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«Die Attraktivität von Biogas weiter erhöhen»

Wie wird das Verständnis für alternative Antriebe wie CNG geschaffen? Licia Balboni, Präsidentin des italienischen Verbands der Händler und Transporteure von Erdgas Federmetano, gibt im zweiten Teil des Interviews Einblicke. Dabei spricht sie auch über die Kursänderung von VW, über Lobbyarbeit und wie eine erfolgreiche Strategie zur Förderung von CNG und Biogas aussieht.


Mit dem Projekt «Biomethan, von der Erde für die Erde» will Federmetano die Verwendung von Biogas fördern. Quelle: Federmetano

In Sachen CNG-Antrieb belegt Italien eine Spitzenposition: Mehr als die Hälfte der 2019 europaweit in Verkehr gesetzten CNG-Fahrzeuge wurden in unserem südlichen Nachbarland registriert. Dass die alternative Antriebstechnologie von der italienischen Bevölkerung als effiziente Lösung wahrgenommen wird, hat unter anderem mit der langen Tradition von CNG als Treibstoff zu tun. Federmetano, der italienische Verband der Händler und Transporteure von Erdgas, setzt sich seit 1948 unter anderem dafür ein, das Bewusstsein der Konsumenten für die Vorteile der Nutzung von Erdgas zu stärken. Lesen Sie dazu auch den ersten Teil des Interviews: «Ein umweltfreundliches Fahrzeug zu tragbaren Kosten». Im zweiten Teil erklärt Federmetano-Präsidentin Licia Balboni, wie sie die Zurückhaltung von VW und FCA gegenüber CNG einschätzt, welche Herausforderungen sich für die CNG-Mobilität stellen und was sie der Schweiz empfiehlt, um das Verständnis für CNG hierzulande zu fördern.

Frau Balboni, der VW-Konzern hat angekündigt, dass er in Zukunft keine CNG-Fahrzeuge mehr entwickeln will. Vonseiten der Fiat Chrysler Automobiles (FCA) gibt es zum Thema CNG seit Langem keine Neuigkeiten mehr. Bereitet Ihnen diese Zurückhaltung Sorge?
Licia Balboni, Präsidentin Federmetano: Zur jüngst eingeschlagenen Kursänderung beim VW-Konzern, der sich in den letzten Jahren als wertvoller Befürworter von Biogas erwiesen hat, gilt es, einige Erwägungen anzustellen. Diese liefern eher Grund zu Überlegungen als zur Sorge. Auch wenn sich Volkswagen – wie aus einigen Medienberichten hervorzugehen scheint – sich zum Ziel gesetzt hat, ab 2040 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zu verkaufen, müssen diesbezüglich Anmerkungen gemacht werden: Dieses Ziel ist aus produktionslogischer Sicht nur über eine Reihe von Zwischenstufen erreichbar, was die Versorgung des Marktes mit CNG-Fahrzeugen auf jeden Fall noch für einige Jahre erlaubt. Hinzu kommt die Nachricht, dass der deutsche Konzern eine neue Generation von erdgasbetriebenen Fahrzeugen anbieten möchte. Die Entscheidungen von Volkswagen werden im Wesentlichen aber vom Markt bestimmt.

Was meinen Sie damit?
Es ist der Umsatz, der die künftigen Investitionen des VW-Konzerns beeinflussen wird. Letzterer muss zwangsläufig ansteigen und bis 2025 mindestens 5 Prozent des zugelassenen Fahrzeugbestands erreichen. Wir werden unsererseits alles daransetzen, um die Attraktivität von Biogas als Treibstoffalternative weiter zu erhöhen. Dies geschieht durch die Entwicklung der Selbstbedienungssäulen an den italienischen Tankstellen sowie die Bemühungen zur Erleichterung der Gastankprüfverfahren. Und zwar ohne damit das in Italien erreichte, hohe Sicherheitsniveau von null Vorfällen zu gefährden! Welche Industriepolitik die FCA verfolgt, ist uns hingegen nicht bekannt. Die Gruppe scheint sich aus dem Segment zurückzuziehen. Obwohl FCA das Erstausrüstergeschäft im Erdgasbereich massgeblich von ihr entwickelt wurde, wird es heute scheinbar nicht mehr weiter vorangetrieben. Natürlich bereitet uns das einige Sorgen. Sämtliche Entwicklungsanstrengungen der Branche würden bei einem Ausstieg der Erstausrüster unverzüglich hinfällig.

«Aufgrund der spezifischen Gegebenheiten der Regionen bietet sich CNG und Biogas mitunter als einzige alternative Mobilitätslösung an»

Federmetano beabsichtigt, die CNG-Mobilität im Personenwagen-Bereich weiter voranzutreiben. Wie nimmt der Verband Einfluss auf die Politik? Wie sieht Ihre Lobbyarbeit aus?
Die Methan-Lobby ist nicht so stark und einflussreich, wie sie sein müsste. Aus meiner Sicht liegt das an der fragmentierten Kompetenzstruktur. Zudem mangelt es an kritischer Masse und wirtschaftlichen Möglichkeiten. Der Branche fehlt ein geschlossener Auftritt, um ihre Forderungen mit einer gemeinsamen Stimme zu erheben. Daran muss definitiv noch gearbeitet werden. Wir betreiben daher weniger Lobbyarbeit, sondern suchen vielmehr den Dialog mit der Politik und den übrigen Akteuren des Erdgastreibstoffsektors. Ferner sind wir im ständigen Austausch mit den Institutionen, den zentralen Regierungsbehörden und den zuständigen Ministerien wie MIT, MiSE, Min Interno und Minambiente.

Reicht das schon?
Nein, seit Kurzem arbeiten wir daher mit den regionalen Ämtern zusammen, die in Sachen Mobilität viel in Bewegung setzen können. Aufgrund der spezifischen Gegebenheiten der einzelnen Regionen bietet sich CNG und Biogas mitunter als einzige alternative Mobilitätslösung an, vor allem bezüglich Bevölkerungsverteilung und Topografie unserer Halbinsel. Alles in allem setzen wir auf einen konstruktiven Ansatz zur Vermittlung einer Zukunftsvision, die Zusammenarbeit und geteilte Verantwortung ins Zentrum stellt und die ganzen Wertschöpfungskette mit insgesamt 20’000 Beschäftigten und 1,7 Milliarden Euro Umsatz umfasst.

Balboni - Federmentano

Mit welchen Herausforderungen sieht sich Federmetano derzeit im Rahmen der CNG-Mobilität konfrontiert?
Die zentrale Herausforderung von Federmetano besteht darin, dafür zu sorgen, dass sich die CNG- und Biogas-Kultur im Verkehr weiter ausbreitet. Dies nunmehr in einem von der Gesundheits- und Wirtschaftskrise geprägten Umfeld. Ein Umfeld, in dem das Auto von der Bevölkerung als sicherstes Verkehrsmittel eingestuft wird, da sich damit der Kontakt mit anderen vermeiden lässt. In einem Umfeld, in dem aber oft die finanziellen Möglichkeiten fehlen, um sich ein umweltfreundliches Fahrzeug anzuschaffen. Hier bietet sich die Alternative einer Umrüstung eines veralteten Fahrzeugs oder der Kauf eines Erdgasautos an, das nicht nur erschwinglich, sondern auch sparsam im Verbrauch ist. Wer ein Erdgasauto einmal ausprobiert hat, der bleibt dabei, allein schon wegen der äusserst geringen Betriebskosten.

Gilt das auch für den öffentlichen Verkehr?
Wir setzen uns hier dafür ein, dass die Pläne für nachhaltige Mobilität insbesondere im Hinblick auf den Fuhrpark des öffentlichen Nahverkehrs weiterverfolgt und vermehrt CNG- und LNG-betriebene Busse eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang waren wir bei der jüngsten Übergabe der sechs vom öffentlichen Nahverkehrsunternehmen «Start Romagna» erworbenen Scania LNG-Busse mit dabei. Sie gehören nunmehr zusammen mit dem im vergangenen Dezember von «T-Per», einem Betrieb der Stadtwerke Bologna, angeschafften Fuhrpark zu den wenigen in Europa zirkulierenden LNG-Exemplaren.

Welche Vision verfolgt Federmetano? Wie sieht für Sie die Mobilität der Zukunft aus?
Wäre mir diese Frage vor ein paar Monaten gestellt worden, hätte ich so geantwortet: eine hybride Mobilität nach dem Grundsatz der technologischen Neutralität bei zunehmender Verwendung von gemeinsam genutzten Transportmitteln wie Bus oder Zug.


Quelle: Istock

Und heute?
Da sieht die Situation anders aus. Wir können und dürfen in dieser Sache aber nicht nachgeben. Saubere Luft bleibt nach wie vor ein zentrales Ziel. Damit dies erreicht werden kann, sind eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Kräften sowie ein Nebeneinander der verschiedenen Antriebstechnologien in einem klar abgegrenzten Kompetenzbereich unabdingbar. Doch vorerst gilt es abzuwarten, was in den nächsten Monaten passiert. Die Ängste und die tatsächliche Kaufkraft der Italiener müssen zusätzlich ins Kalkül einbezogen werden, um Lösungen zu entwickeln, die sowohl die Umwelt als auch die Gesundheit der Menschen schonen – unter Marktbedingungen, die heute definitiv anders sind, als noch vor wenigen Monaten absehbar war.

In der Schweiz sind rund 15’000 umweltschonende Fahrzeuge unterwegs. Was empfehlen Sie, um das Verständnis für CNG und Biogas in der Schweiz zu fördern?
Die bereits verfolgte Politik und die Fortschritte beim Einsatz von Biogas, dessen Anteil – wenn ich mich nicht täusche – heute in der Schweiz 20 % des transportieren Erdgases ausmacht, stellen in meinen Augen schon beachtliche Resultate dar. Ich habe keine Zahlen zum Fahrzeugbestand und kann daher auch nicht sagen, inwieweit sich die 15’000 Fahrzeuge darauf auswirken. Eine Strategie zur Förderung von CNG und Biogas setzt insbesondere ein umfassendes Kommunikationskonzept voraus. Es braucht überzeugende Visionen, die die Bevölkerung ansprechen und auch künftige Generationen inspirieren können. Am besten kommen Förderungsstrategien mit Fokus auf den Preisvorteil dieser Treibstoffe an, die sich bezogen auf den Energie- oder Brennwert als deutlich günstiger erweisen.

«Saubere Luft bleibt nach wie vor ein zentrales Ziel»

Gibt es noch weitere Punkte?
Nicht unwesentlich sind auch die Ermässigungen bei der Fahrzeugsteuer, den Autobahnmauten, beim Zugang zu Zonen mit beschränktem Verkehr sowie die Möglichkeit, gratis oder deutlich vergünstigt zu parken. Die Entwicklung wird auch durch den verstärkten Einsatz von CNG-/Biogas-Fahrzeugen in Unternehmen gefördert. Auch im Warentransport setzen grosse internationale Konzerne wie Ikea und Nestlé sowie Grossverteiler immer häufiger auf LNG und vielleicht schon morgen auf Bio-LNG. Keine Werbung wirkt besser als ein fahrender LKW, auf dessen Flanken eine «grüne» Botschaft geschrieben steht. Auch Kehrichtsammelfahrzeuge können mit Methan angetrieben werden, das durch die Aufbereitung von Biogas aus den von ihnen eingesammelten Abfällen gewonnen wird. Irgendwie unglaublich und doch möglich! Ein Traum, der Wirklichkeit wird: «Erdgas ebnet den Weg in eine bessere Zukunft.» (17. Juli 2020, cst.)

Lesen Sie auch den ersten Teil des Interviews: «CNG gilt als zuverlässige Alternative»

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