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Der innovative Bauernbetrieb der Familie Wyss in Ittigen BE macht es vor, wie man seine eigene Energie produzieren und dank des Einsatzes eines Biogas-LKW den Kreislauf schliessen kann. Quelle: CNG-Mobility.ch
Seit der Veröffentlichung des EU-Kommissionsvorschlags für neue CO2-Normen für PW und leichte Nutzfahrzeuge im Juli 2021 hat sich die geopolitische Lage dramatisch verändert. Energie- und Rohstoffabhängigkeiten haben einen enormen Einfluss auf die Energiepolitik, aber auch den Alltag der Bürgerinnen und Bürger erfahren. Als Reaktion auf diese Krisen könnte die durchschnittliche Treibhausgasintensität der Elektrizität in der EU steigen. Aktuell gibt es zudem keine Garantie, dass genügend Strom aus erneuerbaren Quellen verfügbar ist, um die steigende Nachfrage des elektrifizierten Verkehrs zu befriedigen. Es besteht gar das Risiko, dass ein Teil dieses Stromverbrauchs aus Kohle stammt!
Gestiegene Rohstoffpreise für Batterien und Versorgungsengpässe werden die Verfügbarkeit erschwinglicher Elektro-Fahrzeuge und somit den von der Politik geforderten Flottenwechsel verzögern. Da der Übergang zu einer vollständigen Elektromobilität sowieso schrittweise erfolgen wird, sind nachhaltige Biotreibstoffe, erneuerbare Treibstoffe und synthetischer Treibstoffe eine zuverlässige Lösung, um die Emissionen des Verkehrssektors kurz-, mittel- und auch langfristig zu senken. Elektrifizierung und CO2-neutrale Treibstoffe, zu denen mit der Power-to-Gas-Technologie hergestellter, grüner H2 genauso zählt wie Biogas, sollten daher unbedingt als komplementäre Lösungen betrachtet werden.
In zehn Schritten soll eine nationale Biogas-Strategie dafür sorgen, dass man die Vorteile des nachhaltigen Energieträgers erkennt und auch nutzt. Quelle: «Gas for Climate»
«Gas for Climate» hat kürzlich das Potenzial für eine nachhaltige Biogasproduktion in der europäischen Union bewertet und schätzt, dass bis 2030 bis zu 41 Milliarden Kubikmeter/Jahr Biogas produziert werden könnten. Das wichtigste Biomassenpotenzial für eine anaerobe Vergärung wird dabei in Gülle, landwirtschaftlichen Reststoffen wie Stroh oder Industrieabwässer verortet. Stoffe für eine thermische Vergasung sind dagegen hauptsächlich holzige Abfälle und biogene Reststoffe. Die Experten kommen zum Schluss, dass das nachhaltige Biogaspotenzial bis 2050 auf 151 Milliarden Kubikmeter ansteigen könnte, indem zusätzliche Rohstoffströme genutzt werden.
Auch in der Schweiz gibt es ein grosses, noch ungenütztes Biogas-Potenzial. Quelle: CNG-Mobility.ch
Um die Umsetzung des europäischen «REPowerEU-Plans» zu unterstützen, hat die EU-Kommission nun einen Biogas-Aktionsplan (vor allem Kapitel 5) veröffentlicht, der Massnahmen auf nationaler und europäischer Ebene zur Steigerung der Biogasproduktion und des -verbrauchs enthält. Der Plan umfasst auch eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich eine nationale Biogas-Strategie zu entwickeln. Denn die Staaten befinden sich in ganz unterschiedlichen Stadien ihrer Biogas-Reise.
Die Dringlichkeit einer Ausweitung der Biogasproduktion ist hoch. Daher werden nun in einem Handbuch von «Gas for Climate» Massnahmen hervorgehoben, die sofort umsetzbar sind und auf bereits durchgeführten Forschungsarbeiten aufbauen. Die Schritte werden durch einige Beispiele für bewährte Verfahren ergänzt. Best-Practice-Beispiele sollen verschiedene erfolgreiche Wege aufzeigen, wie man dank mehr Biogas den ambitionierten Dekarbonisierungszielen der Politik einen grossen Schritt näherkommt. Eine erfolgreiche Ausweitung der inländischen Biogasproduktion kann dabei eine der wichtigsten Lösungen für die derzeit sehr volatilen Energiemärkte sein.
Die Anzahl der Biogasanlagen sollte europaweit steigen, um so mit regionaler Energie die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Quelle: «Gas for Climate»
Ein Ansatz, den sich nicht nur die Mitgliedsstaaten in der EU zu nutzen machen können, sondern selbstverständlich auch die Schweiz. Denn auch hierzulande kann Biogas die Versorgungssicherheit verbessern, zur Entwicklung des ländlichen Raums beitragen und mit einem nachhaltigen Energieträger nicht nur die CO2-Emissionen senken, sondern auch den wirtschaftlichen Druck auf Haushalte und Unternehmen mildern. Biogas, Biomasse und die Kreislaufwirtschaft bieten ein grosses Potenzial, nun gilt es dieses einer breiter Öffentlichkeit bekannt zu machen und es vor allem zu nutzen! (pd/jas, 11. Oktober 2022)