Sie machen klar, hier fühlte sich Hans Wach wohl. Nach über 20 Jahren als Geschäftsleiter der Gasverbund Mittelland AG geht er nun in Pension. Grund genug für CNG-Mobility.ch, um mit dem CNG-Mobilitätsförderer der ersten Stunde zurück, aber auch in die Zukunft zu blicken.
Der Volvo V70 Bi-Fuel war eines der ersten in der Schweiz mit CNG-Antrieb erhältlichen Hersteller-Fahrzeuge. Quelle: Volvo
«Um die Jahrtausendwende gab es fast keine Fahrzeuge, die mit CNG-Antrieb unterwegs waren», erinnert sich Hans Wach beim Exklusivinterview mit CNG-Mobility.ch. «Volvo war eine der ersten Marken, die ein CNG-Modell anbot, den V70 Bi-Fuel. Wobei der Kombi von der Leistung her kein Renner war. Es war schlicht ein Benzinmotor – noch ohne Turbo –, der auf den Betrieb mit CNG umgebaut wurde. Es war eine werksnahe Lösung. Alle anderen CNG-Autos waren Umbauten.» Das zweite Fahrzeug mit CNG-Antrieb unter der Haube eines Herstellers war dann 2002 der Fiat Multipla SX Bipower. «Der Fiat gewann zwar keinen Schönheitspreis, war aber technisch ein sehr cleveres Fahrzeug, wenn auch knapp motorisiert», so Wach.
Der Fiat Multipla fuhr mit einem sogenannten «Schwiegermuttersitz» als dritte Sitzgelegenheit in der ersten Reihe und natürlich CNG-Antrieb vor. Quelle: Fiat.
In die gleiche Zeit fiel dann auch die Aktion der Genossenschaft Migros Zürich unter dem Slogan ‹Salat im Tank›», fährt er fort. Ab 2001 lässt die Migros als erstes Unternehmen in der Schweiz damals Speisereste, nicht verkauftes Gemüse oder auch Schnittblumen in Klima schonenden Treibstoff umwandeln. Aus den jährlich 4000 Tonnen an organischen Abfällen wurde genug Biogas produziert, um 280‘000 Liter Benzin zu ersetzen. «Man baute damals eine Biogasanlage und nutzte den Treibstoff ebenfalls für 11 Biogas-LKW», erläutert der langjährige GVM-Chef rückblickend. «Das gleiche Prinzip setzt aktuell die Migros Basel um.»
Quelle: Migros
Schon damals rührte bei der Gasverbund Mittelland AG der seit kurzem ebenfalls pensionierte Kurt Schmidlin kräftig die Werbetrommel für die klimafreundliche CNG-Mobilität. «Als ich dann zum GVM kam, stellte ich Kurt und der Geschäftsleitung die Frage, ob das Autofahren mit CNG nun eigentlich ein Hobby oder ein Marketinggag sei oder, ob wir daraus wirklich einen Business Case machen wollten», erzählt Hans Wach. Der Entschluss für letzteren wurde gefällt. Der erste Schritt danach war der GVM-Entscheid, wenn immer möglich, Betriebsfahrzeuge mit CNG-Antrieb zu kaufen. «Dieser Grundsatz gilt übrigens immer noch.» Die Belegschaft habe dies anfangs zwar etwas knurrend zur Kenntnis genommen, denn CNG-Fahrzeuge zeichneten sich primär durch ihre ökologischen Aspekte und nicht durch ihre Dynamik aus.
Der Rinspeed Presto fuhr dank Biogas im Tank nicht nur CO2-neutral, sondern konnte von einem Zwei- auch zu einem Vierplätzer ausgezogen werden. Quelle: Rinspeed
Der nächste wichtige Schritt für die Schweizer CNG-Mobilität war dann die Zusammenarbeit mit Frank M. Rinderknecht, dem Schweizer Autovisionär und Gründer von Rinspeed. «Das Projekt hatte ein recht stolzes Budget. Daher getraute ich mich als neuer GVM-Geschäftsleiter fast nicht, es im Verwaltungsrat zu lancieren. In der Sitzung selbst haben wir es dann auch nicht behandelt, aber danach beim Mittagsessen», erinnert sich Wach. Der damalige GVM-Verwaltungsratspräsident fand die Idee so genial, dass noch am Mittagstisch ein VR-Beschluss gefasst wurde, mit Rinspeed am Genfer Autosalon teilzunehmen. Dort zeigte man 2002 mit dem Rinspeed Presto, ein von zwei auf vier Plätze erweiterbares Fahrzeug, der dank CNG-Antrieb mit Biogas betrieben werden konnte. Damit rückte der GVM plötzlich ins internationale Autorampenlicht und präsentierte sich auch in den folgenden Jahren mit spektakulären Rinspeed-Conceptcars auf dem Genfer Autosalon.
«Der Auftritt sorgte innerhalb der Gasbranche für einen Aufschrei», erläutert Hans Wach. «Die Kritiker warfen uns vor, dass wir unseriös seien, weil wir mit Showcars auf Sexappeal machen würden, aber eigentlich noch gar keine richtigen Fahrzeuge mit CNG-Antrieb fürs Publikum vorhanden seien.» Der GVM-Chef schmunzelt und ergänzt: «Wir haben den Kritikern mitgeteilt, dass der GVM auch im kommenden Jahr wieder in Genf sei, sie aber die Option hätten, ebenfalls mitzumachen.» Die einzelnen Exponenten der Schweizer Gaswirtschaft sassen schliesslich zusammen und man einigte sich im November 2002 darauf, die gasmobil AG zu gründen und so der CNG-Mobilität in der Schweiz gemeinsam weiteren Schub zu verleihen.
Auch der Rinspeed Bedouin war eine mit CNG-Antrieb versehene Studie des Schweizer Autovisionärs Frank M. Rinderknecht. Quelle: Rinspeed
Nach ihrem ersten Geschäftsjahr konnte die gasmobil AG bereits eine sehr positive Bilanz ziehen: Die Zahl der CNG-Fahrzeuge hatte sich schweizweit auf 730 erhöht und damit beinahe verdoppelt. Auch die Zahl der CNG-Tankstellen wuchs von 25 auf 35. Die koordinierte Förderung von CNG und Biogas zeigte Wirkung und durch die Zusammenarbeit mit den beiden Branchenverbänden VSG und SVGW sowie regionalen und lokalen Gasversorgern konnte viel bewegt werden. Auch eine Rahmenvereinbarung mit Biogasproduzenten wurde geschlossen, um den Marktzugang zu klar definierten Konditionen übers Gasnetz zu regeln.
Eine von inzwischen über 150 CNG-Tankstellen schweizweit. Quelle: CNG-Mobility.ch
«Der wichtigste Punkt war natürlich der Tankstellenbau. Denn für uns war klar, ohne Tankstellennetz gibt es auch keine Fahrzeugentwicklung», so Wach. Mit einer Motion, die von beiden Kammern des Parlamentes 2004 ohne Gegenstimme überwiesen wurde, wurde ausserdem eine Reduktion der Treibstoffsteuer auf CNG und eine Steuerbefreiung auf Biogas für jeweils 10 Jahre beschlossen. «Der von der Oberzolldirektion vorgestellte Fahrplan sah vor, dass die Gesetzesanpassungen Anfang 2007 in Kraft treten würde», erklärt der CNG-Förderer. «Gleichzeitig verpflichteten wir uns auf Seiten der Gasbranche dazu, bis dahin ein flächendeckendes Netz von rund 100 CNG-Tankstellen aufzubauen. Es ging damals Schlag auf Schlag.»
Das Thema CNG-Mobilität nahm Fahrt auf und auch bei den Fahrzeugen stieg die Zahl der Modelle kontinuierlich an. Volvo, Opel, Fiat, VW und Citroën boten Personenwagen mit CNG-Antrieben an und auch leichte und schwere Nutzfahrzeuge von Iveco, Mercedes, MAN, Fiat und Citroën bereicherten das Angebot. «Zudem kamen die ersten CNG-Modelle mit Turbomotoren auf, die mehr Fahrspass boten», erzählt Hans Wach. «Dann arbeiteten wir für den Genfer Autosalon mit der VW-Entwicklungsabteilung in Wolfsburg an einer CNG-Varianten eines twincharged 1,4-Liter-TSI-Motors. VW bekam Wind davon, dass wir mit ihrer Tochterfirma und einigen cleveren CNG-Technikern, eine Gas-Version ihrer Motoreninnovation vorstellen wollten, schritt ein und sagte, dass dies nicht möglich sei.»
Auch bei den leichten Nutzfahrzeugen und bei den LKW wurde das Angebot an Modellen mit CNG-Antrieb nach und nach erhöht. Quelle: CNG-Mobility.ch
Das sorgte für einigen Wirbel im Weltkonzern, doch der GVM hatte bindende Verträge mit der VW-Tochter. Der Kompromiss: Der von Rinspeed auch optisch noch etwas aufgebrezelte VW Touran mit CNG-Antrieb musste vor der Messe zurück nach Wolfsburg und wurde dort für seine Premiere in Genf nochmals kräftig überarbeitet. «Wir konnten die Weltpremiere dann bei uns sogar auf dem Gasmobil-Stand zeigen – das war der Hammer», erinnert sich Wach. «Es gab zwar viele, gute technische Entwicklungen im Bereich des CNG-Antriebs, aber der VW-Konzern wurde leider nie so richtig warm mit der Technologie. Auch die Amag als Schweizer Importeurin hat das Thema eher stiefmütterlich behandelt. Das war unser Dilemma, daher blieben wir in der Schweiz auch bei einem Bestand von rund 14’000 CNG-Fahrzeugen stehen. Denn das, was als Neuwagen dazukam, reicht jeweils aus, um die Fahrzeuge zu ersetzen, die altershalber aus dem Verkehr gezogen wurden.»
Für den Touran EcoFuel von VW mit CNG-Antrieb lagen 2006 innerhalb weniger Wochen mehrere hundert Bestellungen vor. Quelle: Volkswagen
Der Business Case sei so nie wirklich zum Fliegen gekommen und dies obwohl auch die Empa ein grosser Befürworter der CNG-Mobilität gewesen sei und zusammen mit der VW-Konzernforschung sogar an einem CNG-Hybrid gearbeitet habe. «Die Innovationslösungen lagen fixfertig in den Schubladen, aber das Marketing im VW-Konzern, das bestimmt, was aus den Schubladen gezogen wird, winkte jeweils ab», erzählt der abtretende GVM-Chef mit sichtlichem Bedauern in seiner Stimme.
Ein weiterer Schub für die CNG-Mobilität etwa ums Jahr 2015 sei dann vor allem durch die fehlenden, besonders leichten Komposittanks sowie Lieferschwierigkeiten ausgebremst worden. «Die damals für ganz Europa geplanten 10’000 Fahrzeuge waren im Nu ausverkauft», so Hans Wach. Der CNG-Fan glaubt trotz all dieser Steine, welche der CNG-Mobilität in all den Jahren in den Weg gerollt wurden, weiterhin an die klimafreundliche Technologie, die es erlaubt, dank Biogas im Tank nahezu CO2-neutral unterwegs zu sein. Darum hat sich der abtretende GVM-Chef und passionierte Segler zur Pensionierung auch noch ein neues Auto gekauft – logischerweise eines mit CNG-Antrieb! «Ein Seat Leon TGI als Rentenfahrzeug», erklärt er zufrieden, «ich freue mich sehr auf den Wagen und die erste Ausfahrt.» (jas, 6. Januar 2022)
Lesen Sie auch den zweiten Teil des Gesprächs mit Hans Wach «Gas als Teil der Lösung sehen»
Hans Wach mit einem Teil der umfassenden CNG-Flotte der Gasverbund Mittelland AG. Quelle: CNG-Mobility.ch