Erweiterung der Palette geplant

Sergio Giordana, Chefingenieur bei FPT Industrial, spricht über Herausforderungen bei der Entwicklung von CNG-Antrieben und ihre möglichen Anwendungsbereiche.

Vor fünf Jahren wurde der Cursor-13-NG-Motor mit 460 PS während des «FPT Tech Day» erstmals enthüllt. Quelle: FPT Industrial/Filippo Alfero

Starke Leistung, modernste Technologie, echte Nachhaltigkeit, das zeichnen CNG-Aggregate vom Spezialisten FPT Industrial aus. Das Unternehmen gehört zu CNH Industrial und ist für die Entwicklung, die Produktion und den Verkauf von Antriebssystemen für Onroad- und Offroad-Fahrzeuge, Schiffs- und Stromerzeugungsanwendungen zuständig. Mehr als 55’000 auf der ganzen Welt verkaufte Gasmotoren in den letzten 25 Jahren unterstreichen die grosse Kompetenz von FPT Industrial.

Genauso wie der vor fünf Jahren während des «FPT Tech Day» erstmals enthüllte Cursor-13-NG-Motor mit 460 PS bei 1900 U/min und einem Drehmoment von bis zu 2000 Nm bei 1100 U/min. Er rollt im Werk des Antriebsspezialisten in Bourbon-Lancy (Frankreich) vom Band und das übrigens sehr zahlreich. Denn letztes Jahr wurde hier bereits 10’000 Stück des aktuell leistungsstärksten CNG-Motors fürs Onroad-Segment produziert. Und die Nachfrage wird weiter hoch bleiben, denn der Cursor-13-NG-Motor kann sowohl mit CNG (Compressed Natural Gas) und mit LNG (Liquefied Natural Gas) sowie problemlos auch mit Biogas betrieben werden. Damit ihr ist er wie geschaffen für eine Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten im Logistik- und Speditionsbereich. FPT Industrial liefert aber auch spannende und dank der Nutzung von Biogas nahezu CO₂-neutrale Antriebvarianten für den Offroad-Bereich. CNG-Mobility.ch wollte vom Chefingenieur für alternative Treibstoffe, Sergio Giordana, mehr dazu wissen.

Herr Giordana, mit dem New Holland T6 mit 6,75-Liter-Sechszylinder gibt es bereits einen Traktor mit CNG-Antrieb auf dem Markt. Nun folgt der Raupenschlepper TK mit dem F28-Motor. Was sind die grössten Herausforderungen bei der Entwicklung eines CNG-Antriebs?
Sergio Giordana, Chefingenieur Alternative Fuels bei FPT Industrial: Es gibt zwei Herausforderungen. Die erste besteht darin, einen Motor zu bauen, der im Vergleich zum Dieselmotor eine gute Leistung erbringt. CNG-Motoren werden durch Änderung des Ansaugluftstroms mit der Drosselklappe gesteuert, während Dieselmotoren durch Änderung des Kraftstoffstroms gesteuert werden. Dadurch sind CNG-Motoren bei plötzlichen Lastwechseln, wie sie für Gelände- und Offroadanwendungen wie Traktoren typisch sind, von Natur aus nicht so reaktionsschnell wie Dieselmotoren. Wir mussten viel an der Motorsteuerungssoftware und den Algorithmen arbeiten, um den CNG-Motor so reaktionsschnell wie möglich zu machen und das Verhalten des Dieselmotors nachzubilden. Eine weitere Herausforderung ist die Lagerung des Kraftstoffs: Dies ist eher eine Herausforderung für das Fahrzeuglayout als für die Motorkonstruktion, aber die Anbringung von CNG-Flaschen an diesen Fahrzeugen war keine leichte Aufgabe.

Muss ein CNG-Antrieb für ein Offroad-Fahrzeug höhere oder andere Anforderungen erfüllen als einer für einen Personenwagen, der primär auf gut asphaltierten Strassen unterwegs ist?
Ja. Off-Road-Fahrzeuge werden nicht nur abseits befestigter Strassen betrieben, sondern auch in Verbindung mit verschiedenen Anbaugeräten. Die Art und Weise, wie der Motor auf plötzliche Lastschwankungen aufgrund des Einsatzgebietes oder der Anforderungen der Anbaugeräte reagieren muss, stellt das Motorsteuerungssystem vor grössere Herausforderungen als bei On-Road-Anwendungen.

Der Raupenschlepper TK mit dem F28-CNG-Antrieb und Biogas im tank ermöglicht nun sogar eine klimaschonendere Weinernte. Quelle: FPT Industrial

Legt FPT Industrial seine Antriebe grundsätzlich auch für die Nutzung mit Biogas aus?
Unser gesamtes Angebot an CNG-Motoren kann mit Biomethan betrieben werden, das durch normale Biogasaufbereitung, das heisst durch einen Reinigungsprozess, gewonnen wird.

Wie gross sind die Einsparmöglichkeiten bezüglich CO₂-Ausstoss und anderer Emissionen bei den CNG-Aggregaten von FPT Industrial?
CNG-Motoren für Geländefahrzeuge reduzieren die CO₂-Emissionen im Vergleich zu Dieselmotoren um 10 Prozent. Der Umweltnutzen ist jedoch noch viel grösser, wenn statt CNG Biogas genutzt wird. Je nachdem, welches Ausgangsmaterial zur Herstellung von Biogas verwendet wird, können die so genannten Well-to-Wheel-CO₂-Emissionen sogar negativ sein. Was die anderen Schadstoffe betrifft, so können CNG-Motoren mit einem einfachen Dreiwege-Katalysator, der kein Adblue benötigt, die NO_x-Emissionen auf einem sehr niedrigen Niveau halten. Die gleichen niedrigen NO_x-Emissionen sind auch ein Merkmal von Motoren mit geringer Leistung unter 76 PS/56 kW, bei denen die Dieselpendants derzeit noch nicht mit selektiven Adblue-Katalysatoren ausgestattet werden müssen und daher viel mehr emittieren.

Der seit diesem Jahr auch in der Schweiz erhältliche New Holland T6 mit 6,75-Liter-Sechszylinder-CNG-Motor ist eine weitere spannende Offroad-Anwendung eines FPT-Industrial-Aggregats. Quelle: FPT Industrial

Mit einem Antrieb für einen Traktor und einem für einen Raupenschlepper ist die CNG-Palette im Offroadbereich noch etwas dünn, sind weitere Aggregate oder Leistungsstufen angedacht oder bereits in Entwicklung?
Wir planen eine Erweiterung der Produktpalette auf der Grundlage der Resonanz, die wir auf das derzeitige Angebot erhalten werden. Das Interesse ist sehr gross, und wir können auch auf unser breites Angebot an Strassenmotoren zurückgreifen, das ohne Weiteres verfügbar ist.

Gibt es noch weitere Einsatzbereiche, die sich für CNG-Aggregate von FPT Industrial eignen würden?
Wir erwägen weitere Anwendungen, die typisch für das Umfeld von Biovergärungsanlagen sind. (jas, 5. April 2022)