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Vor über zehn Jahren begann man sich in der Konzeptentwicklung bei Audi Gedanken über eine nachhaltige E-Mobilität und damit auch zu den Herausforderungen der Energiewende zu machen. Der Umwelt-Stratege Reinhard Otten zeigte auf, was damals erst bei einer Handvoll von Wissenschaftlern in Diskussion war. Er erläuterte, dass Wasserstoff und Methan durch die Power-to-Gas-Technologie zur Speicherbarkeit volatilen Stroms aus Sonne, Wind und Wasser beitragen und somit auch einen Weg zu nachhaltiger Mobilität eröffnen könnten. Innerhalb des Audi-Konzerns konnte er immer mehr Leute überzeugen, vom Leiter der Produkt-Nachhaltigkeit bis hinauf zum Vorstand. Das Resultat: Audi baute die weltweit erste industrielle Power-to-Gas-Anlage und engagierte sich schon sehr früh in der Entwicklung weiterer erneuerbarer Treibstoffe. Diese Audi e-fuels – Audi e-gas, e-benzin und e-diesel – bewirken eine CO2-Reduktion von 70 bis 90 Prozent.
Nun machte Reinhard Otten am Powerloop-Forum in Ittigen BE klar, dass laut Aussage einiger Experten «E-Autos für sich allein genommen und aus Sicht der Energiebranche eine zusätzliche Herausforderung darstellten». Da künftig das Energiesystem noch stärker fixkostenlastig werde, seien nämlich Elektro-Fahrzeuge für diese Branche nicht automatisch hilfreich. Zwar seien Elektroautos viel energieeffizienter als solche mit Verbrennungsmotoren. «Aber es ist eher die Leistung, die teurer wird, und nicht die Energie an sich. Und das könnte – insbesondere beim Schnellladen – auch auf unsere Kunden durchschlagen.» Der Fachmanager für Klimaschutz und Ressourcenschonung erläuterte: «Der Schlüssel für diese Herausforderung liegt bei intelligentem Laden, Smart-Grid-Lösungen und der Ergänzung der E-Mobilität durch die Nutzung speicherfähiger Energieträger.» Laut Otten könnte das Biomethan sein, insbesondere aber Wasserstoff und Methan aus Power-to-Gas-Prozessen oder andere strombasierte Kraftstoffe.
Bei den Autoherstellern habe der Elektroantrieb wegen seiner sehr guten Effizienz und der starken politischen Förderung ganz klar Priorität, berge aber natürlich auch Risiken, die es abzufedern und durch systemisch sinnvolle Lösungen zu ergänzen gelte. «In der Mobilität sind CNG-Antriebe und erneuerbares Methan vor dem Hintergrund der genannten Herausforderungen des Energiesystems eine synergetische Ergänzung zum E-Antrieb, die gesamtwirtschaftlich sehr sinnvoll ist, aber von Politik und Kunden noch stark unterschätzt wird», führte Reinhard Otten aus. «Wäre der Kunde heute ein ‹homo oeconomicus›, hätten wir bereits einen klar höheren CNG-Anteil unter den Fahrzeugen.»
Der Audi-Stratege zitierte eine Studie, die bereits 2015 unter Federführung des Fraunhofer IWES im Auftrag des deutschen Wirtschaftsministeriums erstellt wurde und sektorübergreifend die volkswirtschaftlich günstigsten CO2-Minderungspfade aufzeigen sollte. Für den Mobilitätsbereich kam heraus, dass neben Elektro-Modellen auch CNG-Hybride in Kombination mit grünem Strom und erneuerbarem Methan eine dominante Rolle einnehmen sollten. «Ein logisches Ergebnis», so Otten, «denn solche Fahrzeuge sind bezahlbar und praktikabel und greifen auf die Energieträger zurück, die für eine funktionierende Energiewende gebraucht werden.»
Herr Otten, was genau ist die Idee hinter den Audi e-fuels?
Reinhard Otten, Audis Fachmanager für Klimaschutz und Ressourcenschonung: Die Audi e-fuels sind nachhaltige Treibstoffe, bei deren Herstellung dieselbe Menge CO2 gebunden wird, die das Auto im Betrieb auf der Strasse später wieder emittiert. Das Kohlenstoffdioxid wird also im Kreislauf geführt, vom Schadstoff wird es zum Wertstoff. Als treibende Kraft bei der Herstellung der Audi e-fuels dient regenerative Energie.
Audi e-gas, Audi e-benzin und Audi e-diesel – was ist das im Einzelnen?
Audi e-gas ist synthetisches Methan. Wir produzieren einen Teil des benötigten Audi e-gas seit sechs Jahren selbst in einer sogenannten Power-to-Gas-Anlage im norddeutschen Werlte. Das e-gas entsteht in zwei Verfahrensschritten aus erneuerbarer Energie, Wasser und CO2. Letzteres stellt eine benachbarte Reststoff-Biogasanlage bereit. Unser e-gas eignet sich zum Antrieb von Ottomotoren, die für den Betrieb mit Erdgas konzipiert sind.
Wie ist der Stand bei den zwei anderen Audi-Treibstoffen?
Beim Audi e-benzin haben wir das Laborstadium hinter uns gelassen und erste Chargen erfolgreich an Versuchsmotoren und serienmässigen Fahrzeugen getestet. Und beim Audi e-diesel stehen wir gemeinsam mit unseren Partnerfirmen in den Startlöchern für den Aufbau einer industriellen Versuchsanlage.
Haben die Audi e-fuels Chancen, sich am Markt durchzusetzen, oder ist ihre Herstellung zu teuer?
Durchsetzen werden sie sich früher oder später. Aber das Wann hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einer ist der Rohölpreis am Weltmarkt, ein anderer die Einschätzung der Politik, neue Treibstoffe schon heute als notwendige Alternative zu bewerten. Ein starker Hebel wäre hier, die CO2-Minderung durch e-fuels auf den Flottenverbrauch desjenigen Herstellers anzurechnen, der entsprechende Mengen in den Markt bringt. Die Schweiz ist hier schon weiter als die EU und plant eine entsprechende Regelung im neuen CO2-Gesetz. Die Produktion von e-fuels könnte sehr schnell wirtschaftlich werden. Genial finde ich den Gedanken, dass wir als Autohersteller auch die Triebfeder für eine essenzielle Energiewende-Technologie werden können. Denn synthetisches Methan aus Power-to-Gas-Anlagen ist nicht nur interessant für den Strassenverkehr, sondern eine notwendige Technologie für eine umfassende Energiewende. Diese Idee motiviert mich jeden Tag. (jas, 8. November 2019)