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Iveco/DHL Group/Christoph Papsch
 
 

Verpasst die Schweiz eine Chance?

In der Schweiz wurde endlich die LSVA-Weiterentwicklung in die Vernehmlassung geschickt; doch die Aussichten für LKW, die mit Biogas oder Bio-LNG/LBG angetrieben werden und somit schon heute beinahe CO2-neutral unterwegs sind, sind nicht so rosig. Erfreulicheres gibt es aus Deutschland zu berichten: Dort zeigt die DHL Group, wie Nachhaltigkeit dank Biogas – und das ab sofort – funktioniert.

Migros Samedan - Fotograf Martin DeuringUnter anderem mit einem CNG-LKW mit Schweizer Biogas im Tank wird beispielsweise eine Engadiner Migros-Filiale möglichst klimafreundlich mit Frischwaren versorgt. Quelle: Migros/Ineedcontent.ch

In der Schweiz lässt man sich Zeit. Viel Zeit: Bereits am 9. März 2021 hatte das Parlament entschieden, dass man bei der LSVA (Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe) die Antriebe technologieoffener beurteilen müsse. Nun will gut Ding oft Weile haben, doch in diesem Fall ist das leider noch nicht sicher. Zwar kann die 2001 eingeführte LSVA durchaus einen Erfolg verbuchen: Die LKW hierzulande stossen klar weniger Abgase aus. Rund 90 Prozent fallen inzwischen in die günstigste LSVA-Kategorie. Zudem kommen immer mehr Fahrzeuge auf die Strasse, die dank Elektro- oder Wasserstoffantrieb sogar überhaupt keine LSVA entrichten müssen.

GuggisbergDer SVP-Politiker Politiker Lars Guggisberg – hier am Rednerpult im Nationalrat – hielt in einem Interview fest: «Je weniger fossile Energie verwendet wird, desto umwelt- und klimafreundlicher ist Mobilität. Von daher wäre es vernünftig, vermehrt auf Biogas zu setzen.» Quelle: Guggisberg 

Das hat zur Folge, dass der Bund weniger Geld einnimmt. In den nächsten Jahrzehnten rechnet Bern mit Mindereinnahmen von mehreren Milliarden Franken, was negative Auswirkungen auf die LSVA-Ziele haben könnte, die durch den Schwerverkehr verursachten Kosten zu decken und den Gütertransport per Bahn zu fördern. Ab 2031 sollen daher auch Elektro-Lastwagen die LSVA entrichten. Klingt im ersten Moment nach einer technologischen Gleichbehandlung, ist es aber doch nicht: Mit der Vorlage, die der Bundesrat am 14. Februar 2024 in die Vernehmlassung geschickt hat, sollen die Stromer in die tiefste Abgabenkategorie eingeteilt werden, weil sie keine direkten Schadstoffemissionen und im Vergleich zu fossil angetriebenen Fahrzeugen tiefere externe Kosten verursachen. Gleichzeitig sollen die heute umweltfreundlichsten Fahrzeuge mit fossilem Antrieb (EURO VI) in die zweitgünstigste Abgabekategorie abklassiert werden. Mit diesen Massnahmen sollen die Kostendeckung und der Schienentransport gefördert werden.

Tankt ein Lastwagen heute Biogas oder auch flüssiges, erneuerbares Gas, dann tut er bereits sehr viel für die Umwelt, profitiert aber noch nicht von einer LSVA-Reduktion. Quelle: CNG-Mobility.ch

Damit Transporteure und Spediteure nun nicht aufhören Stromer für ihre Flotten zu kaufen, gibt es flankierende Massnahmen: Einen LSVA-Rabatt für neu erworbene und schon in Verkehr gesetzte E-LKW oder aber die Wahl, ob man diesen Rabatt oder einen Investitionsbeitrag für den neuen Truck will. Beide Varianten in noch festzulegender Höhe sind von 2031 bis 2035 befristet. Aber wo bleiben bei all diesen Ideen eigentlich LKW mit CNG- und LNG-Antrieb? Schliesslich fahren diese dank Schweizer Biogas oder Bio-LNG/LBG im Tank schon heute und nicht erst ab 2031 CO2-neutral. Nur bleiben sie jetzt wohl mehrheitlich auf der Strecke! Denn im erläuternden Bericht wird festgehalten: «Der Bundesrat verzichtet darauf, den Kreis der von der LSVA befreiten Antriebsarten oder Antriebsarten, die von einer LSVA-Ermässigung profitieren, weiter auszudehnen.»

Wissenschaftler Christian Bach von der Empa erläuterte bereits 2019, wie das Power-to-Gas-Verfahren funktioniert und bis zu 1 Million Autos mit erneuerbarem, synthetischem Methan betrieben werden könnten. Quelle: Empa

Mit Bezug auf eine von Carbon4 durchgeführte Studie hält der Bundesrat fest, es scheine, dass «batterieelektrische Fahrzeuge am besten geeignet» seien, um «den Güterverkehr in Städten und Agglomerationen zu dekarbonisieren.» Das dürfte stimmen, aber die meisten LKW werden ja nicht in den Städten und den Agglomerationen eingesetzt, sondern zwischen den Städten. Und Transport- und Logistikprofis wie Daniel Balmer, Leiter Transportlogistik der Migros Ostschweiz, halten seit Jahren fest: «Wir wollen die verschiedenen alternativen Antriebsarten nicht gegeneinander ausspielen; schliesslich definiert die Aufgabe die Antriebsart.» Dem trägt die LSVA-Weiterentwicklung zu wenig Rechnung, und in der Erläuterung wird zudem festgehalten, dass die Befreiung von Fahrzeugen, die mit Biogas, LNG, CNG oder E-Fuels angetrieben werden, die Kostendeckung der LSVA weiter schmälern würde. Und schliesslich sei die Erhebungslogik der LSVA auf die verwendete Antriebstechnologie und nicht auf den eingesetzten Treibstoff ausgerichtet.

LidlSie sind zwar nicht von der LSVA befreit, aber die Biogas-LKW leisten trotzdem schon jetzt einen wichtigen Beitrag für weniger CO2-Emissionen im Schwerverkehr. Quelle: CNG-Mobility.ch

Damit werden wohl auch nach der LSVA-Weiterentwicklung E-Lastwagen, die im schlimmsten Fall mit Kohlestrom fahren, oder Brennstoffzellen-LKW, die mit grauen statt grünem Wasserstoff unterwegs sind, bei der LSVA als «grün» eingestuft und bevorzugt. Während Fahrzeuge, die mit Treibstoff aus erneuerbaren Quellen, ob Biogas, Biodiesel oder auch E-Fuel, fahren, weiterhin zur Kasse gebeten werden – also eben doch keine Gleichbehandlung. Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie dürfte daher während der Vernehmlassung sicherlich Stellung nehmen. Schliesslich wird es auch entscheidend sein, welchen CO2-Emissionswert Bern beim Biogas anwendet, da dies ja direkten Einfluss auf die Einstufung hat. Bei Personenwagen mit CNG-Antrieb hatte der Bundesrat ja zumindest in der Energieeffizienzverordnung einen Biogasanteil von 20 Prozent anerkannt, weil die klimarelevanten CO2-Emissionen wegen des hohen Biogasanteils an Schweizer Zapfsäulen (Ende 2021 im Schnitt 26 Prozent) tiefer ausfallen. So bleibt abzuwarten, was die noch bis 23. Mai 2024 dauernde Vernehmlassung also bringen wird.

Einer der neuen CNG-Iveco bei der DHL Group mit Biogas im tank. Quelle: Iveco

Abwarten müsste man aber eigentlich gar nicht: Man könnte schon heute etwas für tiefere CO2-Emissionen tun, wie dies in der Schweiz beispielsweise Migros, Lidl Schweiz oder auch kleinere Player wie Peyer Bern oder Santi-Trans mit Biogas-LKW beweisen. Oder eben auch im grossen Stil wie die DHL Group im benachbarten Deutschland. Ab sofort kommen dort im Unternehmensbereich Post & Paket Deutschland 178 neue, mit Biogas betriebene Iveco S-Way zum Einsatz. Damit steigt die Biogas-Flotte beim Paketspezialisten auf mehr als 450 LKW mit CNG-Antrieb. Als Gründe nennt die DHL Group: Diese Technik sei aktuell am ausgereiftesten, und die Verfügbarkeit von Fahrzeugen und Infrastruktur im Vergleich zu anderen alternativen Antrieben sei sehr hoch.

Inzwischen gibt es an elf DHL-Paketzentren sogar schon eigene Biogas-Tankstellen. Quelle: DHL Group

Die neuen CNG-Fahrzeuge kommen vor allem im Inter-Hub-Verkehr der DHL-Paketzentren und bei Kundenabholungen sowie im innerstädtischen Lieferbetrieb zu den Postfilialen zum Einsatz und tragen so deutlich zur Dekarbonisierung bei. Für die Betankung setzt die DHL Group künftig an elf ausgewählten DHL-Paketzentren sogar auf eigene Biogas-Tankstellen. Für kürzere Strecken und Tagestouren nutzt die DHL 161 Iveco S-Way mit CNG-Antrieb sowie Kofferaufbau und dank 160 Kilo Biogas an Bord einer Reichweite von bis zu 670 Kilometer. Ausserdem werden 17 Iveco S-Way mit Wechselbrücken für den Inter-Hub-Verkehr verwendet, die dank CNG-Tanks für 240 Kilo Biogas sogar mit einer Reichweite von bis zu 1000 Kilometer aufwarten. Die DHL Group setzt mit den 178 neuen Biogas-Ivecos auf sofortigen Umweltschutz – etwas, was man sich auch in anderen Regionen und Ländern wünschen würde. (jas, 21. Februar 2024)

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