Portal für klimafreundlichere Mobilität
Ein LNG-Truck beim Tanken an einer der inzwischen 50 Gasum-Tankstellen in Finnland. Quelle: Gasum
1996 eröffnete Gasum die erste CNG-Tankstelle in Finnland. Die grossen Investitionen in die Infrastruktur zur Gasbetankung begannen jedoch erst vor rund vier Jahren. Heute baut das Unternehmen das Netz konsequent aus, zum Teil gemeinsam mit Partnern. Im Rahmen eines EU-Projekts kam 2016 die erste LNG-Tankstelle hinzu, um diesen Markt zu testen. In Finnland existieren inzwischen rund 50 CNG-Tankstellen, von denen Gasum 35 besitzt. Das Unternehmen verfügt in den nordischen Ländern über insgesamt 100 Tankstellen für leichte und schwere Nutzfahrzeuge. Parallel dazu hat sich auch die Zahl der CNG-Fahrzeuge entwickelt.
Herr Metsälä, was ist die Geschäftsphilosophie von Gasum?
Jukka Metsälä, Gasum-Verantwortlicher der Geschäftseinheit «Verkehr»: Wir sehen es als unsere Aufgabe, saubere Energie zu liefern. Zu diesem Zweck bauen wir in Nordeuropa ein Gas-Ökosystem auf. Wir konzentrieren uns dabei auf drei Segmente: Industrie, Seetransport und Strassentransport. Alle drei Bereiche weisen ein deutliches Wachstum auf. Der Seeverkehr verzeichnet mengenmässig das stärkste Wachstum. Aber auch der Strassenverkehrssektor wächst schnell und stark.
Der Schlüsselfaktor für die Entwicklung im Strassensektor ist, dass CNG-Fahrzeuge überhaupt verfügbar sind. Wie sehen Sie diese Entwicklung in Ihrer Region?
Wir registrieren hier eine erfreuliche Entwicklung. Allein in Finnland sind derzeit 13’000 CNG-Fahrzeuge auf den Strassen unterwegs, 4000 davon kamen allein im vergangenen Jahr hinzu. Der Marktanteil liegt aber noch in einem überschaubaren Bereich. Wir sehen hier aber grosses Potenzial.
Sind Sie nicht besorgt darüber, dass die Produktion von CNG-Fahrzeugen eines Tages von den Herstellern gestoppt werden könnte?
Nein, überhaupt nicht, auch wenn darüber spekuliert wurde. CNG-Fahrzeuge sind bereits heute in verschiedenen Fahrzeugsegmenten erhältlich, und ich bin sicher, dass dies das Wachstum der CNG-Mobilität in verschiedenen Zukunftsszenarien unterstützt.
Das Biogas-Werk von Gasum im südschwedischen Jordberga. Quelle: Gasum
Ist das aus Ihrer Sicht die grösste Herausforderung?
Nein, ich sehe die grössere Herausforderung darin, wie CNG-Fahrzeuge und – eng damit verbunden – das Thema Biogas in der künftigen EU-Gesetzgebung berücksichtigt werden. Meiner Meinung nach wird Biogas und sein Potenzial von der EU heute noch viel zu wenig berücksichtigt. In einigen Ländern sind wir schon viel weiter. Zum Beispiel sind heute in Schweden über 55’000 CNG-Fahrzeuge unterwegs und der Anteil von Biogas liegt bereits bei 90 Prozent, in Finnland bei 50 Prozent. Hier fahren viele Flotten bereits zu 100 Prozent mit Biogas.
Bei allen Vorteilen: Die CNG-Mobilität setzt sich nur langsam durch. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
Den Hauptgrund dafür sehe ich in einem Mangel an Informationen und der damit verbundenen Aufmerksamkeit, die immer noch auf einem niedrigen Niveau liegt. Das ist erstaunlich, denn die Technologie ist nicht neu, und sie basiert auf der bewährten Technologie des Verbrennungsmotors. Dazu kommt: Wir registrieren ein «Henne-Ei-Problem» – wenn man zu wenige CNG-Fahrzeuge auf der Strasse hat, besteht keinen Anreiz, in die Infrastruktur zu investieren. Und wenn man keine gut ausgebaute Infrastruktur hat, gibt es keinen Anreiz, CNG-Fahrzeuge zu kaufen. Heute ist es für jeden klar, dass bei der Senkung der Emissionen im Strassenverkehrssektor alle möglichen und bestehenden Lösungen genutzt werden müssen.
Dennoch haben Sie begonnen, massiv in die Infrastruktur zu investieren. Warum?
Weil wir bewusst aus diesem negativen Kreislauf ausbrechen wollten. Wir haben uns gesagt: Wenn wir jetzt nicht in eine Vorleistung gehen, werden wir nie genug CNG-Fahrzeuge auf unseren Strassen haben. Die Rechnung ist eigentlich ganz einfach: Wenn es uns gelingt, mit unseren Investitionen den entscheidenden Anreiz zu schaffen, um mehr CNG-Fahrzeuge auf die Strasse zu bringen, werden wir eher früher als später den so genannten «Tipping Point» erreichen, also jenen Punkt, an dem die CNG-Mobilität zur Selbstverständlichkeit wird. Und dann wird sie auch zu einem Geschäft. Darüber hinaus sehen wir bereits heute ein zunehmendes Interesse verschiedener Akteure an Investitionen in die Gasbetankungsinfrastruktur.
Zwei LNG-Trucks beliefern den LNG betriebenen Eisbrecher Polaris im Hafen mit neuem Treibstoff. Quelle: Gasum.
Als Geschäftsmann würden Sie das nicht tun, wenn Sie nicht davon überzeugt wären, dass das Potenzial in diesem Bereich vorhanden ist. Richtig?
Korrekt. Es ist alles eine Frage des erforderlichen Potenzials. Lassen Sie mich das konkret veranschaulichen: Der Verkehrssektor einschliesslich des See- und Strassenverkehrs in den nordischen Ländern verbraucht heute praktisch so viel Energie wie die Industrie selbst. Das ist die Grundlage für unsere Investitionen. Und dann ist da noch das: Die grossen Investitionen in die Gasinfrastruktur sind bereits getätigt – jetzt geht es nur noch um den weiteren Ausbau. Das ist alles kalkulierbar. Mit anderen Worten: Angesichts des enormen Potenzials von CNG und Biogas für den Strassen- und Transportsektor sind unsere Investitionen überschaubar.
Aber die Politik spielt in diesem Prozess eine entscheidende Rolle, auch für Sie. Ohne eine ganzheitliche Betrachtung des Energieverbrauchs und der Umweltbelastung ist CNG gegenüber der Elektromobilität im Nachteil. Das gefährdet den Erfolg.
Da bin ich völlig mit Ihnen einverstanden. Nur wenn die Politik in Gesetzen und Vorschriften die Gleichberechtigung der verschiedenen Antriebsformen sicherstellt, wird es möglich sein, einen vollständigen Durchbruch zu erzielen.
Was müsste noch geschehen, damit die CNG-Mobilität die ihr gebührende Aufmerksamkeit erhält?
Der Schlüssel liegt bei Politikern und den Autofahrern. Es muss uns gelingen, die relevanten Informationen bei beiden Zielgruppen noch besser zu verankern. Und wir können mit Anreizen für Autofahrer helfen. Entscheidend ist nur, dass wir so schnell wie möglich die notwendige Masse für diesen «Tipping Point» erreichen.
In Finnland werden die Pizzas mit CNG-Fahrzeugen ausgeliefert. Quelle: Gasum
Und darüber hinaus?
Sie benötigen auch ein paar aussagekräftige Referenzen. Die Zusammenarbeit zwischen Nokia und Gasum hat dazu geführt, dass Nokia-Mitarbeiter ein Biogas-Auto als Firmenwagen fahren können. Mehr als 250 Nokia-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Finnland fahren nun schon ein Biogas-Firmenfahrzeug. Natürlich haben wir auch etwas Werbung gemacht, aber den grössten Erfolg hatten wir mit solchen Kampagnen.
Welche Rolle spielen Importeure und Händler in Ihrer Strategie?
Im Grunde genommen sind wir nur die Verkäufer von Gas. Dessen muss man sich immer bewusst sein. Aber natürlich haben wir gemeinsame Interessen – in erster Linie die des Verkaufs. Wir brauchen die Aufmerksamkeit der Händler nicht darauf zu lenken, dass der gesamte Autoverkauf in Finnland im letzten Jahr um 5 Prozent zurückgegangen ist, während der Verkauf von CNG-Fahrzeugen um 85 Prozent gestiegen ist. Das wissen sie selbst. Es gibt also Autofahrer, die an CNG-Fahrzeugen interessiert sind und diese kaufen wollen. Hier schliesst sich der Kreis der gemeinsamen Interessen: Wir wollen mehr Gas und die Händler wollen mehr Autos verkaufen. Wir steigen also gemeinsam in ein Boot und rudern in die gleiche Richtung.
Wir haben jetzt vor allem über Personenwagen gesprochen. Wie sehen Sie die Entwicklungen im Nutzfahrzeugbereich? Dieses Segment ist ja auch deshalb interessant, weil Sie mit weniger Fahrzeugen mehr Treibstoff verkaufen.
Das Gasgeschäft ist ein Volumengeschäft. Deshalb sind wir grundsätzlich an allen Segmenten interessiert, in denen wir Potenzial sehen. Aber natürlich ist auch der Nutzfahrzeugsektor interessant, weil er viel Energie verbraucht, für die Elektrifizierung wenig geeignet ist und das Transportgewerbe eher früher als später eine ausgereifte und erprobte Alternative zum Diesel haben muss. (kro, 5. Oktober 2020)
Die Biogas-Produktionsstätte von Gasum im verschneiten, finnnischen Kujala Lahti. Quelle: Gasum