Portal für klimafreundlichere Mobilität
Die vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten von Biogas im Wärme-, Strom oder Mobilitätssektor – wie im Bespiel des Seat mit CNG-Antrieb des spanischen Energieversorgers Naturgy – machen es als erneuerbaren Energieträger besonders attraktiv. Quelle: Naturgy
Bioenergy Europe hat in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Biogasverband (EBA) den neusten «Biogas Report», der die neusten Trends und Zahlen bezüglich Verbrauch und Produktion von Biogas in Europa beleuchtet, veröffentlicht. Darin enthalten sind auch die wichtigsten legislativen Empfehlungen zur Förderung des Biogassektors als Schlüsselakteur bei der EU-Energiewende.
Denn nicht nur die vielseitige Nutzung des Biogases im Mobilitäts-, Wärme- oder Stromsektor selbst, sondern auch die anaerobe Vergärung bietet spannende Lösungen für die Abfallbewirtschaftung und reduziert die Methanemissionen aus Gülle, Deponien und bei der Abwasserentsorgung. Die Verwendung der Gärresten verringert sogar die Abhängigkeit von synthetischen Düngemitteln und verbessert die Bodenqualität. Durch die konsequentere Nutzung organischer Abfallströme wird die Kreislaufwirtschaft gefördert, was sich wieder im Wachstum des europäischen Biogassektors, insbesondere seit Anfang der 2010er-Jahre, niederschlägt.
In Can Mata, 40 Kilometer von Barcelona entfernt, liegt eine der grössten Mülldeponien Spaniens und hier steht auch eine der neusten, von Waga Energy, PreZero and Nedgia zusammen erstellten Biogasanlagen Europas. Quelle: PreZero/Naturgy
Im Jahr 2006 lag der Bruttoinlandsverbrauch von Biogas bei etwa 3000 Kilotonnen Öleinheiten oder rund 35 TWh während dieser Wert 2021 bereits auf 15’075 Kilotonnen Öleinheiten erreichte, was rund 175 TWh und somit einer fünffachen Steigerung entspricht. Andererseits hat gemäss der Daten von Eurostat im gleichen Zeitraum der Erdgasverbrauch von 359’123 auf 340’160 Kilotonnen Öleinheiten abgenommen, was die laufenden Bemühungen um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen innerhalb der EU verdeutlicht.
Mitten in Deutschland, in Burghaun bei Fulda, entsteht die zweitgrössten Verflüssigungsanlage für Bio- und synthetische Treibstoffe weltweit. Mit einem Klick auf den Plan/Bild gelangt man auf die interaktive Grafik mit Infos zu weiteren Details. Quelle: Reefuelery GmbH
Dieses beeindruckende Wachstum des Biogasverbrauchs in den letzten Jahrzehnten wurde durch günstige politischen Massnahmen beschleunigt, welche die Verwendung im EU-Energiemix gefördert haben. Zu diesen Massnahmen gehört auch der Aktionsplan «REPowerEU», der auch die Investitionsbereitschaft in die Branche erhöhte und damit die Biogasproduktion weiter vorantreibt. «Es ist wichtig, die Rolle aller Biomasse-Technologien bei der Verwirklichung einer CO2-armen Wirtschaft hervorzuheben», erklärt Jean-Marc Jossart, Generalsekretär von Bioenergy Europe. «Zu diesem Zweck müssen die politischen Entscheidungsträger der EU den angemessenen Rahmen schaffen und vor allem vermeiden, dass sie sich Möglichkeiten einer Dekarbonisierung verschliessen.»
Aktuell wird Biogas europaweit noch zu fast zwei Drittel für die Strom- und Wärmeerzeugung verwendet, lediglich ein Prozent des Biogases wird in Europa für die Mobilität genutzt. Giulia Laura Cancian, Generalsekretärin des Europäischen Biogasverbands, betont: «Um die Energiesicherheit der EU zu stärken und die Klimaschutzziele zu erreichen, sollte die Politik mehr denn je einen klaren Weg zur Verbreitung von Biogasen aufzeigen.» Denn egal, in welchem Sektor das Biogas am Ende Verwendung findet, es geht darum, möglichst viele fossile Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen und so dem ambitiösen Ziel Netto-Null bis 2050 gemeinsam und technologieoffen näher zu kommen.
Nordfuel-Projektingenieur Niklas Hense (rechts) erläutert Details zur neuen Anlage, für deren Bau zu Spitzenzeiten bis zu 100 Spezialisten auf Platz waren. Quelle: Nordfuel
Wie eine konkrete Umsetzung für eine bessere und effizientere Biogasproduktion aussehen kann, zeigen zwei aktuelle Beispiele: Im sogenannten «c-Port» am Küstenkanal im Norden Deutschlands entsteht bis im Herbst eine der grössten und modernsten Biogasanlagen mit einer Jahreskapazität von rund 7400 Nm³/h Biogas. «Nach etwa sechs Monaten werden wir 2024 diese Zielleistung erreichen», so Jan-Hendrik Friedrichs, Geschäftsführer der Nordfuel GmbH, die das Werk betreiben wird. «Die gesamte technische Architektur des Werkes setzt auf hocheffiziente Abläufe. So kommt eine vollautomatisierte ‹Fütterung› der Anlage mit Wirtschaftsdünger über zwei parallel arbeitende Kräne zum Einsatz und die Fermenter sind nach unserem Konzept gebaut, um mit einem reduzierten Energieeinsatz optimale Ergebnisse zu erzielen», ergänzt Simon Detscher, Geschäftsführer bei der Revis Bioenergy GmbH. In der Endausbaustufe soll die Biogasanlage etwa 690 GWh Biogas ins Netz einspeisen und Biogas, aber auch LBG/Bio-LNG für den Schwerlastverkehr liefern.
Die Biogasanlage im Parc de l’Alba in Cerdanyola del Valles bei Barcelona neben der Mülldeponie Elena. Quelle: PeZero/Naturgy
Und in Spanien ist letzten Monat auf einer von PreZero, einem führenden Anbieter von Abfallbehandlungs- und Umweltdienstleistungen, betriebenen Mülldeponie bei Barcelona eine neue Biogasanlage in Betrieb genommen worden. Das erzeugte Biogas wird über eine sechs Kilometer lange Pipeline direkt ins Gasnetz von Nedgia, dem Gasversorgungsunternehmen der Naturgy-Gruppe, eingespeist. Die von Waga Energy installierte Anlage wird erneuerbares Gas für 70 GWh pro Jahr produzieren, was dem Verbrauch von 14’000 Haushalten oder 200 Bussen entspricht, und den Ausstoss von 17’000 Tonnen CO2 pro Jahr vermeiden. Gonzalo Cañete, CEO von PreZero in Spanien und Portugal, freute sich bei der Eröffnung: «Dieses Projekt, bei dem Deponiegas in netzkonformes erneuerbares Gas umgewandelt wird, um Haushalte, Unternehmen und Fahrzeuge zu versorgen, ist ein Pionierprojekt in Spanien und wird zu einer internationalen Referenz für die Kreislaufwirtschaft werden.»
Francisco Reynés Massanet ist seit Februar 2018 Vorsitzende und CEO des Energieversorgers Naturgy und treibt die Biogasproduktion auf der iberischen Halbinsel voran. Quelle: Naturgy
Diese aktuellen Beispiele aus Europa demonstrieren eindrücklich, welch enormes Potential in der konsequenten Nutzung von Biomasse und Biogas steckt. In der Schweiz – einst eine Pionierin bei der Einspeisung von Biogas ins Netz – gilt es hier den Anschluss nicht zu verpassen und die inländische Biogasproduktion zu fördern und voranzutreiben. (pd/jas, 11. Juli 2023)