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Nationalratspräsident Eric Nussbaumer legte dar, wieso er als amtierender Nationalratspräsident kaum nationale Forderungen bezüglich grünem Wasserstoff stellt. Quelle: CNG-Mobility.ch
Den Meinungs- und Wissensaustausch am Power-to-Gas-Kongress 2024 eröffnete mit Nationalratspräsident Eric Nussbaumer niemand geringerer als der höchste Schweizer. Der Elektroingenieur und SP-Politiker wies darauf hin, dass Investitionen in die Wasserstoff-Infrastruktur europaweit bereits jetzt erfolgen. «Die Wertschöpfungsketten sind bereits im Bau, etwa am Rotterdamer Hafen oder auch im Ruhrgebiet. Und Deutschland hat auch die Kernnetz-Verordnung für H2 bereits verabschiedet.» Unsere Nachbarn würden ausserdem den Wandel mit Forschungsprogrammen verknüpfen und so Forschungsgelder wie damals bei der Windenergie in den 1990er-Jahren in H2-Projekte leiten. «Sie machen dort Industriepolitik, wie damals auf einer ganz grossen Skala», merkte Nussbaumer an. «Europa ist beim Wasserstoff wohl schneller unterwegs, als wir dies in der Schweiz wahrnehmen.» Für den Nationalrat und Energie-Politiker geht es darum, bei uns eine Wirtschaftspolitik zu gestalten, die einen Dekarbonisierungspfad aufzeigt, um die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und die globale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und Europas zu sichern. «Wir gewinnen nichts, wenn wir auf Ideologien verweilen, wir sollten diesen Wandel mitgestalten und nicht zuwarten», so Nussbaumer.
Andreas Züttel, Professor für physikalische Chemie an der EPFL, geht davon aus, dass durch die Transformation auch grosse Energieeinsparungen möglich sind. Quelle: CNG-Mobility.ch
Dagegen hätte von den rund 200 Teilnehmenden niemand etwas einzuwenden, schliesslich wurde mehrmals die immer noch ausstehende Wasserstoff-Strategie des Bundes erwähnt. Diese wäre für nächste Schritte in der Energiewende genauso entscheidend wie ein geregeltes Verhältnis mit den europäischen Nachbarn für Handel und Kooperationen. Denn eine autonome Energielösung für die Schweiz sei wenig zielführend und vor allem extrem teuer; in diesem Punkt waren sich Referierende und Experten einig. Andreas Züttel, Professor für physikalische Chemie an der EPFL, zeigte anschliessend auf, dass die Schweiz eine Energiewende bereits 1912 einmal mit der Elektrifizierung der SBB durchgespielt habe. «Rein technisch ist eine Energieeinsparung von bis zu 33 Prozent möglich», rechnete Züttel vor. «Doch Wind und Sonne als Energieträger haben den Nachteil, dass sie die Energie nach Produktion und nicht bei Bedarf liefern. Wir brauchen bei Wind- und Sonnenenergie etwa einen Puffer von zwei Monaten, wie eine Studie aus Deutschland anhand der Wetterdaten der letzten 30 Jahre zeigt.»
Züttel rechnete die Kosten für die verschiedenen für die verschiedenen Energieformen durch. Quelle: CNG-Mobility.ch
Die Schweiz könne zwar rund 75 Prozent ihres Energiebedarfs durch Erneuerbare decken, aber die letzten 25 Prozent stellten das Problem dar. Diese trieben auch die Kosten massiv; egal, ob man Wasserspeicher oder andere Energiespeichervarianten nutze. Züttel geht davon aus, dass selbst, wenn alle Dächer mit PV-Anlagen verbaut sind, noch Elektrizitätsspeicher für 12 TWh nötig sind, um diese Elektrizität nicht nach Produktion, sondern nach Bedarf sicherzustellen. «Eine CO2-neutrale Energieversorgung muss äusserst vielfältig ausgestaltet sein. Wir brauchen 20 TWh Biomasse, 23 TWh an Bio-Öl für Flugzeuge, und wir müssen pro Jahr 2,4 TWh an Wind- und Sonnenenergie zubauen – und nicht erst 2050 damit beginnen!», ermahnte der EPFL-Professor. «Denn importieren ist am Ende immer teurer, als bei uns zu produzieren.» Man müsse dabei stets abwägen zwischen der zwar von der Infrastruktur her teureren, aber ansonsten günstigeren Energie und derjenigen, bei denen die Infrastrukturkosten zwar tief seien, aber die faktischen Energiekosten hoch. Abschliessend machte Andreas Züttel deutlich: «Wir brauchen keine Einzelprogramme für Wind, Solar oder Wasserstoff. Es braucht eine landesweite Strategie für die Energieentwicklung und keinen Flickenteppich, den wir nun dabei sind zu entwickeln.»
Dominique Luisier, Leiter Betrieb + Engineering Gaznat SA, zeigte auf wie innovativ man in der Westschweiz unterwegs ist. Quelle: CNG-Mobility.ch
Ein wichtiger Teil einer koordinierten Energiepolitik und wichtig nicht nur, um die Winterlücke zu schliessen und Überschussstrom vom Sommer in die kalte Jahreszeit zu bringen, sind Speicher. Das machte Dominique Luisier, Leiter Betrieb + Engineering Gaznat SA, klar. Das Westschweizer Energieunternehmen ist etwa für einen Drittel des Schweizer Gastransports zuständig. «Wir wollen all unsere Kunden bis 2050 mit CO2-neutralem Gas versorgen, was eine Herausforderung sein wird», so Luisier. «Unsere Kunden fragen bereits danach, und wir können uns aktuell noch auf dem internationalen Markt mit erneuerbarer Energie eindecken.» Um unabhängiger vom Markt zu werden, treibt Gaznat zusammen mit den Partnern Gazoduc SA, Holdigaz SA und Services Industriels de Genève (SIG) bei Oberwald VS ein Projekt zur saisonalen Gasspeicherung in Felskavernen voran. In zylindrischen Holräumen (bis zu vier pro Standort) sollen so je 121’000 m3 Gas und somit bis zu 1,2 TWh Energie eingelagert werden können.
Unter anderen will man im Innovation Lab eine neue Form des Methanization-Reaktors zur industriellen Reife bringen. Quelle: CNG-Mobility.ch
Dies ist jedoch nur eines der spannenden Gaznat-Projekte. «Zusammen mit der EPFL wollen wir in Aigle mit Green Gas und dem Innovation Lab Möglichkeiten schaffen, um verschiedene Ideen in einem industriellen Umfeld zu testen, und zwar auch über einen grösseren Zeitraum hinweg», führte Luisier aus. «Bei der Herstellung von synthetischem Gas haben wir so beispielsweise schon festgestellt, dass wir dazu einen Batteriespeicher benötigen. Denn der Elektrolyseur ist nicht immer sofort produktionsbereit. Wir werden nun aber lieber in weitere Tests investieren als in teure Speicherbatterien, daher gehen wir aktuell den Weg, virtuelle Speicher im Netz zu nutzen.» Das 5,8-Millionen-Projekt wurde Ende August 2023 gestartet und will unter anderem eine neue Form des Methanization-Reaktors zur industriellen Reife bringen. «Wir haben noch viel Arbeit vor uns», gab Luisier offen zu. Spannend: Die Westschweizer nutzen beispielsweise eine neue Membran mit Graphit und Nanoporen bei der Rohgas-Verarbeitung, die nur noch CO2 durchlässt. Und für die Wasserstoffspeicherung testen sie eine Metallhydrid Lagerung.
Martin Osterwalder, Geschäftsführer H2 Produktion Ostschweiz, im Gespräch mit Moderator Frank Schürch von energie-clsuter.ch (rechts). Quelle: CNG-Mobility.ch
Um Wasserstoff kümmert man sich nicht nur in der West-, sondern auch in der Ostschweiz, wo seit November 2023 die Wasserstoffproduktion Ostschweiz AG, ein Joint Venture von drei St. Galler Unternehmen (Osterwalder, SAK und SN Energie), läuft. Im Kubel SG werden mit Strom aus dem benachbarten Wasserspeicher-Kraftwerk rund 250 Tonnen Wasserstoff produziert. «Wollen wir weg vom Fossilen, weg vom AKW, benötigen wir etwa 36 GW erneuerbaren Strom durch PV. Doch trotz Speicher- und Flusskraftwerken sowie Windenergie werden wir von November bis Februar wohl eine Lücke von etwa 20 TWh haben», erläuterte Martin Osterwalder. Für den Geschäftsführer H2 Produktion Ostschweiz ist Wasserstoff daher eine Möglichkeit, um die Energie vom Sommer in den Winter zu bringen. Zudem ermöglicht H2 auch die Koppelung der verschiedenen Sektoren. Im Kubel, übrigens das erste Speicherkraftwerk der Schweiz (das bereits seit Oktober 1900 Strom liefert), wird etwa ein Drittel der Stromproduktion genutzt, um daraus mit PEM-Elektrolyse H2 zu erzeugen und diesen in drei Hydrospider-Wechsel-Containern zu speichern.
Beispiele für die mit grünem Wasserstoff befüllten Container, die weiter zu den H2-Tankstellen transportiert werden können. Quelle: CNG-Mobility.ch
«Klar sind die zehn Megawattstunden, die wir nun in einem Container speichern, im Vergleich zu den benötigten Terawatt-Zahlen nichts, aber es ist ein Kurzfristspeicher, und um die Technologie weiterzuentwickeln, sind diese Erfahrungswerte wichtig.» Der grüne Wasserstoff wird aktuell für die rund 50 Hyundai Xcient Fuel Cell, die auf Schweizer Strassen unterwegs sind und Kilometer für Kilometer CO2 einsparen, und weitere Wasserstoff-Fahrzeuge genutzt. Die grössten Herausforderungen bei der Weiterentwicklung der H2-Produktion und Speicherung sieht Osterwalder darin, dass der Verfahrensablauf für alle (Kanton, Behörden, Eigentümer) neu war und teils noch ist, der Anbietermarkt nicht gross ist und einzelne Komponenten stetig weiterentwickelt werden, was neue (Rahmen-)Bedingungen schaffe.
Bernhard Korfitsen, Mitglied Geschäftsleitung Regionalwerke AG Baden und Verwaltungsrat CO2 Energie AG, liefert Einblick in ein spannendes Carbon-Capture-Projekt. Quelle: CNG-Mobility.ch
Ebenfalls auf Neuland in vielen Bereichen wagt man sich im Aargau. Hier steht seit 2011 in Nesselnbach AG eine Biogasanlage. 2018 wurde dann entschieden, das ganze Biogas – immerhin 400 Nm3/h – nicht nur zu verstromen, sondern auch ins Netz einzuspeisen. «2022 beschlossen wir, die Kapazität der Biogasanlage weiterzuentwickeln und eine CO2-Verflüssigungsanlage zu installieren, damit man das CO2 nicht einfach ablässt», erläuterte Bernhard Korfitsen, Mitglied Geschäftsleitung Regionalwerke AG Baden und Verwaltungsrat CO2 Energie AG. 3500 Tonnen CO2 pro Jahr in einer Qualität, die für die Lebensmittelindustrie zulässig ist, liefere man jetzt ab. «Wir haben auch eine gewisse Lernkurve mit Mängelbehebungen in der Anwendung hinter uns», erklärte Korfitsen am Power-to-Gas-Kongress.
Bernhard Korfitsen erläuterte die Details zum Projekt N2 mit dem langfristigen Ziel der CO2-Speicherung. Quelle: CNG-Mobility.ch
Ziel ist es nun, nach einer Machbarkeitsstudie und einem Vorprojekt 2023 dieses Jahr mit dem Projekt N2 die Anlage nochmals zu erweitern und eine langfristige Speicherung des CO2 in den Prozess zu integrieren. «Biogasaufbereitung und CO2-Verflüssigung werden angepasst. Damit wollen wir dann etwa 4500 Tonnen CO2 pro Jahr herstellen, dieses in einen noch zu findenden Speicher packen und dafür ein CO2-Remove-Zertifkat erhalten», erläuterte Bernhard Korfitsen. Transport und Speicherkosten seien dabei – anders als angenommen – ein signifikanter Teil des Business Case, «denn bei diesem Projekt machen sie etwa 50 Prozent der Prozesskosten aus.» Davon wolle man sich bei der CO2 Energie AG nicht abschrecken lassen und plane die Inbetriebnahme des Projekts N2 in rund zwei Jahren; schliesslich seien mit Skaleneffekten sicherlich weitere Kosteneinsparungen möglich.
Léon van Bossum, CEO von Nordsol, will seine Form der Produktion von Bio-LNG/LBG bereits 2025 auch in die Schweiz bringen. Quelle: CNG-Mobility.ch
Bereits nächstes Jahr auch in der Schweiz loslegen will Léon van Bossum, CEO von Nordsol. Die Niederländer haben im Oktober 2021 ihre erste Bio-LNG-Produktionsanlage in der Nähe von Amsterdam eröffnet und produzieren nun Bio-LNG, das für die Dekarbonisierung des Schwerlasttransports eingesetzt wird. Denn das von Nordsol verflüssigte Biogas erlaubt es Lastwagen mit einem LNG-Antrieb, nahezu CO2-neutral Kilometer um Kilometer abzuspulen. Als erneuerbarer Ersatz für fossiles LNG (Liquefied Natural Gas) bietet Bio-LNG/LBG ähnliche Vorteile wie LNG im Vergleich zu Diesel, einschliesslich geringerer Kohlendioxid- sowie Stickoxid-Emissionen, weniger Feinstaub-Emissionen und niedrigeren Motorengeräuschen. Je nach Rohstoff und Produktionsmethode kann die Treibhausgasbilanz von Bio-LNG sogar negativ ausfallen.
Nordsol hat bereits zwei Bio-LNG-Produktionsstätten in den Niederlanden und eine in Grossbritannien und startet nächstes Jahr den Bau in Portugal. Quelle: CNG-Mobility.ch
«Bio-LNG bietet viele Vorteile und es gibt schon eine LNG-Infrastruktur, auch für den Transport», erläuterte van Bossum. «Bio-LNG kann auch einfach fossilem LNG beigemischt werden. Es bietet aktuell die wohl beste Möglichkeit, den Schwerverkehr zu dekarbonisieren». Man habe bei Nordsol zwar viele Hürden nehmen müssen in den ersten Produktionsmonaten, doch nun laufe die Anlage sehr stabil. «Wir können damit sogar eine ganze Kreislaufwirtschaft darstellen, indem wir die biogenen Reststoffe von Supermarktketten in unseren Biogasanlagen verarbeiten», erläuterte der Nordsol-CEO, «und am Schluss wieder LKW mit LNG-Antrieb und unsrem Bio-LNG für eine erneuerbare, nahezu CO2-neutral Logistik sorgen.»
Für Léon van Bossum ist Bio-LNG/LBG aktuell die wohl beste Möglichkeit, den Schwerverkehr zu dekarbonisieren. Quelle: CNG-Mobility.ch
Inzwischen betreibt Nordsol drei Anlagen mit 2800 Nm3/h Biogas, die vierte entsteht gerade im Süden Portugals. Noch wichtiger: Nordsol will mit seiner Verflüssigungs-Technologie weitere Länder erobern. «Auch wenn ich noch nicht zu viel verraten kann», sagte Léon van Bossum, «2025 wollen wir mit einer Nordsol-Anlage in der Schweiz starten.» Eine grosse Anlage mit einer Kapazität von 2800 Nm3/h Biogas inklusive Bio-CO2-Verflüssigung ist angedacht.» Wo, wollte er noch nicht verraten, aber auch in der Schweiz soll das Bio-LNG/LBG im Schwerverkehr eingesetzt werden. Dann richtete er noch einen Appell an die Politik: «Wir sollten uns nicht nur auf längerfristige Zukunftsideen fokussieren, sondern auf Lösungen, die bereits vorhanden und nutzbar sind.»
Badr Ikken, Geschäftsführender Präsident von Gi3 und Managing Partner von Gi2, präsentierte am Power-to-Gas-Kongress 2024 die Energiestrategie von Marokko. Quelle: CNG-Mobility.ch
Was im Bereich der erneuerbaren Energien alles möglich ist und wäre, zeigte in der Umwelt Arena in Spreitenbach AG danach Badr Ikken auf, Geschäftsführender Präsident von Gi3 und Managing Partner von Gi2, zweier marokkanischer Beratungs- und Entwicklungsunternehmen im Energiesektor. «Wir haben in den letzten Jahren viel in Forschung und Entwicklung investiert. Das Potenzial sowohl für Wind- als auch Solarenergie ist sehr gross in Marokko. Das zeigen auch bereits realisierte Projekte wie etwa Noor Quarazate, das grosse Sonnenenergie-/Synfuel-Kraftwerk.» 40 Prozent der Energie stamme in Marokko bereits aus erneuerbaren Quellen, 2030 sollen es 52 Prozent sein. Dafür ist das nordafrikanische Königreich gewillt, Milliarden zu investieren. So sollen allein zwischen 2022 und 2027 satte 55 Milliarden US-Dollar in die Förderung von Industrieprojekten in prioritären Sektoren einschliesslich erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff fliessen!
40 Prozent der Energie stammt in Marokko bereits heute aus erneuerbaren Quellen. Quelle: CNG-Mobility.ch
«In Marokko liegen die Gestehungskosten bei 2,5 Cent/kWh, bei einigen Kraftwerken sogar eher bei 1,5 Cent/kWh», verriet Ikken. «Wir haben eine neue Strategie, so dass wir unseren Energiebedarf bis 2050 mit Erneuerbaren decken können.» Er mahnte aber auch, dass man bei diesen Investitionen in die Wasserstoffproduktion nicht den gleichen Fehler machen solle wie beim Aufbau der europäischen PV-Industrie. «Da haben wir viel investiert, aber im Endeffekt die chinesische Solarindustrie subventioniert. Beim grünen Wasserstoff sollten wir aus diesen Fehlern lernen», so Badr Ikken. Das grosse Interesse der Marokkaner am grünen Wasserstoff erläuterte er mit der Tatsache, dass die Nordafrikaner der grösste Phosphat-Exporteur sind und zudem zu den grössten Importeuren von Ammoniak gehören. «Das ist natürlich grauer Ammoniak, daher ist es für uns sehr interessant, in diesem Bereich aktiv zu werden und Ammoniak auf erneuerbarem Weg herzustellen», so Ikken. «Beim grünen H2 stossen wir nun die unterschiedlichsten Projekte an. Bei vielen ist primär die nachhaltige Ammoniak-Produktion im Fokus, bei anderen ist es Methanol oder H2 und P2X.» Ein Drittel des grünen Wasserstoffs ist für den lokalen Markt gedacht, zwei Drittel sollen dereinst in den Export gehen – ein spannender Ansatz.
Sven König, Senior Project Manager Hydrogen bei der IWB, erläuterte die Pläne für ein tri-nationales Wasserstoffnetz. Quelle: CNG-Mobility.ch
Ebenso spannend sind die Pläne des Basler Energieversorgers IWB, der den Schweizer Anschluss ans deutsche Wasserstoff-Kernnetz anstrebt. «Die Wirtschaft braucht bezahlbare nachhaltige Energie», sagte Sven König, Senior Project Manager Hydrogen bei der IWB. Dass ein ursprüngliches Projekt auf der Birsinsel BL nicht zonenkonform war, sei für sein Unternehmen im Nachhinein ein Glücksfall gewesen. «So konnten wir das Wasserstoff-Ökonomienetz überdenken und die Idee für ein Tri-Nationales Wasserstoffnetz ist entstanden», führte er aus. «Wir wollen dazu zusammen mit Avia und GreenH2 als Ersatz für das industrielle IWB-Erdgas eine H2-Anlage bauen und letztendlich auch ein erstes Versorgungsnetz, das vom Hafen in Birsfelden zum Auhafen und auch in die Industrie in Muttenz und Schweizerhalle führt.» Angedacht sei zudem eine Weiterführung dieses Netzes bis nach Augst BL/Grenzach-Wyhlen (D), wo der geplante europäische Hydrogen Backbone enden solle. Knackpunkt sei jedoch, dass «monetäre und regulatorische Faktoren in allen Schritten der Wertschöpfungskette für Dekarbonisierungs-Projekte in der Schweiz fehlen.» Es brauche eine Grundsicherung für eine Anschubfinanzierung über längere Zeit, damit man solche Projekte voranbringen könne, so Sven König.
SVP-Nationalrätin Monika Rüegger, SP-Nationalrätin Gabriela Sutter, Céline Mahieux, VP Power Technology und Innovation Excellence bei Shell, und Daniela Decurtins, Direktorin beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie, in der Paneldiskussion (v.l.n.r.). Quelle: CNG-Mobility.ch
Dieser Ansicht stimmten im Anschluss auch die verschiedenen Panel-Teilnehmenden aus Politik und Wirtschaft zu. Die Direktorin beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie, Daniela Decurtins, erklärte: «Die Transformation ist eine riesige Kiste. Es braucht neben Elektronen auch Moleküle, und es braucht Speicher, kurzfristige genauso wie saisonale, für die Energiewende.» Wichtig sei vor allem, dass diese Wende aus einer Gesamtperspektive heraus über alle Sektoren hinweg angeschaut und geplant werde. «Wir sprechen zwar über eine H2-Strategie, aber eigentlich ist das schon wieder ein Silodenken. Wir müssten Gesamtkonzepte ansprechen, denn bei den Kavernen-Speichern von Gaznat sprechen wir beispielsweise nicht von Investitionen von mehreren hunderttausenden Franken, sondern mehreren hunderten von Millionen Franken», so Decurtins. Das könne ein Unternehmen oder ein Verband allein nicht stemmen. Bei einem Anschluss ans europäische H2-Netz spreche man von Investitionen von 1,5 bis 2 Milliarden Franken. «Wenn dies die Wirtschaft allein tragen soll, dann wird nichts passieren. Daher hoffe ich schon, dass die Politik wie in Deutschland, Norwegen, Dänemark etcetera zusammen mit uns an den Tisch sitzt und über Finanzierungsmodelle spricht», erklärte die VSG-Direktorin.
Am Power-to-Gas-Kongress 2024 wurde sehr angeregt diskutiert. Quelle: CNG-Mobility.ch
Und ETH-Energieexperte Christian Schaffner wies gar darauf hin: «Wir müssen für die Energielösung eigentlich nicht die Schweiz anschauen, sondern zumindest europäisch denken, sonst wird es enorm teuer. Unsere Versorgung war immer international aufgestellt, daher sollten wir dies auch in Zukunft so anschauen und zudem eine Sektorkopplung andenken.» Auf die immer noch fehlende H2-Strategie des Bundes angesprochen, meinte SP-Nationalrätin Gabriela Sutter: «Es ist sehr wichtig, dass sie 2024 kommt, damit die Rahmenbedingungen endlich geklärt werden. Wir haben weniger Schwerindustrie als andere Länder. Daher denke ich zwar, dass wir am Schluss weniger H2 nutzen werden als andere Länder.» Ihre Nationalratskollegin Monika Rüegger von der SVP ergänzte: «Die Versorgungs- und Stromsicherheit ist für uns enorm wichtig, da kann Wasserstoff einen Teil dazu beitragen. Wir brauchen insgesamt einen guten Energiemix, der uns im Sommer eine günstige Lösung, aber eben auch für den Winter eine bezahlbare Lösung bringt.»
Dazu ist Technologieoffenheit wichtig, aber eben auch eine Anbindung an die umliegenden Märkte, ob bei Strom, Gas oder Wasserstoff. «In Europa fehlt bislang ein Herkunftsnachweis für Gase, ob synthetisches Gas, H2 oder auch Biogas. Nur so kann ein internationaler Handel von erneuerbarem Gas entstehen», machte dann Daniela Decurtins nochmals deutlich. «Dieser Zugang zu den Märkten ist für die Schweiz extrem wichtig und auch die Anbindung an den Hydrogen Backbone, damit wir H2 einmal nutzen und transportieren können. Denn hierzulande sind die Bedingungen für die Wasserstoff-Produktion schlicht nicht so ideal wie in anderen Ländern und Standorten.» (jas, 10. September 2024)