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Biogas-Tankstelle von Karrgreen in der Bertagne. Quelle: Liger
Seit Liger, eine Abkürzung für «Locminé innovation gestion des énergies renouvelables», zu Deutsch etwa lokalisiertes Innovationsmanagement für erneuerbare Energien, 2011 gegründet wurde, hat sich viel getan auf dem Markt der klimafreundlichen Mobilität und bezüglich Klimawende. Die einst in einer bretonischen Gemeinde mit etwas mehr als 4500 Einwohnern initiierte Idee und Bewegung, aus zwei Ressourcen sechs grüne Energien (Wärme, Strom, Biogas, Biotreibstoff, Dünger sowie Biogas-Einspeisung) zu generieren, ist stetig am Wachsen – inzwischen sogar über die Landesgrenzen Frankreichs hinaus. 2015 eröffnete die erste Karrgreen-Tankstelle und vor zwei Jahren wurde Liger BioConcept gegründet, um auch bei industriellen Aktivitäten die CO2-Emissionen klar zu reduzieren. Nun will das französische Unternehmen in den nächsten vier Jahren 150 neue Biogas-Tankstellen erstellen. CNG-Mobility.ch sprach mit Marc Le Mercier, dem Präsidenten von Liger BioConcept und Gründungspräsident des Karrgreen-Netzwerks.
Herr Le Mercier, Sie geben in Frankreich Vollgas und wollen 150 neue Biogas-Tankstellen eröffnen bis 2023. Ist das auch eine Reaktion auf die Förderung von CNG-Nutzfahrzeugen der Regierung?
Marc Le Mercier, Präsident von LigerBioConcept LBC: Nein, diese Idee und den Plan dazu verfolgen wir schon seit 2011, als wir damals Liger gründeten. Diese 150 Tankstellen von Karrgreen in ganz Frankreich haben das Ziel, den CO2-Ausstoss im Mobilitätsbereich zu reduzieren und die Gesundheitsbelastungen, vor allem durch Feinstaub, zu minimieren. Wir wollen damit den Transportunternehmern aber auch eine Möglichkeit bieten, ohne Probleme in die teils mit Restriktionen versehenen Stadtzentren zu gelangen oder ganz allgemein auf den Strassen Frankeichs unterwegs zu sein.
Eine der Methanisierungsanlage, in denen aus biogenen Abfällen, Biogas für die Kunden von Karrgreen-Tankstellen gewonnen wird. Quelle: Liger.
Was sind für Sie die wichtigsten Faktoren für ein florierendes CNG/Biogas-Tankstellengeschäft?
Die wichtigsten Faktoren sind sicher einmal eine gut durchdachte Tankstelle an sich. Auch von der Infrastruktur her muss sie optimiert sein. Daher sind unsere Karrgreen-Tankstellen sogenannte Plug&Play-Stationen, das heisst sie sind innerhalb von 72 Stunden aufbaubar. Sie verbinden die Biogas-Verteilung und -Abgabe mit neusten Datenerfassungs- und Blockchain-Techniken genauso wie mit Lademöglichkeiten für grünen Strom. Die beiden Angebote schaffen ein sehr grosses Interesse. Das ist ähnlich wie das Zusammenspiel von Biogas und Storm bei der Methanisierung selbst, das hervorragende Resultate erbringt. Zudem ermöglicht das Angebot von Biogas und Strom an der gleichen Tankstelle, dass die verschiedenen Akteure an einem einzigen Tisch zusammensitzen, um die Karrgreen-Station zu realisieren. Diese Stationen werden von regionalen Gesellschaften geführt und unterhalten, was für uns ebenfalls entscheidend ist. Das heisst, die Identifizierung mit der Region ist schon gegeben und eine direkte Verbindung zwischen Produzenten und Konsumenten geschaffen. Die Lieferung des Biogases wird also nicht über Zertifikate, sondern aus der Region sichergestellt, was eine regionale Lieferkette und lokale Wertschöpfung schafft.
«Unsere Stationen fungieren als Energieknotenpunkte für Unternehmen.»
Wie gingen Sie bei Ihrer Standortwahl vor und was macht einen guten Standort aus?
Die Standortwahl erfolgt meist zusammen mit den Unternehmern und späteren Nutzern. In der Bretagne beispielsweise haben wir an strategischen Orten für die Logistik und den Unterhalt von Unternehmen neue Tankstellen aufgebaut. So verlieren die Transporteure keine Zeit und sind absolut effizient unterwegs. Unsere Stationen fungieren als Energieknotenpunkte für diese Unternehmen. Spannend sind diese Tankstellen nicht nur wegen ihres grünen Stroms, ihres CO2-neutralen Biogases, sondern in Zukunft auch wegen des grünen Wasserstoffs, den sie anbieten könnten und damit zur Dekarbonisierung der Mobilität beitragen.
Was ist bei einem Tankstellenbau grundsätzlich zu berücksichtigen?
Die Karrgreen-Stationen sind durchdacht, in einem hohen Mass standardisiert und speziell für den Plug&Play-Aufbau mit unseren Partnern zusammen entwickelt. Zu diesen zählt mit E-Pango unter anderem ein Unternehmen fürs Energiebeschaffungsmanagement, das in der Lage ist, Energielieferungen intelligent zu verwalten. Mit Prodeval haben wir den französischen Leader für industrielle Lösungen und für die Entwicklung sowie Produktion von Biogas mit an Bord. Zudem steht hinter jeder Tankstelle auch eine eigene Betreibergesellschaft.
Wie lange dauert es, bis eine Tankstelle installiert und betriebsfertig ist?
Wenn der Standort und die Finanzierung mit den beteiligten Unternehmern und Behörden geklärt sind, dauert es in der Regel etwa acht Monate, bis eine neue Karrgreen-Tankstelle ans Netz geht. Und, wie bereits erwähnt, es handelt sich um Plug&Play-Stationen. Das heisst, sobald das Grundstück einmal erschlossen ist, dauert es lediglich 72 Stunden. Trotzdem haben wir grossen Wert daraufgelegt, dass die Tankstellen nicht nur leicht aufzubauen, sondern auch hübsch und ästhetisch sind.
Sie sprechen von Biogas- und nicht CNG-Tankstellen. Woher stammt das ganze CO2-neutral Biogas an den Karrgreen-Zapfsäulen?
Wir sprechen nur von Biogas, weil wir hier unseren Fokus legen. Selbst wenn schon CNG gegenüber Diesel einen grossen Beitrag zur Dekarbonisierung beiträgt. Wir wollen die Hersteller von Biogas mit den Nutzern von Biogas zusammenbringen. Wir schaffen damit eine Kreislaufwirtschaft an den Karrgreen-Stationen. Diese sind zwar hauptsächlich für die Betankung von LKW, Bussen und Cars bestimmt, zusammen mit der Blockchain-Technologie, den Rechenzentren und der Produktion von lokaler grüner Energie werden sie aber zu einem eigenen kleinen Energiehub. Unsere Stationen sind somit Werkzeuge zur Reduzierung der Emissionen und zur Dekarbonisierung der Wirtschaft. Der Blockchain-Ansatz dient dabei vor allem dazu, die Eigentümer der Stationen und die Lieferanten von biogenen Abfallstoffen für die regionalen Methanisierungsanlagen mit Kryptogeld zu bezahlen. Die «Clean Coins» sind streng an die Produktion und Verteilung von Energie sowie an die Menge des eingesparten CO2 gebunden. Eine Karrgreen-Station ist wie ein Universum. Das könnte man nun für utopisch halten, aber das Modell funktioniert bereits und könnte sich als Modell für die Zukunft erweisen.
Illustration einer der 150 Karrgreen-Tankstellen, wie sie dereinst beispielsweise im bretonischen Ort Ploërmel entstehen soll. Quelle: Liger.
Im Güterverkehr liegt nicht nur CNG/Biogas als Energieträger, sondern auch LNG im Trend. Sind auch Tankmöglichkeiten für LNG geplant?
Ja, absolut. Wir arbeiten bereits mit Experten zusammen, um LNG auf Biogas-Basis bereitzustellen. Wir haben hier bereits Pläne in der Bretagne, um künftig auch Flüssiggas für den Transportsektor zu liefern. Dabei denken wir nicht nur an den Strassen-, sondern auch an den Schiffstransport, bei dem durch LNG ebenfalls eine massive Dekarbonisierung erfolgen kann. Wir fokussieren uns aber vor allem auf die Energieverteilung und versuchen, den Energieträger möglichst nahe an seinem Produktionsstandort zur Nutzung zu bringen.
Ihre Ausbau-Pläne beziehen Sie aktuell auf Frankreich. Könnten Sie sich auch eine Expansion des Geschäfts beispielsweise in die Schweiz vorstellen?
Wir lieben die Schweiz, es ist ein wunderschönes Land. Wieso also nicht? Es würde uns freuen, mit Schweizer Unternehmen zusammenzuarbeiten. Unsere Biogas-Tankstellen von Karrgreen sind in der Lage, etwa neun LKW pro Stunde zu betanken, was mit einer intelligenten Nutzung der Elektroladestationen kombiniert werden müsste. Ich denke für uns, aber auch für unsere Partner E-Pango und Prodeval, könnte die Schweiz ein spannender Markt sein, weil wir gleiche Werte vertreten. Aktuell sind wir jedoch gerade dabei unsere Expansionspläne in den USA, wo wir im Bundesstaat Maine aktiv sind, und in Kanada umzusetzen. Aber der Planet ist rund und der Kampf gegen den Klimawandel ist logischerweise nicht nur auf Frankreich beschränkt.
«Die Identifizierung mit der Region ist gegeben und eine direkte Verbindung zwischen Produzenten und Konsumenten geschaffen.»
Bei den Fahrzeugen, die betankt werden, handelt es sich ja in den meisten Fällen um keine französischen Produkte. Sicher ein Wermutstropfen, oder sehen Sie hier Bewegung oder Bestrebungen bei den französischen Autoherstellern, auch Gas-Fahrzeuge anzubieten?
Das ist tatsächlich ein wenig ein delikater Punkt. Aber die Autos der französischen Hersteller werden auch nicht mehr ausschliesslich in Frankreich produziert. Wir sind schlussendlich alle auch Europäer. Von daher ist es kein Problem, mit einem deutschen oder spanischen Wagen zu fahren, solange es Fahrzeuge mit CNG-Antrieb sind und damit durch die Nutzung von Biogas unsere Umwelt schützen. Aber den französischen Herstellern könnte tatsächlich ein Absatzmarkt entgehen, da sie voll auf die Karte Elektro setzen. Etwas, was sie vielleicht später bereuen und teuer bezahlen werden. Dabei sind Biogas und grüner Strom als Antriebsenergie durchaus kompatibel und gleichberechtigt, wie unsere Karrgreen-Tankstellen ja perfekt beweisen.
Wie sieht das auf dem Nutzfahrzeugmarkt aus?
Genau, den sollte man nicht vergessen. Hier setzen mit Scania, Iveco und auch Renault diverse Akteure auf die Karte Biogas, ob dies bei Lastwagen, Bussen oder auch im Bereich der Traktoren ist. Das genutzte Gas für diese Fahrzeuge stammt nicht aus den USA oder Russland und muss aufwendig importiert werden, sondern kann lokal hergestellt werden. Das Geld bleibt also sozusagen zuhause und das ist auch ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Der Klimawandel schreitet sehr rasch voran. Die Entwicklung und der Einsatz von Karrgreen aktuell in Frankreich – und vielleicht schon morgen in der Schweiz – hilft uns, zu Gunsten unseres Planeten etwas zu tun und die Zukunft unserer Kinder zu sichern. (jas, 23. Juli 2020)