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Coca-Cola setzt in der Schweiz auf eine der grössten Flotten von Personenwagen mit CNG-Antrieb. Quelle: Amag/Coca-Cola
«Wir verkaufen in der Schweiz kaum noch CNG-Autos, das stimmt zwar», gesteht Hans Wach, der abtretende Geschäftsleiter der Gasverbund Mittelland AG, zum Auftakt des Gesprächs, präzisiert jedoch sofort. «Aber nur, weil die CNG-Fahrzeuge nicht angeboten werden oder nicht geliefert werden können. Würden sie angepriesen, wie andere Fahrzeuge und Motorisierungen auch, dann sähe es anders aus.» Der CNG-Förderer der ersten Stunde und Mitbegründer der gasmobil AG muss es wissen, er rührte über 20 Jahre die Werbetrommel für die klimafreundliche Technologie, die es erlaubt, dank Biogas im Tank nahezu CO2-neutral unterwegs zu sein.
Wach geht davon aus, dass das Angebot eines CNG-Antriebs bei den gängigsten Volumenmodellen bei Autos und leichten Nutzfahrzeugen der Schweizer CNG-Mobilität auch heute noch einen Schub verleihen könnte. «Dieses Angebot müsste aber beim Modellwechsel zeitsynchron mit den anderen Antriebsvarianten kommen. Wenn man dann noch etwa Werbung macht, hätte die CNG-Mobilität gute Chancen, denn die Technologie ist ausgereift und zuverlässig – genau wie die Autos», so Wach. «Doch die Importeure wollen nun Elektroautos verkaufen. Diese werden mit CO2-Wert Null in der Flottenbilanz eingerechnet – selbst wenn das eine beschönigte Betrachtung ist.» Die Importeure müssten bereits heute massive Strafzahlungen entrichten und ein Elektroauto, das mit 0 g CO2 zu Buche schlage, sei daher schlicht gefragt, ja beinahe unverzichtbar für sie.
Das polnische Kohlbergwerk von Jastrzębska Spółka Węglowa S.A. Quelle: Dawid Lach
«Dies ist der entscheidende Treiber zugunsten der E-Mobilität. Das CNG-Modell muss im Gegensatz dazu reale CO2-Werte ausweisen», merkt Wach an. «Nur: Die Natur macht keine CO2-Bilanz von der Batterie zum Rad, sondern macht ‹Cradle to Grave›-Bilanzen. Also von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung, Nutzung bis zur Entsorgung und dann steht das E-Auto nicht besser da als ein Biogas-Fahrzeug.» Dies würden Studien der Empa und des Paul-Scherrer-Instituts zeigen. Nutzen Fahrzeuge erneuerbare Energieträger, was sowohl bei Gas als auch beim Strom möglich sei, dann lägen sie bei der Emissionsbilanz etwa gleichauf. «Beide etwa bei 30 bis 40 g CO2/km– darunter geht es kaum. Doch die Politik reitet nun eben auf der Elektrowelle und die EU führt dies wohl fort, selbst wenn sie nun E-Fuels zu akzeptieren scheint», erläutert der langjährige GVM-Geschäftsleiter. «Bei Elektro ist alles viel einfacher. Selbst ein E-Auto in Polen, das nachweislich mit 80 Prozent Kohlestrom fährt, wird mit 0 g CO2 verrechnet.»
Hans Wach in seinem Büro bei der Gasverbund Mittelland AG in Arlesheim. Quelle. CNG-Mobility.ch
Selbst wenn Wach für Personenwagen mit CNG-Antrieb aktuell eine düstere Zukunft sieht, besteht für ihn Hoffnung für die Mobilität mit CNG und Biogas. «Unsere Chance sind die Nutzfahrzeuge, vor allem die schweren. Hier ist das Thema Elektro komplexer, ob betreffend Batteriegrösse und -gewicht oder auch bezüglich Anforderungen an die Ladeinfrastruktur.» Hier habe ein LKW mit CNG- oder LNG-Antrieb durchaus Potenzial. Das habe sogar der VW-Konzern erkannt, vor allem bei der Nutzung von Biogas oder verflüssigtem Biogas (LBG). Der Güterverkehr ist auch für Gasversorger attraktiv, denn ein Lastwagen habe etwa den gleichen Gasverbrauch wie zwölf Einfamilienhäuser. «Hier ist eine positive Entwicklung zugunsten der CNG-Mobilität zu erkennen. Zudem tanken beispielsweise die fünf LKW der Migros Basel bei uns 100 Prozent Biogas – das ist echter Fortschritt!»
Ein Chauffeur der Migros Basel tankt Biogas, fährt so nahezu CO2-neutral und hilft damit, Kreisläufe zu schliessen. Quelle: CNG-Mobility.ch
Hans Wach erklärt: «Es ist nun wichtig, in die Schweizer Biogasproduktion zu investieren, um den künftigen Bedarf decken zu können. Die Mobilität stand schon bei der Entstehung dieser Biogasproduktion im Mittelpunkt und war ihr wichtigster Treiber. Die Biogas-LKW werden daher wohl einen weiteren Ausbau der Schweizer Biogasproduktion zur Folge haben.» Das Potenzial der Biomassennutzung ist hierzulande noch bei weitem nicht ausgenutzt. Zu diesem Schluss kam auch eine Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Sie sah das nachhaltige Potenzial der Biomasse – ohne Holz– bei knapp 50 Billiarden Joule, was in etwa 5-6 Terrawattstunden aufbereitetes Biomethan entspricht. «Wir beim GVM ermuntern unsere Aktionäre, in Biogasanlagen zu investieren. Denn als GVM selbst aktiv zu werden, würde bedeuten, dass immer alle über den Aktionärsschlüssel in die Biogasproduktion investieren», erläutert der abtretende GVM-Geschäftsleiter.
Hans Wach sorgte durch die Präsenz von CNG-Modellen und Conceptcars mit CNG-Antrieb des Autovisionärs Frank M. Rinderknecht am Genfer Autosalon für einen Schub und viel Aufmerksamkeit für die klimafreundliche Antriebsart. Quelle: CNG-Mobility.ch
«Daher haben wir eine neue Gesellschaft mit angeschoben, über die dies erfolgen kann und zu der auch weitere Kapitalgeber ausserhalb des GVM-Versorgungsgebietes dazustossen könnten.» Die Schweizer Biogasproduktion soll also angekurbelt werden, was aber ist mit LBG? Schliesslich wäre verflüssigtes Biogas wegen der höheren Reichweite, die es einem LKW bietet, besonders für den internationalen Schwerverkehr attraktiv. «Kurzfristig müsste man es importieren. Erneuerbares LNG wäre recht schnell an die momentan drei LNG-Tankstellen lieferbar – auch ein Mix ist denkbar. Technisch ist es dem LNG-Fahrzeug genau wie beim CNG-Auto egal, aus welcher Quelle der Energieträger stammt», sinniert Hans Wach.
Biomasse, die statt in einer KVA verbrannt zu werden, noch für die Herstellung von Biogas genutzt werden kann. Quelle. CNG-Mobility.ch
«Eine Verflüssigung von Biogas ist aber sicherlich auch für die Schweiz ein Thema. Längst nicht alle Biomasse fällt in einer vernünftigen Distanz zum Gasnetz an. Vor allem bei sogenannten Inselanlagen ohne Netzanschluss, wäre die Verflüssigung des Biogases eine interessante Lösung. Das liesse sich perfekt mit der Aufbereitung des Rohbiogas kombinieren», erläutert der Experte. Denn das so ebenfalls gewonnene, flüssige CO2 könnte mindestens als Kältespender oder als Rohstoff, beispielsweise für synthetische Fuels, genutzt werden. Wach schmunzelt vielsagend und ergänzt: «Machbar ist dies absolut, aber man muss es eben auch wollen. Nur haben wir in der Schweiz aktuell eine Politik, die meint, alles sei mit Elektrifizierung lös- und umsetzbar. Sie sieht Gas leider immer noch als Teil des Problems und nicht als Teil der Lösung.»
In der Ara Region Bern wird bereits bei der Biogasherstellung gewonnenes CO2 für die Weiterverarbeitung im Bau-Bereich abgeschieden. Quelle: CNG-Mobility.ch
Vor allem für die Überwindung der Winterstromlücke sieht der Energieexperte allein durch erneuerbaren Strom allerdings keine Lösung. «Da braucht es in der Übergangsphase noch fossiles Gas und dann zunehmend erneuerbares Gas und dazu gehört auch Biogas», ist Hans Wach überzeugt und verweist auf Dänemark, wo man dies bereits erkannt habe. «Hier hat man die Biogasproduktion von praktisch null innert rund sechs, sieben Jahren auf fünfeinhalb Terrawattstunden hochgefahren – vor allem aus landwirtschaftlichen Abfällen. Das Ganze ist kein einfacher Selbstläufer, aber man wird auch in der Schweiz nicht darum herumkommen, in die Biogasproduktion zu investieren und sie zu fördern.» (jas, 18. Januar 2022)
Lesen Sie auch den ersten Teil des Gesprächs mit Hans Wach «Vollgas mit Rinspeed» und den dritten Teil «Subventionen oder Quoten?»