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Synthetische Treibstoffe können helfen die CO2-Emissionen im Strassenverkehr zu senken. Quelle: Bosch
Die Elektrifizierung der Schweizer Fahrzeugflotte schreitet voran. Das ist gut fürs Klima, doch die E-Mobilität allein kann das CO2-Problem nicht lösen. «Neben der Elektrifizierung der Antriebe braucht es die Elektrifizierung der Treibstoffe», sagt Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf. Gegenüber der Denkfabrik «Avenir Suisse» legt Bach dar, was er sich darunter vorstellt.
Elektrizität lässt sich nicht nur zum Antrieb von Elektromotoren nutzen. Aus Strom lassen sich auch synthetische Treibstoffe, kurz Syn-Fuels, herstellen. Erste Anlagen bestehen bereits: Audi beispielsweise produziert in Werlte (D) seit 2012 synthetisches Methan für seine CNG-Modelle. Dazu nutzt Audi Ökostrom, um mittels Elektrolyse Wasserstoff zu erzeugen. In einem weiteren Schritt wird dieser Wasserstoff (H2) unter Zuführung von Kohlendioxid (CO2) in Methan (CH4) umgewandelt, mit dem die g-tron-Modelle der Ingolstädter betankt werden können. Audi schafft so einen geschlossenen CO2-Kreislauf, der eine umweltschonende Langstreckenmobilität ermöglicht. Das E-Gas-Projekt trägt ausserdem dazu bei, das Problem der Speicherung von überschüssigem Wind- oder Solarstrom zu lösen.
Audi E-Gas-Anlage im deutschen Werlte prouziert seit 2012 synthetisches Methan für CNG-Fahrzeuge. Quelle: Audi
Das Problem der Syn-Fuels – synthetisches CNG, Diesel oder Benzin – sind die hohen Produktionskosten. Die Herstellung von synthetischem Treibstoff ist achtmal teurer als die Produktion von fossilen Treibstoffen. Christian Bach rechnet in seinem Beitrag im «Avenir Spezial» jedoch damit, dass sich diese Kosten bis 2050 aufgrund von Skaleneffekten und Lernkurve stark senken lassen – auf den Faktor 4 über denjenigen von Benzin, Diesel und Erdgas.
Das klingt immer noch nach sehr viel: Doch diese höheren Produktionskosten wirken sich nur teilweise auf die Preise an der Zapfsäule aus. Die Produktionskosten der fossilen Treibstoffe machen heute nur rund einen Viertel der Säulenpreise aus. Rund die Hälfte des Liter- oder Kilopreises besteht aus Steuern und Abgaben, der Rest fliesst in Verteilung, Tankstelle und Marge.
Empa-Experte Christian Bach zeigt auf, wie synthetische Treibstoffe genutzt werden könnten. Quelle: Empa
Syn-Fuels, die heute um den Faktor 8 teurer sind als fossile Treibstoffe, ergäben Säulenpreise von 3,90 Franken pro Liter (ohne Mineralölsteuer) respektive 4,60 Franken (mit MinÖst). Bis 2050 würde sich dieser Preis auf 2 Fr./l (ohne MinÖst) oder 2,70 Fr/l (mit MinÖst) reduzieren.
Beide Preise scheinen aus heutiger Sicht nicht umsetzbar – weder wirtschaftlich noch politisch. Ziel muss gemäss Christian Bach ein Ansatz mit konstanter Preisentwicklung sein. Der Empa-Forscher zieht das neue CO2-Gesetz in seine Überlegungen ein: Er schlägt die Anrechenbarkeit der CO2-Minderung durch Syn-Fuels im Rahmen der Fahrzeugzulassung vor. Der Gesetzgeber gibt den Importeuren oder Herstellern von Fahrzeugen jährlich individuelle CO2-Zielwerte vor. Werden diese überschritten, sind Sanktionszahlungen fällig. Allein 2019 mussten die Schweizer Automobil-Importeure knapp 80 Millionen Franken CO2-Pönalen abliefern.
Christian Bachs Vorschlag würde bedeuten, dass Importeure geringere Sanktionszahlungen zu leisten haben, wenn sie parallel zum Verkauf von Verbrennern oder Hybridfahrzeugen auch synthetische Treibstoffe auf den Markt bringen. Bach: «Dies könnte beispielsweise mittels Herkunftsnachweisen sichergestellt werden.»
Syn-Fuels sind heute klar teurer als fossile Treibstoffe. Ihre Preise könnten aber bis 2050 auf 2,40 Franken pro Liter an der Zapfsäule sinken. Quelle: Bosch
Trotzdem würde in einer Übergangsphase von 100 Prozent fossilen auf 100 Prozent erneuerbare synthetische Treibstoffe ein deutlicher Preisanstieg bis 2040 resultieren. Erst danach würde der Treibstoff-Mix günstiger. Als zweite Massnahme schlägt Bach daher vor, auf fossilen Treibstoffen eine Umlage zu erheben. Dadurch würden fossile Treibstoffe verteuert, um synthetische Treibstoffe zu verbilligen. «Bis 2050 würde sich so ein Säulenpreis für 100 Prozent erneuerbare Treibstoffe von 2,40 Fr./l Diesel-Äquivalent ergeben, inklusive Mineralölsteuer in voller Höhe.»
Die Umstellung von fossilen auf erneuerbare synthetische Treibstoffe ist vor allem für Langstrecken- und Lastanwendungen sehr interessant. Was die synthetischen Treibstoffe zudem aus klimapolitischer Sicht sehr vorteilhaft macht: Sie wirken sich nicht nur auf die Neuwagen aus, sondern auf den gesamten Fahrzeugbestand. Auf diese Weise liesse sich der CO2-Gehalt im Treibstoffsystem bis 2050 kontinuierlich senken – und damit auch die CO2-Emissionen, die der Strassenverkehr verursacht. (sco, 24. August 2020)