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Die Arabern ist nicht nur eine der grössten Abwasserreinigungsanlage der Schweiz, sondern auch ein regionaler Energie-Hub. Quelle: Arabern
Die Arabern liegt gleich bei der Neubrügg, der gedeckten Holzbrücke aus dem 16. Jahrhundert, und in einer malerischen Flussschlaufe der Aare. Sie ist eine der grössten Abwasserreinigungsanlagen der Schweiz. Ihren Betrieb nahm sie 1967 auf, wurde laufend ausgebaut und erweitert – beispielsweise 2008 durch eine erste Biogasanlage. Heute ist sie eine der bedeutendsten Biogasproduzent der Region. Mit ihren 32 Mitarbeitenden kümmert sie sich neben dem Kerngeschäft, der Abwasserreinigung, auch um eine umfassende Biomasseverwertung. So nutzt die Arabern vor Ort Synergien und sorgt für eine nachhaltige Siedlungshygiene und eine intakte Umwelt.
Die Ara Region Bern AG ist zu einem regelrechten Energie-Hub geworden. Neben dem Kerngeschäft der Abwasserreinigung produziert das Unternehmen heute auch erneuerbare Energie. Wie kam es dazu?
Adrian Schuler, Geschäftsführer der Arabern: Der Klärschlamm aus der Kläranlage wird in Faultürmen vergärt. Bei der Vergärung entsteht Biogas – also ein Gemisch von Methan, CO2 und weiteren gasförmigen Stoffen. Die Vergärung ist nichts Neues, sondern der Natur abgeschaut und wird in vielen Kläranlagen angewendet. Das Biogas kann direkt als Energieträger verwendet werden oder wird zu Biomethan aufbereitet ins Gasnetz abgegeben dabei werden die unerwünschten Gase wie CO2 vom Methan abgeschieden.
Adrian Schuler, Geschäftsführer der Arabern, erläutert Besuchern Details zur Biomassenaufbereitung. Quelle: CNG-Mobility.ch
Sie betreiben eine Annahmestelle für biogene Abfälle, wie viele Biomasse verarbeitet die Arabern täglich?
Rund 200 Tonnen werden täglich verarbeitet.
Was passiert damit genau?
Die Herkunft der Biomasse ist stark unterschiedlich und ebenso deren Verarbeitung. Die neue Anlage, welche seit 2020 in Betrieb ist, erledigt hauptsächlich die Entpackung von nicht mehr geniessbaren Lebensmitteln. Ebenfalls werden aber auch flüssige biogene Abfälle wie zum Beispiel Fettabscheider-Schlämme aus Grossküchen angenommen.
Die moderne Anlage ist in der Lage auch Verpackungsmaterialien sauber von den biogenen Reststoffen zu trennen und dadurch gute Voraussetzungen für die Weiterverarbeitung in den Faultürmen zu schaffen. Quelle: CNG-Mobility.ch
Müssen Sie die organischen Reststoffe, die angeliefert werden, zuerst sorgfältig sortieren oder was passiert beispielsweise mit Plastik und anderen Verunreinigungen, die in Grüntonnen landen?
Die Verpackungen werden durch die neue Anlagentechnik sehr sauber von den organischen Anteilen abgetrennt. Die aussortierten Verpackungen werden zur nahegelegenen KVA transportiert und dort thermisch verwertet. Die Grüntonnen aus den Haushalten gelangen übrigens nicht zur Arabern. Dieses Material eignet sich besser zur Kompostierung als zur Vergärung. Hauptsächlich sind es daher die Sammelbehälter von Gastrobetrieben, welche ihre Rüstabfälle und Tellerrückläufe zu uns in die Vergärung bringen. Diese Anteile enthalten aber in der Regel sowieso sehr wenig Störstoffe. Entpackt werden die Retouren von Grossverteilern. Nicht mehr Geniessbares muss entsorgt werden. Dies alles händisch auszupacken wäre kaum machbar. Dies erledigen unsere Anlagen zum Glück sehr zuverlässig.
Wie wird aus der Biomasse nachhaltige Energie und auf was gilt es bei diesem Prozess besonders zu achten?
Die aufbereitete Biomasse gelangt zusammen mit dem Klärschlamm aus der Abwasserreinigung in die Faultürme. Rund zwanzig Tage wird die gesamte Masse bei konstant 38°C vergärt. Mikroorganismen wandeln dabei die kohlenstoffreiche Nahrung in Methangas und CO2 (Biogas) um.
Einer der insgesamt 32 Mitarbeitenden überprüft die Hammermühle, ob allenfalls Fremdmaterial die korrekte Weiterverarbeitung der Biomasse behindern könnte. Quelle: CNG-Mobility.ch
Wie viel Biogas kann die Arabern produzieren und was passiert damit?
Rund acht Millionen Kubikmeter. Dies entspricht – aufbereitet als Biomethan – einer Energiemenge von rund 50 Gigawattstunden. Mit diesem Gas verwendet als Treibstoff könnten rund 7000 Fahrzeuge pro Jahr 15’000 Kilometer weit fahren.
Lässt sich dies weiter skalieren und kann damit ein Beitrag zur aktuell kritisch beäugten Energiesicherheit geleistet werden?
Die Menge lässt sich steigern bis zu einem technischen Limit der Anlage. Jedoch kann in die Vergärungsanlagen einer ARA nicht beliebiges, biogenes Material «gefuttert» werden. Holzige Bestandteile, wie zum Beispiel Lebensmittelschalen aus Palmblättern, können nicht vergärt werden. Gute sogenannte Substrate also energiereiche, leicht vergärbare Abfälle sind nicht in grossen Mengen verfügbar und schliesslich brauchen wir den grössten Teil des Volumens der Faultürme natürlich für die Vergärung des Klärschlammes.
Die imposante Anlage der Arabern ist in der Lage, täglich rund 200 Tonnen Biomasse zu verarbeitet. Quelle: CNG-Mobility.ch
Dem Biogas wird rund ein Drittel des CO2 entnommen, bevor es als Biomethan in das Gasnetz eingespeist wird, was passiert bei der Arabern damit?
Das abgeschiedene bereits sehr reine CO2 übernimmt die Firma Neustark. Ziel von Neustark ist es, das CO2 für immer aus der Atmosphäre zu entnehmen. Ein sehr erfolgreicher Ansatz ist dabei die Carbonatisierung von Betongranulat. Bei der Carbonatisierung wird CO2 in Kalziumkarbonat umgewandelt – also in Kalkstein und bleibt so dauerhaft im Gestein drin und kommt nicht mehr in die Atmosphäre.
Was sind die Vorteile dieses Verfahrens und wie hat sich die Zusammenarbeit mit dem Start-up Neustark entwickelt?
Das Verfahren – also die Umwandlung zu Kalkstein – funktioniert recht schnell und braucht keine zusätzliche Energie. Der neue Beton, welcher mit diesem Betongranulat hergestellt wird, braucht zudem weniger Zement, um trotzdem dieselbe Festigkeit zu erzielen. Der Minderverbrauch an Zement wirkt sich also zusätzlich positiv auf die Ökobilanz des Betons aus.
Hier wird gerade eine weitere Ladung an CO2 für das Start-up «Neustark» abgefüllt, dass danach übrigens mit einem Biogas-LKW der Salzmann AG Transporte nahezu CO2-neutral zu seinem Bestimmungsort transportiert wird. Quelle: CNG-Mobility.ch
Wenn die regionale Biogasproduktion in Bern so gut funktioniert, wieso wird der Prozess dann nicht viel öfters angewendet – sind die Rahmenbedingungen andernorts zu komplex?
Der Prozess ist in sehr vielen Kläranlagen nicht nur in der Schweiz bereits etabliert. Viele Anlagen brauchen ihr Biogas selbst, um Strom und Wärme für den eigenen Bedarf zu produzieren. Für die Arabern hat sich die Aufbereitung und die Einspeisung des Biomethans als idealer herausgestellt, da die Wärmeenergie als Abwärme von der nahe gelegenen KVA Forsthaus bezogen werden kann. Beide Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile.
Adrian Schuler, Geschäftsführer der Arabern, hat sein Unternehmen zu einem Hub für erneuerbare Energie weiterentwickelt. Quelle: CNG-Mobility.ch
Gibt es in Bern Ausbaupläne oder was sind die nächsten Schritte auf dem Weg hin zur ‹Netto Null›-Strategie?
Wir haben unseren Betrieb in den vergangenen Jahren die bestehenden Anlagen laufend optimiert und auf Effizienz getrimmt. Abwasser zu reinigen, ist immer auch mit einem Energieeinsatz gekoppelt. Künftig werden die Anforderungen an die Qualität des gereinigten Abwassers zunehmen. Neue Reinigungsstufen brauchen auch wieder Energie. Bereits in der Planung stellen wir viele Überlegungen bezüglich Energieeffizienz an. Letztendlich bleibt aber immer ein grosser Energiebedarf. Hier setzen wir konsequent auf den Einkauf von möglichst ökologischer Energie wie Schweizer Wasserstrom und die Nutzung von Abwärme. Unsere Gebäude rüsten wir mit Photovoltaik-Anlagen aus, sofern dies technisch möglich ist. Die gesamte Photovoltaik-Produktion auf dem Gelände könnte jetzt schon den Bedarf von rund 70 Einfamilienhäusern decken – leider ist dies aber nur der Bruchteil unseres Bedarfs. (jas, 27. September 2022)
Die Arabern liefert nicht nur sauberes Wasser und Biogas, sondern dank einer Photovoltaikanlage auch grünen Strom. Quelle: CNG-Mobility.ch