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In zwei bis drei Jahren will VW entscheiden, ob und wie es mit der CNG-Mobilität weitergehen soll. Das Timing dürfte kein Zufall sein, sondern vielmehr im Zusammenhang mit dem sogenannten «Green Deal» von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stehen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Die neue Präsidentin der EU-Kommission will Europa bis 2050 als ersten Kontinent klimaneutral machen. Vorerst ist das eine vollmundige und etwas pathetisch vorgetragene Ankündigung der deutschen Politikerin, die am 1. Dezember 2019 ihr neues Amt angetreten hat. Bis Herbst 2021 sollen konkrete Programme und Gesetze folgen.
Dabei sollen auch die Abgaswerte im Strassenverkehr auf den Prüfstand kommen. Das EU-Parlament hat bereits im März 2019 festgehalten, dass die Emissionen von Personenwagen und leichten Nutzfahrzeugen «über den gesamten Lebenszyklus bewertet werden» müssen. Aktuell werden Elektrofahrzeuge in Europa (und der Schweiz) als Null-Emissionsfahrzeuge eingestuft, während CNG-Fahrzeuge mit Emissionswerten belegt werden, selbst wenn sie mit 100 Prozent Biogas betankt sind.
Das Beratungsunternehmens PA Consulting hat 2017 die CO2-Emissionen «Well-to-Wheel» berechnet, also von der von der Gewinnung und Bereitstellung des Treibstoffs bis zur Umwandlung in kinetische Energie. Gemäss dieser Analyse stossen ein Elektrofahrzeug, das mit erneuerbarem Strom geladen wird, und ein CNG-Fahrzeug, das mit Biogas fährt, jeweils 5 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Solange der Gesetzgeber diesen Umstand ignoriert, kann sich die Mobilität mit CNG und Biogas nicht entfalten. Christian Bach, Antriebstechnologe der Empa, bestätigt: «Eine technologieneutrale Gesetzgebung im Fahrzeugbereich ist notwendig – ansonsten ist der ökologische Mehrwert von CNG nicht monetarisierbar.»
Strom, Wasserstoff und Biogas sind die Treibstoffe, die eine weitgehend klimaneutrale Mobilität ermöglichen – doch der Gesetzgeber behandelt diese drei Alternativen völlig unterschiedlich. Branchenkenner vermuten, dass die Aussage von Konzernchef Herbert Diess, wonach sich VW vom CNG-Auto verabschieden wolle, als eine Art Hilferuf nach Brüssel zu verstehen sei: Helft uns, indem ihr dieser klimaschonenden Technologie gleich lange Spiesse verschafft – oder wir geben auf…
Einen Hinweis in diese Richtung ist einem Interview zu entnehmen, das VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch dem deutschen «Handelsblatt» gab. Er nannte den mangelnden Beitrag der CNG-Fahrzeuge zum Flottenausstoss: «Wir haben damit gerademal 0,3 Gramm pro Kilometer in der Flotte geschafft.» Das ist angesichts der Zielwerte von 95 Gramm CO2 pro Kilometer eine auf dem Papier magere Ausbeute einer sinnvollen, weil klimaschonenden Technologie. (sco, 7. März 2020)
Lesen Sie auch den ersten Teil der Story unter: «Grosse Wirbel um die VW-Strategie»
VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch gab dem deutschen «Handelsblatt» ein zum Thema CNG für Verwirrung sorgendes Interview.