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Schon zu Beginn der 1990er-Jahre führte Schweden Steuern auf Emissionen von Treibhausgasen ein – als eines der ersten Länder weltweit. Der CO2-Ausstoss liegt mit gut fünf Tonnen pro Jahr und Einwohner klar unterhalb des europäischen Durchschnitts von über acht Tonnen. Das hat auch mit der Energieversorgung grösstenteils aus erneuerbaren Quellen zu tun. In vielen Städten verkehren Elektro- oder Biogas-Busse. Aber auch sonst setzt Schweden so oft als möglich Biogas ein.
Ein edles Bankett für die Nobelpreisträger mit Biogas statt fossilem Gas zu kochen, leicht vorstellbar. Riesige Tanker auf LNG-Antrieb umzubauen und so die Grundlage für eine emissionsarme Schifffahrt zu schaffen, schon etwas schwieriger. Aber auch das geht, wie beispielsweise die schwedische Reederei Terntank beweist. Seit November 2018 schippern vier Schiffe über die Weltmeere und werden unter anderem in Göteborgs neuem Flüssiggasterminal mit Biomethan betankt. «Wir setzen auf 100 Prozent Bio und das ist erst der Anfang», so Geschäftsführer Tryggve Möller.
Einer der Schiffe der Reederei Terntank, die mit LNG über die Meere schippern.
Bei Fahrzeugen wollen die Skandinavier voll auf Biogas umstellen. «Ziel unserer Branche ist es: Bis 2030 einen Anteil von 100 Prozent Biogas zu haben. Die neuen Zahlen zeigen, dass wir uns diesem Ziel mit grossen Schritten nähern. Das ist sehr erfreulich», erklärt Maria Malmkvist, CEO von Energigas Sweden. Aktuell besteht bis zu 94 Prozent des CNG an den schwedischen Zapfsäulen aus Biogas oder erneuerbarem CNG – als Vergleich: in der Schweiz lag der durchschnittliche Biogasanteil letztes Jahr bei 22,4 Prozent. «Es ist sehr cool, dass der Gesamtabsatz von Fahrzeuggas ansteigt. Es sieht vielversprechend aus für die Zukunft», ergänzt Malmkvist. Letztes Jahr gab es in Schweden 185 öffentliche Tankstellen, hinzu kommen weitere 60 nicht-öffentliche Standorte, an denen CNG, Biogas oder erneuerbares CNG getankt werden kann.
Einer, der die Entwicklung und die neusten Trends betreffend Biogas bestens kennt, ist der Gründer der schwedischen Biogas Academy, Jan Rapp. CNG-Mobility sprach mit dem grossen Treiber und Aufklärer zum Thema Biogas in Schweden, der mit seiner Biogas-Akademie viele Projekte anstösst und unterstützt.
Jan Rapp, Managing Director und Gründer der Biogas Akademie
Herr Rapp, woher kommt eigentlich das ganze Biogas in Schweden?
Jan Rapp, Managing Director und Gründer der Biogas Akademie: Die Geschichte des schwedischen Biogas-«Wunders» begann mit der zunehmenden Luftverschmutzung in den Städten. Daher wurde beispielsweise eine Alternative zu Dieselbussen gesucht. Gefunden wurde es mit den Bussen, die mit Methan (CNG) oder Biogas fahren. In Zusammenarbeit mit den regionalen Abwasserreinigungsanlagen wurde eine Technik entwickelt, um Methan und Biogas, das dort bei der Wasseraufbereitung entsteht, für diese Busse zu nutzen. Zur Überraschung aller funktionierte dies perfekt. Damit waren die Busse nicht nur frei von Gift- und Schadstoffen unterwegs, sondern auch auf klimaneutral gestellt. Diese Idee machte Schule. 2018 stammte ein Drittel des Biogases für schwedische CNG-Fahrzeuge aus regionalen Abwasserreinigungsanlagen. Aufgrund dieses Erfolgs begannen die Städte aber auch, organische Abfälle aus Haushalten und Restaurants zu sammeln, und die landwirtschaftlichen Betriebe begannen mit dem Bau von Fermentern für landwirtschaftliche Abfälle und Mist, um mehr Biogas zu erzeugen. 2018 versorgten diese Anlagen weitere 50 Prozent der schwedischen CNG-Fahrzeuge mit Biomethan. Der dritte Teil der schwedischen Biogasproduktion wird eine radikale Steigerung der Produktion ermöglichen. Sie stammt zum einen aus Betrieben mit Rinder- und Schweinegülle oder auch aus Papierfabriken, die aus Abwässern Biogas erzeugen. Und zum anderen aus Biogasanlagen, die Rückstände aus der Forstwirtschaft zur Herstellung von nichtfossilem Methan verwenden.
Wie stark hat das Deponieverbot von 2005 die Produktion von Biogas und den Bau von Biogas-Anlagen beeinflusst?
Seit dem Deponieverbot von 2005 ist die Biogas-/Biomethan-Produktion aus Deponien rückläufig. Da die Abfälle, die früher auf Deponien landeten, nun getrennt gesammelt wurden, hat dafür die Produktion der Anlagen zugenommen, die diese zur Herstellung von Biogas verwenden. Einer der grossen Vorteile dieser Entwicklung: Was nach der Gewinnung des Gases von den Abfällen übrigbleibt, kann als Ökodünger in der schwedischen Lebensmittelproduktion verwendet werden.
Gibt es für Biogas in Schweden spezielle Subventionen?
Es gibt zwei direkte Arten der Subventionen für Biogas. Wenn Sie Ihr Auto mit Biogas (Biomethan) betanken, zahlen Sie keine Treibstoffsteuern. Und Biogasanlagen, die mit Mist betrieben werden – was übrigens den besten Klimaindex aller Ausgangsstoffe ergibt –, erhalten vom Staat 4 Cent/kWh. Eine kürzlich von einem schwedischen Abgeordneten durchgeführte Untersuchung hat empfohlen, auch die Produktion aus anderen Ausgangsstoffen zu subventionieren und die Infrastruktur weiterzuentwickeln. Er schlug beispielsweise die Verflüssigung von Biogas vor, um das LNG für die Schifffahrt und für die energieintensiven Industrie durch einen im Inland produzierten, fossilfreien Brennstoff zu ersetzen.
Was sind die grössten Herausforderungen bei der Biogas-Produktion?
Die erste Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass sie Zugang zum Ausgangsmaterial haben. In städtischen Kläranlagen ist dies einfach, für ländliche Milchviehbetriebe, die ihren eigenen Mist/Abfall besitzen, ebenfalls. Die zweite Herausforderung besteht darin, den Verkauf der beiden Produkte, Biogas und Ökodünger, rentabel zu machen. Auch hier sind Anlagen auf dem Land ideal. Sie verarbeiten Dünger, am selben Ort, an dem sie auch viel Dünger und Brennstoff benötigen. Das gleiche gilt für die Stadt: Organische Abfälle aus Restaurants und Haushalten sowie Abwässer sind bereits vor Ort vorhanden. Mit einer kleinen Anzahl von Tankstellen können sie nun grosse Mengen an Treibstoff an Busse, Taxis und Lastwagen liefern. In beiden Fällen gilt: Biogas ist ein «No-Brainer», der sich für alle Länder und Städte der Welt lohnt.
Der Gasmix an den schwedischen Tankstellen ist überall identisch: 94 Prozent des CNG an den schwedischen Zapfsäulen besteht aus Biogas oder erneuerbarem CNG.
Kann man den Biogas-Anteil an der Zapfsäule auch selbst wählen und erhöhen?
Nein. Anders als in den meisten Ländern sind die schwedischen Tankstellen nicht an das Gasnetz angeschlossen. Alle existierenden Tankstellen verkaufen einen Mix, der im Biogasgehalt zwischen 50 und 100 Prozent variieren kann. Der Durchschnitt für das Land 2019 lag bei 94 Prozent Biogas – weltweit sind wir in Schweden damit mit grossem Abstand führend. Man kann sich also nicht wirklich dafür entscheiden, 100 Prozent CNG oder Biogas zu tanken. Es gibt nur einen Gasmix, den man wählen kann, und nur einen Preis.
Wie hoch ist der Preisunterschied von CNG/Biogas zu Benzin und Diesel in Schweden?
Gas ist in Schweden aktuell 15 bis 20 Prozent billiger als Benzin und Diesel.
Schweden hat lange, kalte Winter, aber CNG-Fahrzeuge meist keinen 4×4-Antrieb, ist das ein Problem?
Nein, nicht wirklich. Die meisten Autos in Schweden werden im Süden verkauft, wo auch die meisten Menschen leben. (lacht) Und leider sind die Winter dort nicht mehr lang und kalt.
In Schweden sollen nach 2030 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden, so will es die aktuelle Regierung unter Ministerpräsident Stefan Löfven. Was bedeutet das für Biogas-Fahrzeuge?
Meine persönliche Meinung ist: nichts. Mit Hilfe von Al Gore, Greta Thunberg und anderen beginnen Politiker und Geschäftsleute der Welt nun erst zu überlegen, was sie tun müssen und welche Entscheidungen die verantwortungsvollsten und effizientesten sind. So wie ich vor 2007, hatte Stefan Löfven noch nie die Gelegenheit, sich über diese Probleme zu informieren, die mit Biogas und CNG-Fahrzeuge gelöst werden können. Daher passen viele Politiker ihre Aussagen an die Informationen an, die ihnen die Medien bieten. Daher engagiere ich mich als ausgebildeter Chirurg zwei Tage meiner Arbeitswoche für die Umwelt und das Thema Biogas, um Wissensdefizite abzubauen. Denn mit besseren Kenntnissen zu den Hintergründen, werden auch die Vorschläge, was wir tun müssen, künftig besser durchdacht sein. Die Biogastechnologie spielt eine wichtige Rolle im Energiesystem jeder intelligenten Stadt, Region und jedes Landes der Welt. Das ist es, was wir unseren Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik klar machen müssen. (jas, 6. März 2020)
Schon zu Beginn der 1990er-Jahre führte Schweden Steuern auf Emissionen von Treibhausgasen ein. (alle Fotos: Biogas-Akademie/Terntank)