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Shell Ziegler
 
 

«Die Energiewende ist letztlich ein Teamsport»

Der Energiekonzern Shell ist sehr aktiv im Bereich klimaneutraler Treibstoffe und investiert in die unterschiedlichsten Projekte. So will Shell massiv CO2 einsparen. Wie genau, das erklärt der Schweizer Fabian Ziegler, CEO von Shell Deutschland, in einem Exklusivinterview.

Shell -Ziegler
Ein LNG-Tank auf dem Shell-Gelände von Hamburg. Quelle: Shell

Herr Ziegler, Shell plant in seiner Raffinerie in Köln den Bau einer Gasverflüssigungsanlage, um CO2-neutrales LNG zu produzieren. Woher kommt das dafür benötigte Methan?
Fabian Ziegler, CEO Shell Deutschland: Das Bio-Methan wird aus deutscher Produktion kommen. Die Biogasproduktion ist hier gut etabliert. Rund 8500 Biogasanlagen produzieren Biogas zur gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung, in ca. 200 Anlagen wird Biogas zu Biomethan verarbeitet und anschliessend ins Gasnetz eingespeist. Laut der Deutschen Energie-Agentur beträgt das Potenzial für Substrate, die für die Herstellung fortschrittlicher Treibstoffe nach der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II verwendet werden können, 168 bis 218 Peta Joule und ist noch unentwickelt. Dazu gehören Gülle, Festmist, kommunaler Bioabfall und Stroh, aber auch zahlreiche Rückstände aus der Milchverarbeitung sowie die Papier- und Zellstoffproduktion. Wir wollen dazu beitragen, dieses Potenzial zu heben und sind im Gespräch mit diversen Anbietern und Projektentwicklern.

Welche Bedeutung hat Biogas für Shell? Jetzt und in Zukunft?
Wir betrachten Bio-Methan als einen wichtigen Hebel zur kurz- und mittelfristigen Dekarbonisierung des Strassenschwerverkehrs. Insofern ist es nur logisch, dass wir in diesem Bereich investieren – nicht nur in Deutschland. Beispielsweise führt Shell auch das Konsortium BioLNG EuroNet an, das unter anderem eine Bio-LNG-Anlage in Holland baut.

«Wir forschen und denken in fast alle Richtungen. Power-to-Gas gehört dazu.»


Shell setzt in Köln auf LNG für Nutzfahrzeuge. Wie sieht Ihre Strategie im Bereich CNG aus?

CNG ist an sich eine sehr gute und ausgereifte Technologie und eignet sich für Personenwagen und leichte beziehungsweise kleine Transportfahrzeuge. Allerdings tut sich CNG in Deutschland genauso wie in der Schweiz seit Jahren schwer am Markt. Diverse Automobilhersteller haben sich aus der Entwicklung und Produktion von CNG-Fahrzeugen zurückgezogen, sodass grosses Wachstum momentan schwer vorstellbar ist.

Shell betreibt knapp 20 CNG-Tankstellen in der Schweiz und rund 60 in Deutschland. Wie zufrieden sind Sie mit diesem doch recht grobmaschigen Netz? Ist ein Ausbau geplant?
Ich denke, wir sind mit dem CNG-Netz ordentlich für den Markt und unsere Kunden aufgestellt. Weiterer Ausbau in diesem Bereich ist momentan nicht geplant.

Sie haben angekündigt, die Netto-CO2-Bilanz ihrer Energieprodukte bis 2050 um die Hälfte zu reduzieren. Das klingt gut, aber wie wollen Sie das bewerkstelligen?
Die 50 Prozent, die Sie ansprechen, haben wir 2017 angekündigt, also zu einer Zeit, als die Gesellschaft darauf hinarbeitete, die Erderwärmung unter 2° Celsius zu halten. Shells Ziel ist es heute, mit einer Gesellschaft Schritt zu halten, die auf eine 1,5°-Celsius-Zukunft hinarbeitet. Mit dem Ziel, den Net-Carbon-Footprint um 65 Prozent bis 2050 zu reduzieren – verglichen zu 2016 –, verschärfen wir unsere globale Ambition für unseren Energie-Produktemix also nochmal um weitere 15 Prozent. In einem Zwischenschritt wollen wir bis 2035 eine Senkung um 30 Prozent erreichen. Das kann nur bedeuten, dass wir unser Portfolio umbauen. Wir müssen mehr Produkte mit geringerer Kohlenstoffintensität verkaufen wie erneuerbarer Strom, Biotreibstoffe und Wasserstoff. Dennoch wird die Gesellschaft weiterhin einige Energieprodukte brauchen, die auf absehbare Zeit Emissionen verursachen. Shell wird also weiterhin solche Energieprodukte verkaufen. Gleichzeitig wollen wir unseren Kunden aber dabei helfen, solche Emissionen auszugleichen. Zum Beispiel mit Hilfe von CO2-Zertifikaten, die Shell mit Investitionen in Projekte generiert, die CO2-Emissionen auffangen oder reduzieren – etwa durch den Schutz von Wäldern und Mooren.

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Auf der anderen Seite stehen Länder wie Deutschland und die Schweiz, die bis 2050 netto Null CO2-Emissionen anstreben. Wo steht ein Mineralöl-Konzern wie Shell in diesem Zielkonflikt?
Wir haben keinen Zielkonflikt. Im Gegenteil. Wir unterstützen Länder, die netto Null CO2-Emissionen früher erreichen wollen. Dabei basiert unsere Net-Zero-Emissions-Ambition für 2050 auf drei Standbeinen:
1. Den Net-Carbon-Footprint gegenüber 2016 um 65 Prozent zu reduzieren bis 2050 oder früher.
2. Dekarbonisierung unserer eigenen Treibhausgas-Emissionen aus unseren Operations bis 2050. Also Scope 1 und 2; wobei Scope 1 alle direkt durch Verbrennung verursachten Emissionen umfasst und Scope 2 die mit eingekaufter Energie verursachten Emissionen.
3. Wir helfen unseren Kunden, unvermeidbare Scope-3-Emissionen aus der Nutzung von Energie-Produkten zu vermindern, aufzufangen und zu speichern oder zu kompensieren.
Es gilt, alle drei Massnahmenpunkte zusammenzuführen, damit Sie auf unsere Net-Zero-Emissions-Ambition für 2050 einzahlen können.

Shell gilt als die Ölfirma mit der effizientesten Förderung. Kann man sagen, dass Sie das Geld, das Sie mit fossilen Treibstoffen jetzt verdienen, dazu einsetzen, genau davon wegzukommen?
Zunächst will ich festhalten: Wir sind keine Ölfirma. Wir verstehen uns als Energieunternehmen. Seit geraumer Zeit produzieren wir mindestens ebenso viel Gas wie Öl und sind dabei, ein bedeutendes Stromgeschäft aufzubauen und erweitern unser Portfolio um neue Energien wie Biotreibstoffe und Wasserstoff. Tatsache ist, neue CO2-arme oder CO2-freie Technologien brauchen Investitionen, mitunter noch viel Entwicklungsarbeit oder bedeuten selbst bei Marktreife am Anfang Zusatzausgaben für Unternehmen und für Verbraucher. Für uns von Shell heisst das, wir können uns nicht von der Gesellschaft abkoppeln: Wir müssen Produkte herstellen, die die Menschen brauchen und für die sie sich auch entscheiden.

Das bedeutet…
Dass wir dazu ein Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und Verbrauchern benötigen, die sich auf dem Weg nach vorne fortlaufend neu kalibrieren müssen. Das geht nur im Dialog, denn Veränderung lebt vom Mitmachen aller Beteiligten. Es braucht also auch Realismus und Pragmatismus, damit wirklich etwas in Bewegung kommt. Und wir brauchen Erfolg im grossen Stil. Das können neue, kleine Start-ups nicht alleine leisten. Das bedeutet, es gibt hier eine Rolle für grosse Unternehmen wie Shell mit finanzieller Stärke, Vernetzung mit der internationalen Wissenschaft und einer weltweiten Reichweite, um aktiv zu werden. Das erlaubt, Erfahrung und Wissen sowie neue Geschäftsideen und -modelle leichter zu transferieren und so auch wachsen zu lassen – in einem Massstab, der wirklich Wirkung im System zeigt.

«Eine grüne Wasserstoffproduktion von 800’000 Tonnen vermeidet rund 7 Megatonnen CO2-Emissionen pro Jahr.»

Shell hat schon vor Jahren in den Bereich Photovoltaik expandiert und forscht an Treibstoffen aus Biomasse. Ist auch Power-to-Gas ein Thema?
Wir forschen und denken in fast alle Richtungen. Power-to-Gas gehört dazu. Solche Konzepte sind allerdings nur emissionseinsparend, wenn Ökostrom benutzt wird. Grüner Wasserstoff ist im Grunde das «erste» Power-to-Gas-Produkt, das selbst schon ein breites Anwendungsfeld bietet und somit ein wichtiger Baustein für eine CO2-Neutralität in Europa darstellt. Für weitere Produkte, die auf dem grünen Wasserstoff aufbauen, muss noch einiges in Sachen Effizienz getan werden. Aus heutiger Sicher erscheint energetisch daher eine Anwendung über den grünen Wasserstoff hinaus nur in solchen Bereichen sinnvoll, die keine anderen Alternativen haben.

Shell plant vor der niederländischen Küste den Bau eines riesigen Windparks, der erneuerbaren Strom zur Herstellung von Wasserstoff liefern soll. Wie steht es um dieses Projekt?
«NortH2» wird das bisher grösste Green-Hydrogen-Projekt in Europa sein und soll eine Dekarbonisierung des Energiesystems erreichen, einschliesslich Industrie und Verkehr. Konkret geht es um die Realisierung von Offshore-Windparks zur Erzeugung von erneuerbarem Strom, Offshore-Energiespeicherung und Offshore-Wasserstoffproduktion, den Bau einer Wasserstoffanlage in Eemshaven zur Umwandlung von erneuerbarem Strom in Wasserstoff, die Realisierung von Wasserstoffspeichern für den Fall, dass der Wind nicht weht, und die Umrüstung der Gasunie-Infrastruktur, um den Wasserstoff zu Industriekunden in den Niederlanden und Nordwesteuropa zu transportieren. Ziel ist, bis 2030 etwa drei bis vier Gigawatt Windenergie für die Wasserstoffproduktion zu erzeugen, möglicherweise zehn Gigawatt um 2040. Grüne Wasserstoffproduktion von 800’000 Tonnen vermeidet rund 7 Megatonnen CO2-Emissionen pro Jahr. Wir brauchen dafür neben politischer Unterstützung aber auch weitere Partner, denn Energiewende ist letztlich ein Teamsport. Das Projekt beginnt mit einer Machbarkeitsstudie, die das Konsortium aus Gasunie, Groningen Seaports und Shell mit Unterstützung der Provinz Groningen voraussichtlich bis Ende dieses Jahres abschliessen wird.

«Es braucht also auch Realismus und Pragmatismus, damit wirklich etwas in Bewegung kommt.»

Zum Schluss eine persönliche Frage: Sie sind in der Schweiz aufgewachsen, leben in Deutschland und besitzen beide Staatsbürgerschaften. Was bedeuten Deutschland und die Schweiz für Sie?
Deutschland und Schweiz sind für mich gleichermassen so etwas wie Heimat, weil mich meine Familie mit beiden Ländern verbindet und die Kulturen mich sicherlich stark geprägt haben. Ich empfinde es als grosses Privileg, in zwei derart stabilen, wirtschaftlich starken und vorausschauenden Ländern meine Wurzeln zu haben. Ein ebenso grosses Privileg ist es, bei einem globalen, kraftvollen und zukunftsorientierten Unternehmen wie Shell zu arbeiten. Daraus erwächst auch eine Verantwortung. Diese Nationen und dieses Unternehmen, deren Teil ich bin, haben die Chance, eine nachhaltige Zukunft massgeblich zu gestalten und damit eine Kraft des Guten zu sein. Das ist sehr inspirierend. (jas/sco, 6. Juli 2020)

Shell -Ziegler
Shell ist bestrebt, auch die Lieferkette und somit seine ganzen Transporte möglichst klimafreundlich zu gestalten. Quelle: Shell

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