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Bach - Empa
 
 

«Ohne Wasserstoff geht es nicht»

Im Interview mit Tamedia-Titeln und einem Gastkommentar in der NZZ erklärt Empa-Experte Christian Bach, wieso die Energiewende in der Schweiz ohne synthetische Treib- und Brennstoffe bis 2050 nicht zu schaffen ist.

Bach Quelle: Empa
Christian Bach erläutert die Funktionsweise des Mobilitätsdemonstrator «move» an der Empa in Dübendorf ZH. Quelle: Empa

Die EU setzt für die Energiewende auf die Karte Wasserstoff. So will sie die Klimaziele des Pariser Abkommens erfüllen und eine Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050 erreichen. Auch die Schweiz will bei diesem «Green Deal» mitziehen und fordert zusammen mit sechs EU-Staaten die EU-Kommission auf, einen Fahrplan für die Nutzung von Wasserstoff auszuarbeiten. Diverse Projekte sind hierzulande schon angestossen worden. So will etwa der koreanische Hersteller Hyundai zusammen mit der Vereinigung H2 Energy bis 2025 nicht weniger als 1600 Brennstoffzellen-Lastwagen auf die Schweizer Strassen bringen. Und mit dem Mobilitätsdemonstrator «move» untersucht die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa seit einigen Jahren mögliche Pfade für eine fossilfreie Mobilität.

Neben der Elektromobilität haben sich die Empa-Forschenden hier auf die Wasserstoffmobilität konzentriert. Sie bauten in Dübendorf ZH die erste Wasserstofftankstelle der Schweiz. Nun wollen sie mit der sogenannten Methanisierung oder «Power-to-Gas»-Technologie den nächsten Schritt Richtung Dekarbonisierung realisieren. Dabei wird der mit erneuerbarer Elektrizität hergestellte Wasserstoff mit Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre zu synthetischem Methangas umgewandelt. Dieses Gas steht neben Biogas, das aus organischen Abfallrohstoffen hergestellt wird, zurzeit im Fokus der Forschenden.

Wasserstoff Quelle: Hyundai
Ein Brennstoffzellen-Auto wird an der Empa-Wasserstofftankstelle aufgetankt. Quelle: Hyundai

In einem Interview mit Tamedia-Titeln erklärte Christian Bach, der renommierte Fahrzeugantriebsforscher der Empa: «Wir müssen die Energieversorgung der Zukunft als Gesamtsystem mit Strom- und Wärmeproduktion sowie Mobilität betrachten. Da kommen wir an den Wasserstofftechnologien wohl nicht vorbei.» Bach wies zudem auf die Problematik hin, dass Stromangebot und -nachfrage nicht übers Jahr, sondern zu jeder Zeit ausgeglichen sein müssten: «Auch wenn man die dafür notwendigen Speicherkapazitäten einrechnet, werden wir im Sommerhalbjahr grosse Mengen an temporär überschüssiger erneuerbarer Elektrizität haben.» Pumpspeicherkraftwerke weisen heute eine Speicherkapazität von circa 300 Gigawattstunden (GWh) auf. Das reiche aber nicht aus. Selbst bei einem Ausbau der Photovoltaik benötigt es gemäss Bach noch zusätzliche Speicherkapazitäten im Umfang von 60 bis 100 GWh, um lediglich den Tag-Nacht-Ausgleich im Sommerhalbjahr über Wochen realisieren zu können.

Und selbst wenn man künftig stationäre Stromspeicher oder die Batterien von parkierten Elektroautos nutze, gebe es im Sommerhalbjahr immer noch grosse Mengen an überschüssigem Strom: «Wasserstoff ist eine Möglichkeit, diese zu nutzen. Durch die Umwandlung in einen chemischen Energieträger kann erneuerbare Elektrizität auch in andere Energiesektoren wie die Industrie oder den Langstreckenverkehr transferiert werden. Das ist wichtig, um langfristig die Klimaziele zu erfüllen.»

Bach erläutert im Interview ausserdem, dass beispielsweise synthetisches Methan, das aus Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2) «künstlich» hergestellt wird, grosse Vorteile bietet: «Es kann vergleichsweise kostengünstig transportiert werden, weil es Transportsysteme wie etwa Gasnetze und Expertenwissen aus der fossilen Zeit bereits gibt. Diese Brennstoffe könnten dann wieder zum Beispiel im Winter in Blockheizkraftwerken in Strom und Wärme umgewandelt werden.»

Bach Quelle: AGVS-Medien
Empa-Experte Christian Bach erklärt, wieso die Energiewende ohne Wasserstoff nicht funktionieren kann. Quelle: AGVS-Medien

Der Abteilungsleiter für Fahrzeugantriebssysteme an der Empa gestand aber auch, dass man sich bezüglich Wasserstoffnutzung noch immer im Pilot- und Demonstrationszeitalter befinde: «Um auf eine nächste Stufe zu kommen, braucht es klarere Marktsignale. Vereinzelt sind solche Signale bereits zu sehen. Meine Wunschvorstellung ist, dass sich die energieimportierenden Branchen verpflichten, bis 2050 auf den Import fossiler Energie zu verzichten – auch im Winter. Vor einem solchen Hintergrund könnten sich in Pilot- und Demonstrationsprojekten erprobte Technologien und Marktmodelle industriell weiterentwickeln und auf dem Markt etablieren; technologieneutral und wettbewerblich. Wasserstofftechnologien würden in einem solchen Szenario zweifellos eine wichtige Rolle spielen.» (jas, 23. Juni 2020)

Das ganze Interview mit den Tamedia-Titeln vom 22. Juni 2020

Der NZZ-Gastkommentar vom 23. Juni 2020

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