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Quelle: Hitachi Zosen Inova HZI
Hitachi Zosen Inova HZI liefert seit Jahrzehnten Lösungen im Bereich Biogaserzeugung, Gasaufbereitung, Abfall- und Rauchgasbehandlung genauso wie Power-to-Gas bis hin zu schlüsselfertigen Anlagen. Die Tochtergesellschaft der Hitachi Zosen Corporation hat ihren Hauptsitz in Zürich und ist bei zahlreichen Projekten bei der Planung und beim Bau von Komplett- und Systemlösungen für die thermische und biologische Verwertung von Abfall beteiligt, die je nach Kundenanforderungen flexibel angepasst werden können. CNG-Mobility.ch wollten von den HZI-Experten Helen Gablinger (Director Product & Marketing Energy from Waste) und Benoît Boulinguiez (Product & Marketing Director – Renewable Gas) wissen, was bezüglich Abfallwirtschaft beachtet werden muss, ab wann Carbon Capture and Storage Sinn macht und welche Herausforderungen es bei der Biogas-Produktion sonst noch gibt.
Wieso ist bei der Abfallbehandlung eine ganzheitliche Betrachtung so wichtig?
Helen Gablinger, Director Product & Marketing Energy from Waste bei HZI: Einerseits wollen wir sicherstellen, dass keine schädlichen oder hygienisch bedenklichen Stoffe unkontrolliert in der Umwelt enden, andererseits wollen wir die Kreislaufwirtschaft und die Erneuerbarkeit maximal unterstützen. Dieser Spagat erfordert eine gute, ganzheitliche Kenntnis der Abfallwirtschaft und ihrer Rahmenbedingungen.
Für welche Bereiche kann HZI hier Lösungen anbieten?
Helen Gablinger: Wir bieten Lösungen für biogene und fossile, feste Siedlungsabfälle sowie landwirtschaftliche Abfälle an. Aus ersteren entsteht Biogas respektive Biomethan. Gemischte Siedlungsabfälle, die fossile und biogene Stoffe enthalten, werden im Minimum energetisch genutzt. Immer öfter bieten wir auch weitere stoffliche Aufbereitungen an.
Biomasse wird noch viel zu oft verbrannt statt verwertet. Ab wann lohnt sich eine Biogasanlage?
Helen Gablinger: Unsere kleinsten Anlagen haben einen Jahresdurchsatz an organischem Material von ca. 5000 Tonnen. Ab wann sich eine Anlage lohnt, hängt aber oft mindestens so stark von der Sammellogistik ab.
Benoît Boulinguiez, Product & Marketing Director – Renewable Gas bei HZI: Die aktuelle Projektentwicklung umfasst daher nun auch die weitere energetische Optimierung der Ressourcen sowie die Umwandlung von Nebenprodukten in marktfähige Produkte.
Welche Herausforderungen bestehen bei der Aufbereitung der biogenen Rohgase?
Benoît Boulinguiez: Neben der angestrebten Anwendung spielen auch die Quellen des biogenen Rohgases eine wesentliche Rolle für die benötigte Technologie. Diese Anlagen werden mehr und mehr in der lokalen Kreislaufwirtschaft verankert, insbesondere wenn Bio-CNG, Bio-LNG oder Bio-CO2 aus Rohgasen hergestellt werden. Es geht nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern auch um die Verlässlichkeit des Kettenelements der Wirtschaft.
Quelle: Hitachi Zosen Inova
Welches Potenzial steckt (noch) in den Themen Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung?
Helen Gablinger: HZI ist überzeugt, dass es für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft eine geordnete Abfallwirtschaft braucht. Eine der schlimmsten Klimasünden auf globaler Ebene ist weiterhin die unkontrollierte Ablagerung von Abfällen, aber auch die geordnete Deponierung erzeugt nicht gefasstes Methan. Die thermische Behandlung von Abfällen erzeugt zwar CO2, aber ersetzt auch fossile Brennstoffe. Darüber hinaus kann sie als Startpunkt für eine gezielte CO2-Abscheidung, -Nutzung oder -Speicherung dienen, wie dies zum Beispiel die Energieperspektiven 2050 der Schweizer Regierung vorsehen.
Dank Power-to-Gas-Lösungen ist eine Sektorenkopplung möglich, was macht HZI in diesem Bereich?
Helen Gablinger: Wir arbeiten an der Entwicklung von integrierten Lösungen, die zu den Anlagen unserer Kunden passen und auf die lokalen Rahmenbedingungen eingehen.
Benoît Boulinguiez: Power-to-Gas ist eines der technisch-wirtschaftlichen Bindeglieder, das den derzeitigen Sektor mit dem Segment der erneuerbaren Energien verbinden wird, indem es das bestehende Energiekonzept der Infrastruktur um die Möglichkeit der Mobilität erweitert.
Power-to-Gas-Fabrik im japanischen Nagaoka. Quelle: Hitachi Zosen Inova
Welche Emissionseinsparungen sind dadurch möglich?
Helen Gablinger: Für jede Megawattstunde Strom, die aus erneuerbaren Quellen produziert werden kann und die dann durch Power-to-Gas als Gas zur Verfügung steht, muss kein fossiles Gas eingesetzt werden.
HZI liefert für eine bestehende Biogasanlage im aargauischen Nesselnbach eine CO2-Verflüssigungsanlage. Was steckt hinter diesem Projekt?
Benoît Boulinguiez: Die bestehende Anlage wandelt bereits organische Abfälle, das heisst Schlamm aus der Kläranlage, in biogene Energie in Form von erneuerbarem Methan um, einem der Hauptbestandteile von Biogas. Sie bereitet das Rohbiogas auf Erdgasqualität auf und speist es in das örtliche Gasnetz ein. Die zusätzliche Anlage wird das Kohlendioxid, den zweiten Hauptbestandteil von Biogas, abscheiden und verflüssigen. Das verflüssigte Bio-CO2 wird dann in den regulären Flüssig-CO2-Verteilerkreislauf integriert, wodurch fossiles CO2 durch erneuerbares CO2 ersetzt wird.
Biogasanlage in Chavornay in der Schweiz. Quelle: Hitachi Zosen Inova
Was sind die grössten Herausforderungen?
Benoît Boulinguiez: Im Gegensatz zu einem regulierten Markt für erneuerbare Energien wie Biomethan war die Sicherstellung der langfristigen Abnahme des flüssigen Bio-CO2 über einen lokalen Verteiler die erste Herausforderung für die Existenz des Projekts. Die Integration in die bestehende Anlage in Bezug auf die verfügbare Fläche und eine minimale Störung während der Bauphase der gesamten bestehenden Anlage im Betrieb sind weitere typische Herausforderungen in unserem Geschäft.
Was sind die Vorteile der neuen Anlage?
Benoît Boulinguiez: Die zusätzliche Anlage wird ca. 4000 Tonnen biogenes CO2 pro Jahr, das zuvor in die Atmosphäre ausgestossen wurde, in flüssiges Bio-CO2 in Lebensmittelqualität umwandeln. Das wird zu einer unmittelbaren Verringerung des mit der Abfallbehandlung verbundenen CO2-Fussabdrucks führen. Das produzierte flüssige Bio-CO2 wird ausserhalb des Standorts transportiert und reibungslos in die reguläre industrielle Kette für flüssiges CO2 integriert, ohne dass die CO2-Lieferkette nach der Anlage verändert wird.
Sicht aufs Innere eines Stahlfermenters, wie er nun auch für den Bau einer Biogasanlage in der griechischen Region Peloponnes zum Einsatz kommen wird. Quelle: Hitachi Zosen Inova
Macht Carbon Capture and Storage für jede Anlagegrössen Sinn?
Helen Gablinger: Im Prinzip gibt es auch hier wie so oft Skaleneffekte, das heisst, je grösser desto günstiger. Dennoch muss für jeden Fall die lokale Situation geprüft werden. Nicht zuletzt sind auch Transportmöglichkeiten und logistische Grenzen zu betrachten.
Was plant HZI in diesem Bereich noch?
Helen Gablinger: Auch für unsere thermische Abfallbehandlung ist Dekarbonisierung ein wichtiges Thema. Ein Team ist gegenwärtig dabei, die bestmögliche Integration verschiedener für den CO2-Fussabdruck wichtiger Lösungen – unter anderem auch Carbon Capture – mit unseren Kunden zu erarbeiten. Dabei ist die generelle Machbarkeit und Finanzierbarkeit stark von den politischen Rahmenbedingungen abhängig.
Wie kann die CNG-Mobilität als Teil der modernen Abfallwirtschaft in HZI-Lösungen integriert werden?
Benoît Boulinguiez: Dies ist bereits bei vielen unserer Referenzen in Europa und in der Schweiz der Fall, die direkt vor Ort oder indirekt über das Gasnetz das biogene Methan aus der Abfallwirtschaft in erneuerbares Bio-CNG oder sogar Bio-LNG umwandeln. Die CNG-Mobilität ist eine der wirtschaftlichen Triebfedern zur Unterstützung eines fortschrittlichen und sauberen Abfallwirtschaftskonzepts, indem sie dem biogenen Methan über den Mobilitätssektor und die Wirtschaft einen höheren Wert verleiht. HZI bietet vollständig integrierte technische Lösungen für die gesamte Wertschöpfungskette der Umwandlung von Abfall in nachhaltige Energien für Infrastruktur und Mobilität.
Gibt es dazu bereits Best-Practice-Beispiele? (Im In- und Ausland)
Benoît Boulinguiez: HZI besitzt und betreibt seit 2019 die Anlage im schwedischen Jönköping, in der die organische Fraktion des getrennten Siedlungsabfalls zu Biogas vergoren, zu Biomethan aufbereitet und in Bio-CNG umgewandelt wird, bevor es über drei Tankstellen in der Stadt an die städtische Busflotte, die Müllfahrzeuge und an Privatfahrzeuge verteilt wird. Diese Anlage demonstriert die Integration der kommunalen Abfallwirtschaft in die lokale Kreislaufwirtschaft, indem sie beide Herausforderungen angeht, die Emission von Treibhausgasen reduziert und nachhaltige und erneuerbare Mobilitätslösungen mit Bio-CNG anbietet. (jas, 29. März 2022)
Biomasse wird in der Biogasanlage in Luzern angeliefert. Quelle: Hitachi Zosen Inova