Portal für klimafreundlichere Mobilität

CNG-Mobility.ch
 
 

Auch Tesla-Boss nutzt Gas für Schub

Erneuerbare Gase sind entscheidend für die Energiewende: Dies zeigte auch der dritte Power-to-Gas-Kongress Schweiz eindrücklich auf. In welche Richtung und mit welcher Strategie es bei Biogas, grünem Wasserstoff oder auch Ammoniak weitergehen soll, ist aber – zumindest in der Schweiz – noch offen.

BFE-Fachspezialist Markus Bareit zeigte den aktuellen Stand der Bemühungen in der Schweiz beim Thema Wasserstoff auf. Quelle: CNG-Mobility.ch

Beim gut besuchten dritten Power-to-Gas-Kongress in der Umwelt-Arena Spreitenbach AG wurde rasch klar: Es braucht erneuerbare Energie, wenn man die ambitionierten Ziele der Politiker in der Schweiz, aber auch der EU erreichen will. Und das Bewusstsein ist gestiegen, dass man, um die Energiewende zu schaffen, nicht nur auf Elektronen, sondern auch auf gasförmige und flüssige Moleküle setzen muss, solange sie einen erneuerbaren Ursprung haben. «Netto-Null ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Es geht dabei nicht um Bund oder Branche, sondern alle zusammen müssen daran arbeiten», erklärte BFE-Fachspezialist Markus Bareit. «Wir müssen die Produktion der Erneuerbaren massiv erhöhen, in alle Sektoren bringen und wir brauchen eine Sektorkopplung. Es braucht nicht nur E-Autos oder Wärmepumpen, sondern auch Power-to-Gas-Technologie.»

Thomas Peyer, Geschäftsführer Swisspower Green Gas AG, forderte die Teilnehmenden dazu auf, nicht nur an den Wasserstoff zu denken. Quelle: CNG-Mobility.ch

Bareit bezeichnete dabei Wasserstoff (H2) als besonders interessant, da jener die Ausgangsbasis für viele Energieträger bilde, wie Methan (CH4) oder auch Ammoniak (NH3). Wasserstoff sei vielseitig anwendbar und so etwas wie das Schweizer Taschenmesser der Energietransformation. Der BFE-Experte merkte aber auch an: «Es gibt auch günstigere, sicherere Tools.» Trotzdem müssten bis 2035 die Wasserstoffproduktion vorangetrieben, Wasserstoff-Cluster bei Produktionsanlagen geschaffen und internationale Verhandlungen betreffend der Transitleitung geführt sowie die Speicherfragen geklärt werden. Viel zu tun für ein Land wie die Schweiz, das noch nicht einmal eine Wasserstoff-Strategie hat. Doch ist Bareit zuversichtlich, da das Sounding Board zur Wasserstoff-Strategie etwa 40 Verbände und Firmen umfasse, breit abgestützt sei und gut vorankomme.

Norbert Rücker, Head of Economics & Next Generation Research bei der Bank Julius Bär, erläuterte die Energiewende aus Sicht der Investoren. Quelle: CNG-Mobility.ch

Aus einer recht nüchternen Perspektive näherte sich dann Norbert Rücker, Head of Economics & Next Generation Research bei der Bank Julius Bär, dem Thema: «Mein Fokus sind die Bewegungen an den Märkten. Strukturwandel bedeutet: einige Firmen verlieren, einige gewinnen. Dahinter steckt Geld, und das interessiert uns.» Es sei enorm schwierig, über Kosten zu Wasserstoff und Wasserstoff-Pipelines zu spekulieren, da es immer günstiger sein werde, Strom nach Europa zu bringen. Rücker sieht jedoch Ammoniak als Option, da dieser ähnlich wie LNG transportiert werden könne, was günstiger und sicherer als H2-Transport sei. Rücker ergänzte: «Dank der Gaskraftwerke und Gaspipelines haben wir zudem eine grosse Resilienz im Energiesystem. Aber es braucht eine pragmatischere Netto-Null-Sicht: Ein komplettes Netto-Null-Energiesystem wird viel zu teuer.»

Ennio Sinigaglia (Direktor Transitgas AG), Norbert Rücker (Head of Economics & Next Generation Research bei der Bank Julius Bär), Daniela Decurtins (Direktorin beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie), Jürg Herzog (Country Head Smart Infrastructure Switzerland bei der Siemens Schweiz AG), Markus Bareit (BFE-Fachspezialist) und Thomas Peyer (Geschäftsführer Swisspower Green Gas AG) am dritten Power-to-Gas-Kongress in der Umwelt-Arena Spreitenbach AG (v.l.n.r.). Quelle: CNG-Mobility.ch

Daniela Decurtins, Direktorin beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie, zeigte dann im Gespräch mit Philipp Steinberg, Abteilungsleiter Wirtschaftsstabilisierung und Energiesicherheit im Deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, auf, wie wichtig eine nationale Wasserstoff-Strategie ist. «Deutschland braucht 90 bis 130 Terrawatt Wasserstoff 2030. Wir sind daran, das Kernnetz aufgrund von geografischen und industriellen Bedarfskriterien zu erstellen», so Steinberg. «Das Ziel muss der grüne Wasserstoff sein, aber in der Übergangsphase sollen auch andere Farben des H2 vorangetrieben werden.» So wolle man die Grundlage der Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie schaffen und mehr Wasserstoff produzieren, um H2 bezahlbar zu machen. Der Wasserstoffexperte ergänzte: «Die regulatorischen Rahmenbedingungen müssen stimmen, sowohl auf der Nachfrage- als auch der Produktionsseite, um eine Investitionssicherheit und die Energietransformation sicherzustellen.» Steinberg erklärte, dass man jedoch nicht nur erneuerbare Gase brauche, sondern auch die Energieeffizienz erhöhen müsse.

Quelle: Gazenergie

Als Daniela Decurtins ihn auf die aktuellen H2-Importkorridore ansprach, die um die Schweiz herumführen, erklärte er, dass beim European Hydrogen Backbone die Anbindung der Schweiz zwar erst für 2040 vorgesehen sei, «das ist zwar später, aber der Zug ist noch nicht abgefahren.» Auf Tipps für eine eigene Schweizer H2-Strategie angesprochen, erläuterte Steinberg: «Der regulatorische Rahmen ist wichtig, aber auch Förderung und Inputs der Industrie. Daraus gilt es eine fokussierte, handlungsorientierte Strategie zu erstellen.» Decurtins ergänzte: «Die Komplexität des Energiesektors steigt. Wenn wir Szenarien bilden, müssen wir bei der Netzplanung auch H2, aber auch CH4– sowie CO2-Netze mitdenken».

Jürg Herzog, Country Head Smart Infrastructure Switzerland bei der Siemens Schweiz AG, erläutert das Projekt im bayrischen Wunsiedel. Quelle: CNG-Mobility.ch

Ein interessantes umgesetztes Projekt stellte Jürg Herzog, Country Head Smart Infrastructure Switzerland bei der Siemens Schweiz AG, vor: Eine modular aufgebaute Power-to-Gas-Anlage im bayrischen Wunsiedel, die stufenweise vergrössert werden kann. «Pro Stunde können wir 165 Kilo grünen Wasserstoff herstellen.» Zudem habe man die Sektorkopplung mitgedacht samt Nutzung von Biomasse, Wind- und Solarenergie. «Grundsätzlich läuft die Anlage sehr zuverlässig. Aufgrund der neuen Rahmenbedingungen und Gesetzesänderungen durch den Ukrainekrieg wurde die Wasserstoffherstellung aber defizitär, daher waren wir gezwungen, sie von Januar bis Juni zu sistieren.»

Thomas Peyer, Geschäftsführer Swisspower Green Gas AG, förderte zum Handeln auf: «Machen ist wie wollen, nur etwas krasser!» Quelle: CNG-Mobility.ch

Thomas Peyer, Geschäftsführer Swisspower Green Gas AG, sprach die Wirtschaftlichkeit der grünen H2-Produktion ebenfalls an: «Ohne Business Case passiert bei Power-to-Gas-Anlagen nichts!» Es brauche eine Anschubfinanzierung, und die Strombereitstellung müsse national geregelt sein. «Wir müssen auch das Netz anpassen und einiges an Kupfer nachschiessen, wenn nicht mehr an einem Ort, sondern dezentral Energie eingespeist werden muss», erläuterte Peyer. Die Sektorkopplung gehöre daher zwingend in die politische Debatte. «Wir müssen alle Gase, Biogas sowie Derivate davon einsetzen und sollten nicht nur an den Wasserstoff denken. Mir gefiel das umgesetzte Beispiel von Siemens in Deutschland sehr gut, da sie etwas machen. Machen ist wie wollen, nur etwas krasser!» Ob man am Schluss Ammoniak oder Methanol nutze, sei sekundär. Wichtig sei, dass es erneuerbare Gase seien. «Erneuerbare Gase aus dem In- und Ausland sind nicht nur ein Teil der Lösung, sondern einer der Schlüsselfaktoren in der Energiewende und bei der Erreichung des Klimaziels», ist sich Peyer sicher. «Auch die Verflüssigung von Biogas wird dabei zunehmend zum Thema, damit wir das Biogas auch in Regionen bringen könne, wo es heute noch kein Netz gibt.»

Das Unternehmen Alphasynt hat zusammen mit dem PSI ein Verfahren zum CO2-Upcycling entwickelt und nun kommerzialisiert. Quelle: CNG-Mobility.ch

Dass man für zukunftsträchtige Projekte im Bereich der erneuerbaren Gase nicht zwingend ins Ausland gehen müsste, verdeutlichten danach Andreas Aeschimann und Tilman Schildhauer, die «GanyMeth» vorstellten. Dabei kommt ein am Paul-Scherrer-Institut entwickeltes Verfahren der direkten Methanisierung zum Einsatz, bei dem das CO2 bei der Biomethan-Herstellung nicht mehr abgetrennt werden muss, sondern zusammen mit dem Biogas in einem Wirbelschichtreaktor mit Wasserstoff versetzt wird. «Wir haben nun eine Hochskalierung vorgenommen und können Industriepartnern die Sicherheit geben, dass man diese Technologie umsetzen kann», so Aeschimann. «Eine unserer Anlagen kann den Gasbedarf von 40 bis 80 LKW decken. Das Ziel ist eine Biomethanproduktion in grossen Massstab. Und mit überschüssigem Strom kann natürlich über Elektrolyse weiteres H2 hergestellt werden», führte er aus. Und Gauthier Corbat, Geschäftsführer von H2Bois, zeigte im Anschluss, wie man im Jura Altholz und weitere Nebenprodukte der Pelletproduktion nutzen kann, um mittels eines Thermolyse-/Pyrolyse-Prozesses grünen Wasserstoff zu gewinnen. «Im Gegensatz zu einer Verbrennung des Holzes wird bei der H2-Produktion das im Holz gespeicherte CO2 nicht wieder an die Atmosphäre freigegeben», rechnet der Jurassier vor «Das heisst: Die Produktion eines Kilo H2 sorgt für eine CO2-Reduktion von zwölf Kilo.»

Gauthier Corbat, Geschäftsführer von H2Bois, erläutert, wie er im Wallis aus Holz grünen Wasserstoff gewinnen will. Quelle: CNG-Mobility.ch

In der anschliessenden Podiumsdiskussion erklärte dann Andreas Kunz: «Wasserstoff wird Erdgas nicht eins zu eins ersetzen können, und Biomasse für Biogas ist ein rares Gut. Wenn H2 eine wichtige Rolle spielen soll, dann braucht es dafür ein klar geregeltes Leitungstransportsystem.» Für den Leiter Energie-Anlagen bei der Energie 360° AG ist klar, dass der internationale Biogashandel und eine Anrechenbarkeit kommen müssen. «Wir müssen technologieoffen sein, da wir schlicht noch nicht wissen, welche Lösung, die richtige sein wird. Und wir müssen schnell sein, um dann auf H2, Biomethan oder synthetische Gase setzen, wenn Klarheit herrscht.» GLP-Nationalrat Martin Bäumle erwiderte: «Wir müssen die Power-to-X-Technologie vorantreiben, aber offen lassen, was das Endprodukt ist.» Bern schlafe diesbezüglich nicht. Man sei jedoch noch beim H2 und Biogas, aber nicht bei allen erneuerbaren Energien dabei. «Beim neuen Mantelerlass sind wir nun auf gutem Weg, bei der Energieeffizienz – von der viel zu wenig gesprochen wird – sind wir aber noch nicht da, wo wir hin sollten.» Ohne internationale Zusammenarbeit, nicht nur für Energiesicherheit, sondern auch aus ökonomischen Gründen, seien die Zukunftsaussichten jedoch düster.

Der Schweizer Astronaut Claude Nicollier erläuterte den Weg der Raum- und Luftfahrt zu Netto-Null auf. Quelle: CNG-Mobility.ch

Zum Abschluss des Power-to-Gas-Kongresses Schweiz blickte dann Claude Nicollier, der erste bislang einzige Schweizer im Weltall, noch etwas weiter in die Zukunft. Der Westschweizer, der in vier Space-Shuttle-Missionen mitflog, erläuterte, wie man in der Luftfahrt das Ziel Netto-Null bis 2050 angeht. «Es wird heute schon sogenanntes SAF – kurz für Sustainable Aviation Fuel – eingesetzt, aber erst in kleinen Mengen. Und es gibt bereits viele Kleinflugzeuge mit Elektroantrieb. Die Reichweite ist zwar recht gering, aber für die Flugausbildung ist das durchaus eine Option», so der 79-Jährige. «Für die Verbrennung in einem Strahltriebwerk ist aber grüner Wasserstoff statt Kerosin definitiv eine spannende Option.» Da die H2-Tanks in Flugzeugen enorme Grössen haben müssten, könnte eine neuartige Flügel-Rumpf-Architektur der Jets dabei helfen.

Claude Nicollier sprach über die Energiequellen der nahen Zukunft und ihren Nachhaltigkeitsaspekt. Quelle: CNG-Mobility.ch

«Ich denke, in den 2030er-Jahren werden wir dann in diesen Bereich kommen», so Nicollier. Er sei sich aber nicht sicher, ob man in der Luft- und Raumfahrt künftig auf Wasserstoff setzen werden, und verrät: «Tesla-Gründer Elon Musk hatte zum einen die Idee, die einzelnen Stufen der Raketen wieder zu nutzen. Space X macht das nun schon regelmässig. Zum anderen nutzt er für den Antrieb CH4 und flüssigen Sauerstoff – ebenfalls eine spannende Sache.» Denn so werde Musk es vielleicht dereinst zum Mars schaffen und dort aus der methanreichen Mars-Atmosphäre gleich den Treibstoff für den Rück- oder Weiterflug gewinnen. Und somit scheint sogar der Elektroauto-Pionier für einmal auf grünes Methan statt Strom zu setzen, um genügend Schub zu haben… (pd/jas, 12. September 2023)

Auch zum Netzwerken bietet sich der Power-to-Gas Kongress Schweiz an, der übrigens am 3. September 2024  wieder stattfinden soll. Quelle: CNG-Mobility.ch

Das könnte Sie auch interessieren

Klimafreundlichere Mobilität:
Dank unserem LinkedIn-Profil bleiben Sie am Ball!