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Nur mit Elektro funktioniert es nicht

Der Transportsektor generiert einen grossen Teil der CO2-Emissionen in der Schweiz. Die Elektromobilität ermöglicht zwar eine schnelle und effiziente Transformation. Aber noch lange nicht in allen Fällen, wie drei namhafte Experten gegenüber «Die Volkswirtschaft» aufzeigen.

Hier geht es zum unkommentierten Originalartikel aus «Die Volkswirtschaft» vom 23.12.2022

Luca Castiglioni, Leiter Forschungsbereich Mobilität beim Bundesamt für Energie, zeigt die Verkehrsperspektiven und die Pläne des Bundes auf. Quelle: CNG-Mobility.ch

Berücksichtigt man sämtliche im Transportsektor eingesetzten Energieträger, ist der Transportsektor aktuell mit 38 Prozent der mit Abstand grösste Endenergieverbraucher in der Schweiz. Kein Wunder, nahmen der Leiter Forschungsbereich Mobilität beim Bundesamt für Energie, Luca Castiglioni, der Leiter Marktregulierung des Bundesamts für Energie Matthias Gysler, und der emeritierter ETH-Professor Konstantinos Boulouchos den Transportsektor unter die Lupe. Sie kamen dabei – wie sie gegenüber «Die Volkswirtschaft» im Artikel «Reicht der Strom für die Transformation?» erläuterten – zu spannenden Ergebnissen.

Anteil der Verkehrsträger an den inländischen CO2-Emissionen (2019)

Quelle: Bafu-Treibhausgasinventar 2019/«Die Volkswirtschaft»

Die Verkehrsperspektiven für die Schweiz gehen beispielsweise davon aus, dass der inländische Personenverkehr bis 2050 um elf Prozent zunimmt. Dies wäre gleichbedeutend mit noch mehr Emissionen. Personenwagen stossen im Transportsektor mit über 70 Prozent am meisten CO2 aus. Zudem bleibt jeder heute verkaufte Verbrenner weitere 15 bis 20 Jahre im Verkehr und erzeugt eine entsprechende Menge an CO2. Diese Emissionen lassen sich lokal zwar am besten reduzieren, wenn Verbrennungs- durch Elektromotoren ersetzt werden. Doch auch E-Autos benötigen Energie. In der aktuell angespannten Versorgungslage auf den Energiemärkten stellt sich die Frage, ob der Mehrbedarf an Elektrizität überhaupt gedeckt werden könnte.

Im leichten Güterverkehr zeichnet sich gemäss der Experten für Feinverteilung und Belieferung eine steigende Elektrifizierung der Fahrzeuge ab. Aber auch hier gibt es CNG-Fahrzeuge, die dank Biogas bereits heute nahezu CO2-neutral unterwegs sind.  Quelle: Ford

Der momentane Energieverbrauch im Strassenverkehr, 59 Terawattstunden, entspricht annährend dem aktuellen Stromverbrauch der Schweiz. Dank enormer Effizienzgewinne gehen die Forscher davon aus, dass der Mehrbedarf an Elektrizität bei kompletter Elektrifizierung des Strassenverkehrs künftig deutlich geringer ausfallen wird. Sie rechnen mit rund 8 bis 16 Terawattstunden. Ein Elektroauto könnte zudem künftig genau dann geladen werden, wenn die Stromproduktion maximal ist – und dafür während Lastspitzen wieder Energie abgeben und so für mehr Flexibilität und Stabilität im Stromnetz sorgen.

Auch im leichten Güterverkehr zeichnet sich für die Feinverteilung und Belieferung der Endkunden eine steigende Elektrifizierung der Fahrzeuge analog zu den Personenwagen ab. Im Schwerverkehr stossen elektrische Antriebe dagegen noch an ihre Grenzen. Die Verlagerung auf die Schiene ist zwar eine Option und eine sehr emissionsarme Alternative, jedoch aus operativen Gründen nicht immer praktikabel. Lastwagen mit CNG- und LNG-Antrieb, die dank Biogas oder Bio-LNG im Tank nahezu CO2-neutral unterwegs sein können, bilden hier eine Alternative. Genauso wie die rund 50 Wasserstoff-LKW, die in der Schweiz bereits unterwegs sind. LKW mit Batterieantrieb hingegen, die Tagesfahrleistungen von 500 Kilometern und mehr abdecken könnten, sind noch immer sehr teuer und schwer.

LidlZwar nicht von der LSVA befreit, aber trotzdem leisten die Biogas-LKW schon heute einen wichtigen Beitrag für weniger CO2-Ausstoss im Schwerverkehr. Quelle: CNG-Mobility.ch

Weil Wasserstoffantriebe von der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) befreit sind, können sie trotz hoher Anschaffungskosten bezüglich Gesamtkosten bereits heute mit Dieseln mithalten. Fahrzeuge, die mit Biogas unterwegs sind, können frühestens bei der nächsten LSVA-Anpassung mit einer Reduktion rechnen. Sie fahren aber ebenfalls nahezu CO2-neutral von A nach B. Eine weitere denkbare Alternative sind synthetische Treibstoffe. Diese können als Eins-zu-eins-Ersatz von Diesel mit der bestehenden Flotte und Infrastruktur genutzt werden.

E-Fuels weisen allerdings hohe Umwandlungsverlusten auf. Doch immerhin wird so der Überschussstrom genutzt und verpufft nicht einfach. E-Fuels machen nur dann Sinn, wenn eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. Insbesondere in der Luftfahrt bieten sogenannte nachhaltige Flugtreibstoffe auf absehbare Zeit die einzige Alternative zu Kerosin. Wasserstoff wird gemäss den Experten Luca Castiglioni, Matthias Gysler und Konstantinos Boulouchos ausserdem für lange Zeit ein rares Gut bleiben. Daher müsse er da eingesetzt werden, wo es keine anderen Alternativen gibt. Zum Beispiel in industriellen Hochtemperaturprozessen wie der Stahl- oder der Zementherstellung.

Der emeritierte ETH-Professor Konstantinos Boulouchos erläutert Details zum künftigen Energiebedarf der Schweiz. Quelle: CNG-Mobility.ch

Um die Transformation voranzutreiben, ist ein schneller Ausbau der benötigten Infrastruktur, primär der Ladeinfrastruktur, aber auch der erneuerbaren Energie – und dazu gehören nicht nur Wind- und Sonnenenergie, sondern auch Biogas – unabdingbar. Zwar hält sich der Mehrbedarf an Elektrizität, um den Transportsektor zu dekarbonisieren, in Grenzen. Aber nur das Zusammenspiel von weiteren nachhaltigen Energieträger wie Wasserstoff, synthetischen Treibstoffen und Biogas sorgt auch für die nötige Diversifizierung und mehr Widerstandsfähigkeit in Krisensituationen.

Betrachtet man den Transportsektor global, kommen zwei wichtige Verkehrsträger dazu: die Luftfahrt und der Frachtschiffverkehr. Beide transportieren grosse Massen über riesige Distanzen. Das macht eine direkte Elektrifizierung schwierig und im Falle der kommerziellen Luftfahrt wohl auf absehbare Zeit unmöglich. Und momentan gewinnt vor allem in der Schifffahrt die Rolle des LNG-Antriebs an Bedeutung, immer mit dem Ziel, das fossile LNG möglichst bald durch nachhaltiges Bio-LNG zu ersetzen und so die CO2-Emissionen nochmals massiv zu senken. Also genau mit dem gleichen Ansatz wie im Schwer- oder im Personenverkehr mit LNG- oder CNG-Antrieb und Biogas oder synthetischem Gas im Tank, um eine nahezu CO2-neutrale Mobilität zu ermöglichen. (pd/jas, 24. Januar 2023)

 

 

 

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