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Grünes Gas ist das Rückgrat unserer Energiewende

Trotz Fokus auf Elektro-Mobilität gibt der VW-Konzern auch beim Thema CNG-Antrieb mächtig Gas. Bis Ende 2019 haben die Wolfsburger nicht weniger als 19 Modelle im Angebot, die mit CNG angetrieben werden, und entwickeln den Antrieb weiter. Stephen Neumann, VW-Konzernbeauftragter CNG-Mobilität, erklärt wieso.

Elektroautos liegen voll im Trend und gelten als sexy, CNG-Modelle nicht – woran liegt das Imageproblem?
Stephen Neumann: Tja, diese Sexyness bei den Elektroautos. Da steckt sicher auch viel der Reiz des Neuen dahinter. Sie haben zudem ein neues, anderes Design. Mit dem CNG-Antrieb verstecken wir uns ja – in Anführungszeichen – unterm Kleid der Standardfahrzeuge. So fallen wir natürlich nicht gross auf. Der CNG-Antrieb muss aber durch die der Technologie innewohnenden positiven Botschaften auffallen.

Und die wären?
Die CNG-Technologie ist sofort verfügbar, erprobt, keinen volatilen Kraftstoffpreisen ausgesetzt und ist somit sofort nutzbarer, kostengünstiger Umwelt- und Klimaschutz. CNG zeichnet sich durch eine sehr saubere Verbrennung aus. Kurz gesagt: Da kommt hinten nicht viel raus. 25 Prozent weniger CO2 als bei einem Benziner und 15 Prozent weniger als beim Diesel. Wechselt man auf Biogas, haben wir einen nahezu CO2-neutralen Antrieb, einfach so! Das ist es, was uns sexy machen muss. Ob uns das für die Kunden ausreichend sexy macht, weiss ich nicht. Aber letztlich ist es bei der Elektro-Mobilität ja nichts anderes und es steckt die gleiche Motivation dahinter.

Wie ist der VW-Konzern bezüglich CNG-Antriebe aufgestellt?
2018 haben sich die Absatzzahlen im VW-Konzern verdoppelt, wenn auch (noch) auf niedrigem Niveau. Wir werden im VW-Konzern die Antriebstechnologie ausbauen und weiterentwickeln – dazu haben wir nun nahezu alle CNG-Modelle mit einem kleineren Benzintank ausgerüstet und dafür einen weiteren CNG-Tank untergebracht. Das schafft klar mehr Reichweite im CNG-Betrieb. Auch Busse und Lkws werden künftig eine wichtige Rolle spielen. Jetzt könnten wir uns zurücklehnen, tun wir aber nicht! Die Dekarbonisierung im Verkehrssektor ist für uns als Automobilhersteller nicht alleine zu stemmen. Wir engagieren uns daher nicht nur im deutschen Industriekreis CNG-Mobilität mit weiteren Industriepartnern aus den Bereichen Gasversorgung, Netz- und Tankstellenbetrieb für das Thema.

Ist CNG für den VW-Konzern eine Brückentechnologie oder doch mehr?
Immer diese Frage nach der sogenannten Brücke… (seufzt) Die E-Mobilität ist ganz klar Leittechnologie im VW-Konzern. Es ist schlicht die effizienteste Art, Energie in Vortrieb umzuwandeln – rein technisch gesehen. Die E-Mobilität führt auch zu einer ernsthaften Transformation unseres Geschäftsmodells. Ich sehe CNG als Wegbegleiter für die E-Mobilität und als Wegbegleiter in eine CO2-neutrale Mobilität. Per 2050 wollen wir im VW-Konzern das Ziel null CO2-Emissionen erreichen und CNG kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Vor allem wenn sich die Biogas-Seite gut entwickelt und synthetische Gase verstärkt aufkommen. Dann haben wir einen eingebauten CO2-Minderungsschalter an Bord, denn synthetische oder Biogase sind ja beliebig mit fossilen Gasen mischbar. Grünes Gas ist das Rückgrat unserer Energiewende. Ich sehe deshalb CNG mehr als Brückenträger oder Brückenpfeiler statt einer zu kurz geratenen Brücke.

Gerade wurde ein neuer 2,0-Liter-CNG-Forschungsmotor vorgestellt. Er ist für Gasbetrieb optimiert und hat einen Wirkungsgrad von bis 45 Prozent. Weiss man schon, wann er in Serie geht?
Sie sprechen vom «GasOn»-Projekt. Da waren wir genauso wie Kollegen von der Empa und ETH Zürich involviert. Wir hatten innerhalb des EU-Forschungsprojekts die Aufgabe, ein mageres Gasbrennverfahren zu entwickeln. Dies birgt bezüglich Effizienz sehr grosses Potenzial, verlangt aber bezüglich Abgasnachbehandlung nach komplett neuen Lösungen. Die Abgase sind durch den äusserst effizienten Motor sehr kalt. Eine Abgasnachbehandlung für das dargestellte Verfahren ist heute nicht verfügbar. Dazu hat ein anderer Partner im Forschungsprojekt geforscht, aber leider nicht reüssiert. So konnten wir nur den Effizienzsteigerungsteil aufklären. Den Motor des «GasOn»-Projekts werden wir daher kurzfristig nicht auf den Markt bringen, weil dazu noch entscheidende Bausteine fehlen.

Gibt es bereits neue Forschungsprojekte mit Empa und ETH Zürich?
Im Rahmen des Schweizer Forschungskompetenzzentrums «SCCER Mobility» haben wir eine langjährige Zusammenarbeit mit den Kollegen Christian Bach von der Empa und Konstantinos Boulouchos von der ETH. Wir unterstützen Dissertationen sowie studentische Arbeiten, versuchen als Industriepartner Ideen einzubringen und zwar auch ohne finanzielle Projektbindung. Wir tauschen uns zudem rege aus und klären, wo wir Beiträge leisten können.

Viele Verbrenner werden hybridisiert oder zumindest mit 48-Volt-Bordnetz ausgerüstet. Was ist diesbezüglich betreffend CNG-Modelle denkbar?
Wir haben mit dem neuen 1,5-Liter TGI evo einen hocheffizienten Motor auf den Markt gebracht, für den dank unseres Baukastenprinzips jede Form der Hybridisierung denkbar wäre. Nur hängt dies auch vom Verkaufsvolumen ab. Da wir mit dem CNG-Motor noch in einer Nische sind, rechnet sich dies momentan nicht. Steigt das Volumen, kann man aber sehr einfach an der Technologie der Benziner partizipieren.

VW hat mit 17 Fahrzeugen jetzt schon die grösste CNG-Produktepalette – ist trotzdem ein weiterer Ausbau geplant?
Über die zukünftige Modellpolitik darf ich naturgemäss nichts verraten. Wir haben aber bereits angekündigt, dass wir den Skoda Scala und den Skoda Kamiq auch als CNG-Variante lancieren. Somit werden wir bis Ende des Jahres 19 CNG-Modelle im Angebot haben. Wir arbeiten zudem an verschiedenen Ideen und entwickeln die Technologie konstant weiter. Konkrete Produktentscheide hängen aber immer auch von der wirtschaftlichen Seite ab. Schauen Sie unser Portfolio an, Sie werden selbst einige Lücken entdecken und in diese könnte man natürlich reinstechen – dies als kleiner Tipp.

Alle zwei Jahre ist – zumindest in der Schweiz – eine unabhängige Kontrolle der CNG-Komponenten nötig. Ist das noch sinnvoll oder wären grössere Zeiträume bei den Kontrollen möglich?
Das sind nationale Regularien. Die sind in den restlichen, nicht EU-Ländern ebenfalls nicht einheitlich geregelt. EU-Richtlinien besagen, dass spätestens alle vier Jahre bei einem CNG-Modell die Sicht- und Dichtprüfung ausgeführt werden muss. Diese Richtlinie ist für uns im Volkswagen-Konzern massgeblich. Dass sich die Schweiz historisch gewachsen auf ein so enges Intervall festgelegt hat, hat meines Erachtens keine technische Notwendigkeit.

In der Schweiz ist 4×4 sehr gefragt, aber bei CNG-Modellen bislang kein Thema. Wäre eine Elektrifizierung einer Achse und so phasenweiser E-Antrieb denkbar?
Von der Idee nicht schlecht, aber nicht angedacht. (lacht) Ausser Sie opfern Ihren Kofferraum! Man könnte Richtung bivalente Fahrzeuge zurückkehren, die Gasflasche hinter der Hinterachse platzieren, dann sind wir unabhängig vom Antrieb an der Hinterachse. Dann würden wir aber mit dem grossen 4×4-Serienbenzintank antreten. Nur haben wir in den letzten Jahren gelernt, dass CNG-Fahrer maximale CNG-Reichweite wollen. Ob sie bereit sind, unnötig den riesigen Benzintank spazieren zu fahren, nur damit sie 4×4 haben, ist fraglich. Zudem müssen wir für CNG erst eine solide Volumen-Basis schaffen, um auch in der Zukunft handlungsfähig zu sein. Zu einem späteren Zeitpunkt kann man sicherlich über Spielarten wie 4×4 für CNG-Modelle diskutieren. (jas, 24. Juli 2019)

Persönlich Stephen Neumann
Der 58-Jährige ist beim VW-Konzern Leiter der Organisationseinheit «Konzern Technologieprojekte» innerhalb des neu gegründeten Bereichs «Group Technology». Neben der Funktion des Konzernbeauftragten für CNG-Mobilität ist er auch verantwortlich für Projekte, die eine Dekarbonisierung der Nutzungsphase der Fahrzeuge vorbereiten und umsetzen. Zuvor war er als technischer Projektmanager für den VW-Pickup Amarok (2013 bis 2016), als Entwicklungschef für den Aufbau (Interieur und Exterieur sowie Fahrzeugsicherheit) bei Bugatti (2009 bis 2013) sowie weiteren leitenden Positionen innerhalb des VW-Konzerns tätig. Studiert hatte der Diplomingenieur ursprünglich Luft- und Raumfahrttechnik an der Technischen Universität Berlin.

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