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Einer der 80 LKW mit CNG-Antrieb des englichen Detail- und Kleiderhändler Marks & Spencer. Quelle: Marks & Spencer
In der Schweiz hat die CNG-Mobilität selbst mit Biogas im Tank aktuell einen schweren Stand. Es gibt Unternehmen wie beispielsweise die Migros Ostschweiz, die für ihre Logistik trotzdem auf CNG-LKW von Iveco setzt, ebenso wie kleinere Spediteure wie die Santi-Trans aus dem thurgauischen Müllheim und die Salzmann AG Transporte im bernischen Worb. Dies, obwohl diese Lastwagen auch mit einem nachhaltigen Treibstoff, der sie nahezu CO2-neutral unterwegs sein lässt, nicht wie Elektro- oder Wasserstoff-LKW von der Vergünstigung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) profitieren.
In anderen Weltregionen dagegen wurde das enorme Potenzial und die Chance zur Dekarbonisierung, die in der Nutzung von Biogas auch für die Mobilität steckt, längst erkannt. In Grossbritannien hat der bekannte Detail- und Kleiderhändler Marks & Spencer gerade 80 Trucks mit CNG-Antrieb in Dienst gestellt und senkt so den CO2-Ausstoss seiner Logistik-Flotte massiv. In Brasilien sind es gar 100 CNG-LKW, welche für den Energieanbieter Gás Verde künftig unterwegs sein werden. CEO Marcel Jorand erklärt: «Biogas erweist sich als die beste Lösung für die Dekarbonisierung von Unternehmen und Flotten und erleichtert zudem die Reduzierung von CO2 nach Scope 3, also ausserhalb des Unternehmens in der Wertschöpfungskette.» Und das Nahverkehrsunternehmen DART der texanischen Stadt Dallas schafft sogar 476 Busse mit CNG-Antrieb an, um rechtzeitig für die Fifa-Weltmeisterschaft in den USA im nächsten Jahr die Besucherströme auf nachhaltige Weise zu den WM-Fussballspielen transportieren zu können.
Dank des CNG-Antriebs werden die Busse des Nahverkehrsunternehmens DART der texanischen Stadt Dallas klar nachhaltiger unterwegs sein. Quelle: DART
Doch eigentlich muss man gar nicht so weit schauen, um Beispiele für klimaneutrale Mobilität dank Biogas zu finden. Bei unserem nördlichen Nachbarland Deutschland werden nun nicht nur mehrere Hundert Lebensmittelgeschäfte mit einem CNG-Truck beliefert, sondern auch neue Tankstellen eröffnet, um diese nachhaltige Logistiklösung mit dem nötigen Biogas zu versorgen. Der Detailhändler Edeka stellt in den nächsten Monaten von herkömmlichen Diesel-LKW auf Biogas-Trucks um. Das neue Logistikzentrum in Marktredwitz im bayerischen Landkreis Wunsiedel – der Ort ist übrigens auch Standort einer modular aufgebauten Power-to-Gas-Anlage, die stufenweise vergrössert werden kann – macht den Anfang. Hier werden nun die ersten fünf LKW mit CNG-Antrieb in die Edeka-Flotte intergiert. Bis Ende 2025 sollen es bis zu 25 CNG-Fahrzeuge sein. In den nächsten fünf Jahren wird sogar die gesamte Logistikflotte von Edeka Nordbayern-Sachsen-Thüringen umgestellt, und Biogas sorgt dann für das nachhaltige Rückgrat der Logistik von nahezu 900 Lebensmitteläden.
Jürg Herzog, Country Head Smart Infrastructure Switzerland bei der Siemens Schweiz AG, erläutert das Projekt im bayrischen Wunsiedel. Quelle: CNG-Mobility.ch
«Wir haben den Einsatz aller alternativen Antriebe geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Biogas der nachhaltigste Antrieb für Edeka Nordbayern-Sachsen-Thüringen ist», erklärt der für Transportmanagement zuständige Bereichsleiter Alexander Tuks. Neben der Reichweite sprechen auch finanzielle Vorteile für Biogas. Die LKW sind nur schon in der Anschaffung deutlich günstiger als die Elektro-Varianten. Für Transportkunden, darunter neben Edeka auch DHL, Transgourmet oder Heidelberger Materials, baut deshalb der Energieanbieter OG Clean Fuels extra Betriebstankstellen und Kombinationen von halböffentlichen Tankstellen, an denen einzelne Zapfsäulen für die LKW reserviert sind, aber auch andere CNG-Fahrzeuge tanken können.
Ein Edeka-Chauffeur tankt verflüssigtes Biogas für seinen LKW mit LNG-Antrieb, denn auch so kann der Detailhändler Edeka seine CO2-Emmissionen massiv senken. Quelle: Iveco/Christian Schwier/Jonathan Fafengut
Übrigens wurde auch beim Erstellen der neuen Nachhaltigkeitsstrategie für die Edeka-Region Rhein-Ruhr nach alternativen Antrieben in der Logistik gesucht und kam ebenfalls zum Schluss, dass für den Standort Meckenheim Biogas die beste Lösung ist. Daher werden nun auch hier die ersten 24 LKW mit CNG-Antrieb in die Flotte aufgenommen: Das vor Ort ansässige Fleischverarbeitungs- und Edeka-Tochterunternehmen Rasting hat bereits heute fünf dieser CNG-Trucks im Einsatz und damit gute Erfahrungen gemacht. Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen nun alle 130 am Edeka-Standort eingesetzten Lastwagen auf CNG-Antrieb umgestellt werden. «Der Umstieg auf Biogas an unserem Standort Meckenheim ist für uns ein weiterer Schritt, um lokale CO2– sowie Feinstaub-Emissionen einzusparen und damit unseren ökologischen Fussabdruck zu verringern. Mit Biogas sind wir nahezu klimaneutral unterwegs», ordnet der Geschäftsführer Edeka Rhein-Ruhr, Peter Wagener, ein. Somit werden in naher Zukunft rund 700 Vollsortiment-Lebensmittelmärkte sowie über 250 Getränkemärkte klimaneutral mit Nachschub versorgt.
Ein CNG-Iveco von Transgourmet sichert sich an einer OG-Fuels-Tankstelle neues Biogas für die nahezu klimaneutral Weiterfahrt. Quelle: OG Fuels
Um die nötigen Mengen an Biogas und die Tankinfrastruktur bereitzustellen, arbeitet man hier auch mit OG Clean Fuels zusammen. Ab Sommer 2025 nimmt das niederländische Unternehmen, das mittlerweile in Deutschland ein flächendeckendes Netzwerk von rund 150 Biogas-Tankstellen betreibt (von denen ein grosser Teil auch auf die Betankung von LKW mit CNG-Antrieb ausgelegt ist), eine nichtöffentliche CNG-Tankstelle in Meckenheim in Betrieb. Der Einsatz von Biogas ist derzeit auch bei den beiden Zentrallagern in Oberhausen und Hamm in Prüfung. «Wir freuen uns, dass sich Edeka für uns als strategischen Partner bei der klimaschonenden Logistik entschieden hat», verrät Achim Wiedey, Vertriebsleiter Deutschland von OG Clean Fuels. Die Branchenerfahrung von OG, der nachhaltige Treibstoff sowie das flächendeckende Tankstellennetz seien dafür wichtige Grundlagen gewesen.
Verbio will mindestens 20 eigene Biogas/Bio-LNG-Tankstellen – wie diejenige im Bild in Meineweh – in ganz Deutschland bauen. Quelle: Verbio
Eigentlich erstaunlich, dass in Deutschland nun also extra die Tankstelleninfrastruktur ausbaut wird, um Spediteuren und Logistikern so Perspektiven für eine nachhaltige Logistik mit Biogas zu ermöglichen, während in der Schweiz in den letzten Jahren immer mehr CNG-Zapfsäulen verschwinden. Denn nicht nur die cleveren Niederländer von OG Clean Fuels bauen ihr Netzwerk aus, sondern beispielsweise auch der Biotreibstoff-Spezialist Verbio. Er erweitert sein Tankstellenetz unter anderem mit der Inbetriebnahme einer neuen Station für Biogas sowie dem hochkalten, verflüssigten Bio-LNG/LBG an der Autobahn A9 nahe Naumburg an der Saale. Speditionen und auch private CNG-Mobilisten können künftig somit in Meineweh klimaneutralen Treibstoff tanken. Mittlerweile sind bereits 18 Verbio-eigene Biogas-/Bio-LNG-Stationen in ganz Deutschland in Betrieb. Sechs weitere sollen in den nächsten Wochen und Monaten folgen.
Einer der Chauffeure eines neuen Biogas-LKW von Iveco auf dem Weg zu einem Einsatz für die Migros Ostschweiz. Quelle: CNG-Mobility.ch
In der Schweiz kletterte der Bestand der Fahrzeuge mit CNG-Antrieb bis 2017 nach oben und erreichte dann bis zum Ende des CNG-Neuwagenimports bei den Personenwagen 2022 immer rund 13’000 bis 14’000 Autos, LKW und Busse, die dank Biogas im Tank nahezu CO2-neutral von A nach B fuhren. Aktuell sind noch rund 11’400 CNG-Fahrzeuge auf Schweizer Strassen unterwegs. Und diese erhalten inzwischen ihr CNG oder Biogas statt an über 150 CNG-Tankstellen nurmehr an 127 Tankstellen. In einigen Regionen glauben die Tankstellenbetreiber zudem leider nicht mehr an die CNG-Mobilität – auch nicht im Schwerverkehrsbereich, obwohl hier die Optionen und die Infrastruktur für einen Umstieg auf H2 oder Strom noch nicht so weit sind. In den letzten vier Jahren wurden in der Schweiz noch 166 LKW mit CNG-Antrieb zugelassen. Sie werden somit noch etwa acht bis zehn Jahre täglich für ihre Spedition oder Unternehmen unterwegs sein.
Imposant: Alle neuen Lastwagen und Sattelschlepper mit CNG-Antrieb der Migros Ostschweiz feinsäuberlich aufgereiht fürs offizielle Foto. Quelle: Migros Ostschweiz
Hinzu kommen weitere 555 leichte Nutzfahrzeuge wie Fiat Ducato, Iveco Daily oder Piaggio Porter, die für Gemeinden oder das Gewerbe unterwegs und auf die entsprechende Tankinfrastruktur angewiesen sind. Für sie alle werden durch das schleichende Ausdünnen der Tankinfrastruktur hierzulande Tools wie der Tankstellenfinder oder auch der Routenplaner des Wissensportal CNG-Mobility immer wichtiger. Diese berücksichtigen tagesaktuell auch Defekte und Wartungsarbeiten an CNG-Tankstellen für die Infos zu den Tankmöglichkeiten, damit alle CNG-Fahrenden ihre Form der nachhaltigen Mobilität weiterhin bestmöglich nutzen können. Aber insgesamt scheint man in der Schweiz lieber zuzuwarten, bis die Logistik mit Wasserstoff- oder Elektro-Fahrzeugen soweit ist, statt bereits heute und sofort mit Biogas-Fahrzeugen eine Verringerung der CO2-Emissionen zu erreichen – eine vertane Chance, vor allem wenn man es mit der Entwicklung im europäischen Umland vergleicht. (jas, 05. März 2025)