Portal für klimafreundlichere Mobilität

CNG-Mobility.ch
 
 

Subventionen oder Quoten?

Mehr als 20 Jahre lang stand Hans Wach an der Spitze der Gasverbund Mittelland AG, nun ging er in Pension. Welche Herausforderungen sieht er für die CNG-Mobilität noch? Und welche Möglichkeiten, um die Biogasproduktion in der Schweiz anzukurbeln? Denn mit Biogas «Swiss Made» im Tank ermöglichen CNG-Fahrzeuge eine nahezu CO2-neutrale Mobilität. Hans Wach spricht mit CNG-Mobility.ch ausserdem über die Photovoltaik und die Winterstromlücke.

Biomasse SuisseEine der rund 120 landwirtschaftlichen und 29 gewerblichen Biogasanlagen, die in der Schweiz Grüngut vergären. Quelle: Biomasse Suisse

Gemäss Hans Wach, der nun nach über 20 Jahren an der Spitze der Gasverbund Mittelland AG in Pension ging, könnten aktuell zwei Anreizsysteme für einen Schub bei der Schweizer Biogasproduktion sorgen. In Dänemark erfolgt dies beispielsweise über langfristige Subventionen und entsprechend hohe Einspeisevergütung. «Dort wird der Abnahmepreis für Biogas festgelegt. Es ist ein Modell, das auch Investoren anzieht, weil die Biogasproduktion so zu einem Business Case wird», sagt der Experte. Dementsprechend sei in den letzten Jahren in Dänemark auch eine Biogasproduktion von etwa fünfeinhalb Terrawattstunden fast aus dem Nichts entstanden. «Die Investoren bauen sogar Anschlüsse für die Biogasanlage zum Gasnetz, weil es sich lohnt.»

Hans Wach vor der CNG-Flotte der Gasverbund Mittelland AG. Quelle: CNG-Mobility.ch

Die zweite Methode, die für die Schweiz weit besser geeignet sei als irgendwelche Subventionstöpfe oder Ökofonds, sieht Hans Wach bei gesetzlichen Quoten für den Biogasanteil. «Man legt schlicht eine Quote fest; macht einen Plan über zehn oder auch zwanzig Jahre hinweg für einen graduellen Anstieg des Biogasanteils – auch für den Wärmemarkt und nicht nur für die Mobilität», erläutert der abtretende GVM-Geschäftsleiter. Damit schaffe man ebenfalls Investitionssicherheit und das Modell funktioniere, wie das Beispiel Deutschland beweise. Dort müsse ein bestimmter Anteil der Treibstoffe aus biogener/erneuerbarer Herkunft stammen. «2023 verlangt man in Deutschland beim Treibstoffimport von Diesel und Benzin schon 8 Prozent grünen Treibstoff – das darf auch Biogas sein. Das sind enorme Mengen an biogenem Treibstoff, die es dazu braucht», gibt Hans Wach zu bedenken. «2030 liegt die Quote in Deutschland übrigens bereits bei 23 Prozent. Daher gibt es nun einen regelrechten Run auf Biogas. Plötzlich werden Biogasanlagen gebaut.» Für den CNG-Förderer durchaus ein Modell, dass sich auch hierzulande anwenden liesse, um den Bau von Schweizer Biogasanlagen voranzutreiben.

Vor allem im Nutzfahrzeug-Bereich – wie hier im Bild beim Biogas-LKW der Salzmann AG Transporte – sieht Hans Wach grosses Potenzial für Biogas. Quelle: CNG-Mobility.ch

«Mit diesem Quotenmodell könnte man mehrere Vorteile bündeln: Zum einen würde in der Schweiz in erneuerbare Energieträger – unter anderem auch Biogasanlagen – investiert, zum anderen könnte man bestehende Flotten ökologischer machen. Warten, bis alle Elektro fahren, dauert noch viele Jahre», so Hans Wach. Denn ein normaler Erneuerungszyklus des Schweizer Fahrzeugbestands belaufe sich durchaus auf 10 bis 15 Jahre. Die Umstellung auf Elektro erfolge auch dann nur, wenn bei den Neuwagen nur noch Elektroautos verkauft würden. Und selbst dies müsste sogar noch 10- bis 15-mal in Folge passieren!

«Ich behaupte mal, wir werden deshalb erst in rund 30 Jahren einen hohen Elektroanteil bei den Personenwagen haben – kaum früher», rechnet der abtretende GVM-Geschäftsleiter nüchtern vor. «Würde man auch erneuerbare Antriebsenergien zulassen und fördern, könnte man den Bestand schon früher dekarbonisieren. Dann würden wohl auch Grosskonzerne wie Shell, BP & Co mehr in E-Fuels und synthetische Gase investieren. Die Herstellungsprozesse dazu sind alle bekannt, die Lieferkette und Infrastruktur wäre ebenfalls identisch wie heute. Man müsste nur dort, wo heute fossile Quellen und Rohstoffe verwendet werden, auf erneuerbar umstellen», so Hans Wach.

Hans Wach sorgte durch die Präsenz von CNG-Modellen und Conceptcars mit CNG-Antrieb des Autovisionärs Frank M. Rinderknecht am Genfer Autosalon für einen Schub und viel Aufmerksamkeit für die klimafreundliche Antriebsart. Quelle: CNG-Mobility.ch

Er zweifelt jedoch am Willen der Politik, die aktuell lieber auf Elektro setzt, und gibt zu bedenken, dass im Sonnengürtel in Nordafrika 100 Quadratkilometer Photovoltaikanlagen ausreichen würden, um den gesamten Gasbedarf der Schweiz – und nicht etwa nur denjenigen der Mobilität – zu decken. Der Energieexperte erklärt: «Ich habe es extra ausgerechnet. Eine 10 auf 10 Kilometer grosse Solaranlage würde ausreichen, um den heutigen Bedarf von rund 35 Terawattstunden zu decken.» Gehe man wie Nationalrat und Ex-Swissolar-Präsident Roger Nordmann von einem Spitzenbedarf von 50 GWp aus, sei die Fläche entsprechend grösser, um eine Stromlücke im Winter zu verhindern. «Dann wären es umgerechnet etwa 250 Quadratkilometer an Photovoltaikzellen. Diese müssten in der Schweiz primär auf Dächern installiert werden. Zudem gibt es hierzulande sicherlich weniger Sonnenstunden als in Nordafrika», analysiert Hans Wach. «Wir planen in unserer Siedlung ebenfalls eine Photovoltaikanlage. Das funktioniert grundsätzlich, ist aber kein Selbstläufer und brauchte etwa drei bis vier Jahre für die Umsetzung.»

In Bern nutzt der Spediteur Krummen Kerzers für die Belieferung der Lidl-Filiale im Zentrum der Hauptstadt ausschliesslich Biogas. Quelle: Lidl

Dabei seien die Schweizer durchaus auf Umweltschutz und mehr Nachhaltigkeit bedacht, aber es müsse eben auch ein entsprechendes Angebot vorhanden sein. «Das sehen wir besonders gut bei den CNG-Fahrzeugen. Es steht und fällt mit dem Angebot! Momentan ist das Angebot nur bei den LKW befriedigend», erklärt Wach. «Dort ist das Interesse an dieser sofort verfügbaren, zuverlässigen und klimafreundlichen Antriebtechnologie auch gross. CNG-LKW werden vor allem im Verteilerbereich beispielsweise bei der Migros für die Filialbelieferung genutzt. Und LNG-Lastwagen boomen in der Schweiz bloss noch nicht, weil noch das Tankstellennetz fehlt. Im europäischen Umfeld sind sie dagegen sehr beliebt, vor allem auf den Langstrecken», erklärt der Experte.

«Und LNG kann, wie CNG durch Biogas, problemlos durch Bio-LNG ersetzt werden. Wenn man Biogas von Schweizer Inselanlagen wegbringen will, dann bietet sich hier eine Verflüssigung ebenfalls an.» Das Bio-LNG/LBG sei schliesslich problemlos abtransportierbar und könne so an einem anderen Ort seinem Verwendungszweck zugeführt werden. Auch die Aufbereitung des Rohbiogas böte noch viel Potenzial, da man so ebenfalls gewonnenes, flüssiges CO2 auch als Kältespender oder als Rohstoff z.B. für synthetische Fuels nutzen könne. «Entscheidend ist es, wie bei allen Energieträgern, dass wir saubere Energiebilanzen erstellen. Denn das Bilanzgebiet der Natur ist immer der Planet und nicht irgendwelche eingeschränkte Zonen, nationale Räume oder das Ende eines Auspuffs. Dies muss man sich auch bei der CO2-Reduktion immer wieder vor Augen führen», meint Hans Wach vielsagend. (jas, 27. Januar 2022)

Lesen Sie auch den ersten Teil des Gesprächs mit Hans Wach «Vollgas mit Rinspeed» und seine Ausführungen zu «Gas als Teil der Lösung sehen»

Rolf Samer ist neuer GVM-CEO

Die Nachfolge von Hans Wach an der Spitze der Gasverbund Mittelland AG hat Rolf Samer angetreten. Der Kenner der Schweizer Gasbranche wurde am 26. Februar 1966 in Cham ZG geboren und hat in Zürich an der ETH Betriebs- und Produktionsingenieur studiert. Samer arbeitete davor seit 2008 bei der EWL Energie Wasser Luzern als Leiter Beschaffung und Verkauf und war Stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung. Ausserdem war er seitens der Erdgas Zentralschweiz AG Mitglied des Verwaltungsrates der Swiss Energy Trading AG (SET).

Das könnte Sie auch interessieren

Klimafreundlichere Mobilität:
Dank unserem LinkedIn-Profil bleiben Sie am Ball!