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Quelle: Storengy – GIE
Die deutsche Fernleitungsnetzbetreiberin Open Grid Europe GmbH, die mit rund 12’000 Kilometern für das grösste Ferngasnetz in Deutschland zuständig ist, hat zusammen mit der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart das Projekt «SyWeSt H2» durchgeführt. Hinter dem kryptischen Namen versteckt sich das vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) in Auftrag gegebene Forschungsprojekt «Stichprobenhafte Überprüfung von Stahlwerkstoffen für Gasleitungen und Anlagen zur Bewertung auf Wasserstofftauglichkeit».
Dabei wurde ein repräsentativer Querschnitt der in deutschen und teilweise auch europäischen Rohrleitungen verbauten Stähle extremen Betriebs- und Alterungseinflüssen unter Wasserstoff ausgesetzt und technisch geprüft. Und der Clou am Ganzen: Es ist kein Unterschied in der Abnutzung bei Wasserstoff zu demjenigen vom bisher transportierten Erdgas auszumachen.Quelle: DVGW
«Die Forschungsergebnisse sind wegweisend für die Wasserstoff-Zukunft. Von den drei Herausforderungen entlang der Wertschöpfungskette – Erzeugung, Transport und Nutzbarmachung – ist der Transport nun grundsätzlich gelöst», erklärt der DVGW-Vorstandsvorsitzende Gerald Linke dazu. «In Leitungsnetzen werden die Rohre auch weiterhin genutzt werden können, und nur einzelne Einbauteile oder Stationselemente sind zu ertüchtigen oder auszutauschen. Das ist volkswirtschaftlich sinnvoll, denn wir können auf eine bestehende Infrastruktur mit einem über viele Jahrzehnte hinweg getätigten Investitionsvolumen in Höhe von rund 300 Milliarden Euro zurückgreifen.»
Quelle: DVGW/Kurda
Statt ein neues Gasnetz für den Transport von Wasserstoff aufzubauen, kann in Deutschland – und wohl auch in grossen Teil Europas und der Schweiz, denn hier werden für die regionalen Netze ähnliche Hochdruckleitungen von rund 30 Zentimeter Durchmesser wie in Deutschland genutzt – das bereits bestehende Netz genutzt und kostengünstig «H2-ready» gemacht werden. In Deutschland gehen die Experten für ihr über 550’000 Kilometer langes Erdgasnetz aktuell von Gesamtkosten von «nur» rund 30 Milliarden Euro aus, um es für den Transport von Wasserstoff umzurüsten.
Hier werden gerade Rohre für eine neue Gasleitung verlegt. Diese sind gemäss der umfassenden Studie auch wasserstofftauglich, so dass das deutsche Erdgasnetz mit geringem Aufwand auch «H2-ready» gemacht werden könnte. Quelle: GIE
Millionen Haushalte und Unternehmen mit Gasanschluss könnten somit mit verhältnismässig geringem Aufwand «H2-ready» gemacht und so über die bestehende Infrastruktur zu 100 Prozent mit klimaneutralem Wasserstoff versorgt werden. Für das Forschungsprojekt wurden Proben der in deutschen Leitungen verbauten Stähle umfassenden Messmethoden unterzogen, die gegenüber bisherigen Studien weitere Variablen wie zum Beispiel den Einfluss des Wasserstoffdrucks berücksichtigen. Diese neuen Methoden ermöglichen genauere Lebensdauerprognosen und entsprechend länger prognostizierbare Betriebszeiten für Rohrleitungen, was zugleich eine bessere Planung und Wartung des Gasnetzes zulässt.
Eine Wasserstoffmischanlage auf der Verdichterstation Megal in Waidhaus (Bayern). Quelle: OGE
Das sind gute News, auch für die Bemühungen in der Schweiz, die Nutzung von Wasserstoff voranzutreiben. Arthur Janssen, Leiter Strategie & Innovation bei IWB, erläuterte kürzlich bei einem Informationsanlass, dass Wasserstoff in Basel dereinst Prozessgas ersetzen könne. Aktuell laufe die Phase der ersten Pilotprojekte. Zwischen 2025 und 2030 seien dann grössere Pilotprojekte mit leitungsgebundener Verteilung angedacht. Und bereits zwischen 2030 und 2035 erwartet Janssen die Anbindung der Region Basel an ein europäisches H2-Transportnetz. Matthias Hafner, Fachverband Schweizer Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW), forderte am gleichen Event dazu auf, das eigene Netz respektive die Anlagen zu analysieren und die Planung, um «H2-ready» zu werden zu starten, und wies dabei auch auf die DVGW-Datenbank hin.
Szenarien für ein mögliches Wasserstoffnetz quer durch Europa gemäss dem Gas for Climate-Konsortium: Quelle: OGE
Die Fakten zum Thema Wasserstoff in der Schweiz fasst ausserdem der Verband der Schweizer Gasindustrie im neusten, jeweils halbjährlich erscheinenden H2-Barometer von Anfang April zusammen. Darin werden auch Szenarien für das Angebot, die Nachfrage, die potenziellen Importrouten und die voraussichtliche Entwicklung der Importkosten für Wasserstoff erörtert. (pd/jas, 25. April 2023)