Nachhaltigkeit braucht Vielfalt

Lidl Schweiz setzt schon lange auf mehr Nachhaltigkeit in der Logistik. Der Detailhändler will bis 2030 sämtliche Filialen fossilfrei beliefern können und setzt daher bereits auf Elektro- und LNG-Fahrzeuge ein. Nun hat der erste CNG-LKW des Detailhändlers in Weinfelden Biogas getankt.

Der erste Biogas-LKW, der für Lidl Schweiz unterwegs ist. Quelle: Lidl Schweiz

Herr Rüger, Lidl Schweiz sagt dem Diesel Goodbye. 2014 wurden die ersten Elektro-LKW in die Flotte aufgenommen, im Sommer 2019 erfolgte mit LNG-Lastwagen der nächste Schritt in eine nachhaltige Logistikzukunft. Nun werden diese Fahrzeuge um CNG-Trucks ergänzt – warum?
Ueli Rüger, Head of Logistics bei Lidl Schweiz: Nachhaltigkeit braucht Vielfalt. Wir sind überzeugt, dass es in Zukunft alle erneuerbaren Ressourcen braucht, jeweils dort, wo ihr Nutzen am grössten ist. Konkret für den Transport bedeutet dies, dass je nach Einsatzgebiet andere Antriebsarten und Technologien zum Einsatz kommen. Entscheidend dabei ist nicht die Art des Antriebes, sondern einzig und allein, dass das gewählte Konzept erneuerbar ist.

Auf welchen Strecken nutzen Sie und Ihre Partner CNG-Lastwagen und wo solche mit LNG-Antrieb?
CNG bietet sich eher im Mittelstreckenbereich an, wohingegen LNG insbesondere für den Langstreckenverkehr grosse Vorteile bringt. Insbesondere dann, wenn eben nicht mehr fossiles LNG, sondern erneuerbares Gas aus biogenen Quellen oder synthetisch hergestelltes Gas zum Einsatz kommt.

«Biogas wird zum heutigen Zeitpunkt gegenüber dem Elektroantrieb benachteiligt.»

Ab wann lohnt sich der Umstieg auf CNG-LKW und welche Vorteile bieten diese?
Für die Umwelt lohnt sich der Umstieg sofort. Ökonomisch ist es unter den aktuellen Rahmenbedingungen leider noch nicht möglich, zu gleichen Konditionen wie ein Dieselfahrzeug zu fahren. Das liegt daran, dass der Diesel im Vergleich zu den erneuerbaren Treibstoffen zu günstig erhältlich ist, andererseits wird Biogas zum heutigen Zeitpunkt gegenüber dem Elektroantrieb benachteiligt. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sich diese Rahmenbedingungen zeitnahe den heutigen Verhältnissen anpassen. Dann lohnt sich der Einsatz nicht nur ökologisch und ökonomisch, sondern schafft auch eine gewisse Unabhängigkeit, da Biogas auch lokal produziert werden kann.

Ueli Rüger, Head of Logistics bei Lidl Schweiz, betankt den ersten CNG-LKW des Detailshänlders gleich selbst mit Biogas. Quelle: Lidl Schweiz

Sie setzen in der Logistik nicht einfach auf CNG, sondern tanken bewusst Biogas oder LBG. Wie viel CO₂ können Sie so einsparen?
Wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber der Umwelt bewusst. Unser Ziel ist es, bis 2030 sämtliche Filialen fossilfrei beliefern zu können. Dies zu erreichen, bedeutet jetzt handeln. Mit Biogas und LBG können heute Diesel-LKW ersetzt werden, ohne jegliche Einbussen bei Nutzlast und Reichweite. Pro eingesetztes Fahrzeug werden dabei an die 100 Tonnen CO₂ eingespart, respektive die CO₂-Emissionen werden um mindestens 80 Prozent reduziert.

Was bedeutet die Umstellung auf den CNG-Antrieb für die Fahrer?
Grundsätzlich ist die Bedienung sowie das Fahren des CNG-LKW analog zu einem normalen Diesel-LKW. Unseren Transportdienstleistern ist aufgefallen, dass das Klangbild des LKW im Vorbeifahren oder auch im Stand mit laufendem Motor wesentlich angenehmer gegenüber demjenigen eines Diesel-LKW ist. Der Fahrer benötigt eine kurze Einweisung in den Tankvorgang, ansonsten ist es keine grosse Umstellung für die Fahrer.

«Mit Biogas und LBG können heute Diesel-LKW ersetzt werden, ohne jegliche Einbussen bei Nutzlast und Reichweite.»

Was sind Ihre Pläne für die weitere Dekarbonisierung der Transportlogistik bei Lidl?
Bis 2030 werden wir alle Filialen fossilfrei beliefern. Um dieses ambitionierte Ziel erreichen zu können, müssen wir heute handeln und die Flotte Schritt für Schritt erneuerbar gestalten. In Kooperation mit unseren Schweizer Logistikpartnern, Forschungsinstitutionen und der Energiewirtschaft arbeiten wir darum an der Entwicklung und Umsetzung von klima- und umweltverträglichen Mobilitätskonzepten. Dazu gehören unter anderem die Erschliessung erneuerbarer Ressourcen wie Sonnenenergie und Biogas als Treibstoff, der Aufbau der erforderlichen Versorgungspfade und Tankstellen bis hin zur Optimierung der Logistik im Schienen/Strassenverbund. Im Jahr 2020 haben wir in der Schweiz so bereits über 40 Prozent aller Verteiltransporte mit alternativen Treibstoffen und damit komplett dieselfrei bewerkstelligt, bis Ende 2021 werden es bereits über 50 Prozent sein.

Bis 2030 will Lidl Schweiz sämtliche Filialen fossilfrei beliefern können. Quelle: Lidl Schweiz

Sind auch synthetische Treibstoffe ein Thema?
Eine wichtige Rolle spielen in Zukunft auch synthetische Treibstoffe. Mit der Elektromobilität, Wasserstoff und synthetischen Treibstoffen werden im Mobilitätsdemonstrator «move» der Empa in Dübendorf drei technologische Pfade zur CO₂-Reduktion im Strassenverkehr untersucht. Das neueste Projekt, das wir als Anwendungspartner unterstützen, dreht sich um die Herstellung von synthetischem Methan aus Wasserstoff und CO₂ – die sogenannte Methanisierung. Das CO₂ und das Wasser für die Methanisierung werden mit einem CO₂-Kollektor des ETH-Spin-offs Climeworks der Atmosphäre direkt vor Ort entnommen. Solche mit erneuerbarer Energie künstlich produzierten Treibstoffe können über die herkömmlichen Wege transportiert und durch die vorhandene Infrastruktur, wie z.B. das gut ausgebaute Schweizer Gasnetz zur Verfügung gestellt werden. Die ersten regulären Betankungen mit unseren Gas-LKW sollen bereits im Sommer 2022 möglich sein.

Gemeinsam mit dem Empa-Spin-off Sympheny planen Sie die Lidl-Filiale der Zukunft samt Fotovoltaik-Anlagen und E-Tankstellen. Wäre auch eine Biogas-Tankstelle denkbar?
Aktuell haben wir keine Biogas-Tankstellen geplant, beobachten neue Entwicklungen aber mit grossem Interesse.

Trafen sich zur Erstbetankung des Biogas-LKW in Weinfelden (v.l.n.r.): Michael Frick (Leiter Markt technische Betriebe Weinfelden) Torsten Friedrich (CEO Lidl Schweiz) Nico Dubrau (Disponent Thurtrans) und Ueli Rüger (Head of Logistics Lidl Schweiz). Quelle: Lidl Schweiz

Im Warenverteilzentrum in Weinfelden schliessen Sie zusammen mit dem lokalen Gasversorger TBW den Kreislauf und fahren zukünftig mit lokal produziertem Biogas – ist dies auch in anderen Regionen denkbar, beispielsweise in Roggwil beim neuen Verteilzentrum?
Die Kreislaufschliessung ist für uns ein zentrales Thema nicht nur in der Logistik. Dort, wo erneuerbare Energien anfallen, macht es immer Sinn, die Verwendungsmöglichkeiten zu prüfen. Für die Region Bern ist übrigens eine vergleichbare Kooperation wie mit den TBW geplant. Mit Energie Wasser Bern haben wir einen Partner gefunden, um unsere CNG-LKW für die regionale Verteilung mit lokalem Biogas aus Klärschlamm zu betanken. Was früher Abfall war, kann schon ab dem kommenden Sommer unsere LKW für die Berner City-Belieferung betreiben. (jas, 12. März 2021)

Der CEO von Lidl Schweiz, Torsten Friedrich, treibt die Dekarbonisierung des Detailhändlers seit Jahren voran. Quelle: Lidl Schweiz