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Das Leuchtturmprojekt der Familie Müller in Thayngen SH macht’s möglich: Dank Biogas, das aus Gülle, Mist und organischen Reststoffen gewonnen wird, gibt es nun schweizweit erstmals Treibstoff direkt ab Hof. So lassen sich Stoffkreisläufe noch effizienter schliessen.
Quelle: Oekostrom Schweiz/Müller Energie/CNG-Mobility.ch
Da Biogas erneuerbar und CO2-neutral ist, sind CNG-Fahrzeuge, die an der ersten halb-öffentlichen Biogastankstelle auf einem Bauernhof tanken, automatisch klimaschonend unterwegs. «Mit unserer Biogasanlage können wir die Gülle und den Mist, die auf unserem Betrieb anfallen, und organische Reststoffe aus der Region sinnvoll nutzen. Wir gewinnen daraus Biogas – eine erneuerbare Energie», erläutert Andrea Müller. Der Familienbetrieb kann nun mit erneuerbarem Treibstoff die eigenen Felder klimaneutral bestellen. Damit ist sämtlicher Energiebedarf des Bauernhofs (Strom, Wärme, Treibstoff) über eigene, erneuerbare Quellen abdeckbar.
«Wir haben 2006 das erste Mal über eine Biogasanlage nachgedachten», erinnert sich Andrea Müller bei der feierlichen Eröffnung der ersten Biogastankstelle auf einem Schweizer Bauernhof. «Damals waren Blackouts noch kein Thema. Und über Fördergelder hat man sich noch nicht gestritten, die gab es einfach nicht.» Zusammen mit ihrem Mann Christian verfolgt sie die Vision, einen regionalen Wärmeverbund aufzugleisen und ihre Gebäude mit Photovoltaik zu bestücken. Schliesslich konnte 2014 auch endlich die Biogasanlage in Betrieb genommen werden.
Ob Traktor, Personenwagen oder auch Lastwagen mit CNG-Antrieb, an der ersten hofeigenen Biogastankstelle der Schweiz in Thayngen kriegen alle regional hergestellten Treibstoff für eine klimaneutral Mobilität. Quelle: CNG-Mobility.ch
Kritisch merkt die Land- und Energiewirtin aus Thayngen an: «Sieben Jahre Bewilligungszeit sind für solche nachhaltigen Projekte eindeutig 6,5 Jahre zu viel.» Doch die Müllers gaben nicht auf, bauten ihren Energieverbund ausserdem stetig aus. «Mit der Biogasanlage produzieren wir aktuell Strom für 400 Haushalte. Daneben liefert sie Abwärme für den Wärmeverbund, der inzwischen 270 Wohneinheiten, drei Gewerbebetriebe und ein Schulhaus ganzjährig mit Wärme für Heizungen und Warmwasser beliefert», rechnet Andrea Müller vor. Die landwirtschaftliche Biogasanlage der Müller Energie GmbH leistet damit einen wichtigen Beitrag zur regionalen, nachhaltigen Energieversorgung, und wurde nun um die erste hofeigene Biogastankstelle der Schweiz erweitert. Besonders wichtig dabei: In der Schweiz werden keine Nutzpflanzen für die Biogas-Produktion angebaut, auch nicht bei den Müllers. «Bei uns können Kundinnen und Kunden einen nachhaltigen Treibstoff tanken, der zu 100 Prozent aus der Region stammt und bei uns auf dem Bauernhof produziert wird. Damit schliessen wir den Stoffkreislauf und machen Mobilität CO2-neutral», so Andrea Müller.
Hans-Christian Angele, Leiter Politik und Mitglied der Geschäftsleitung beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie, erläutert an der feierlichen Eröffnung die Bemühungen der Schweizer Gaswirtschaft bei der Dekarbonisierung. Quelle: CNG-Mobility.ch
Hans-Christian Angele, Leiter Politik und Mitglied der Geschäftsleitung beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie, macht deutlich: «Die einheimische Gasproduktion macht Sinn, trotzdem wird sie von der Politik bislang weitestgehend ignoriert. Die staatliche Förderung konzentriert sich einseitig auf die Stromproduktion, eine Einspeisung von Biogas ins Netz ist kein Thema.» Dies mache die Wirtschaftlichkeit der Anlagen zu einer Herausforderung, dabei seien Biogas und erneuerbare Gase für die Zukunft, die Dekarbonisierung und die Versorgungsicherheit entscheidend.
Sprit statt Milch direkt vom Hof, in Thayngen bei der Familie Müller ist dies an der ersten Biogastankstelle auf einem Schweizer Bauernhof Realität. Quelle: CNG-Mobility.ch
Das Leuchtturmprojekt in Thayngen ist ein solcher, wichtiger Schritt, um unser Land mit Schweizer Biogas unabhängiger von teuren Energieimporten zu machen, so mehr Energiesicherheit für alle zu gewährleisten und regionale Energiekreisläufe zu etablieren. Diesen Vorteil nutzt beispielsweise der lokale Entsorgungsspezialist, der mit seinem Kehrichtsammelfahrzeug mit Biogas fährt. «Die Biogas-Aufbereitungsanlage mit Tankstelle ersetzt jährlich gut 200’000 Liter fossilen Diesel, sodass die Kehrichtsammlung von Thayngen und die Produktion unserer Kartoffeln CO2-neutral ausfällt», rechnet Andrea Müller zufrieden vor.
Das Herz der Tankstelle mit dem Gas-Speicher und dem Technikcontainer. Quelle: CNG-Mobility.ch
«Tankstellen bei landwirtschaftlichen Biogasanlagen haben schweizweit ein grosses Potenzial», ist sich auch Stefan Mutzner, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Ökostrom Schweiz, dem Verband der landwirtschaftlichen Biogasanlagenbetreiber in der Schweiz, sicher. «Sie sorgen auf dem Landwirtschaftsbetrieb selbst für die Senkung des CO2-Ausstosses und bieten den Kundinnen und Kunden einen regional hergestellten Treibstoff für die Fahrt in eine nachhaltige und klimafreundliche Zukunft.»
Freuen sich über die gelungene Eröffnung des Leuchtturmprojekts (v.l.n.r.): Hans-Christian Angele (Leiter Politik und Mitglied der Geschäftsleitung beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie), Pascal Lenzin (CNG-Mobilitäts-Experte und Product Manager Mobilität bei Energie Wasser Bern), Andrea Müller (Landwirtin und Inhaberin Müller Energie GmbH), Martin Haab (Nationalrat und Präsident des Zürcher Bauernverbandes), Stefan Mutzner (Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Ökostrom Schweiz) und Christian Müller (Landwirt und Inhaber Müller Energie GmbH). Quelle: CNG-Mobility.ch
Doch nicht nur die Landwirtschaft profitiert von der ersten Biogastankstelle auf einem Schweizer Bauernhof, sondern jedes CNG-Fahrzeug. «Dank Biogas und auch dem verflüssigten Bio-LNG können heute Diesel-LKW ersetzt werden – ohne jegliche Einbussen bei Nutzlast und Reichweite. Dabei lassen sich an die 100 Tonnen CO2 pro eingesetztes Fahrzeug einsparen», erläutert Pascal Lenzin, CNG-Mobilitäts-Experte und Product Manager Mobilität bei Energie Wasser Bern. «Für den Transport und die Mobilität ist nicht die Art des Antriebes entscheidend, sondern einzig und allein, dass das gewählte Konzept – wie beim Biogas – erneuerbar ist.» Werden die Emissionen nicht am Auspuff gemessen, sondern über den ganzen Lebenszyklus des Fahrzeuges berechnet, bewegen sich CNG-Fahrzeuge – egal, ob Traktor, LKW oder Personenwagen – mit Biogas im Tank sogar auf Augenhöhe mit Elektromobilen, die erneuerbaren Strom tanken. (pd/jas, 30. Juni 2022)