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Consorzio Italiano Biogas CIB
CIB
 
 

4,68 Milliarden Kilogramm Biogas bis 2030

Die italienische Regierung will die Entwicklung von Biogas mit einem Milliardenbetrag fördern. Piero Gattoni, Präsident des Consorzio Italiano Biogas CIB (italienisches Biogas-Konsortium), äussert sich zufrieden.

Consorzio Italiano Biogas CIBEin Iveco mit LNG-Antrieb, der nun dank der Bemühungen von Consorzio Italiano Biogas auch mit verflüssigtem Biogas betankt werden kann. Quelle: CIB

Herr Gattoni, ist Biogas gegenüber der Elektromobilität im Vormarsch?
Piero Gattoni, Präsident des CIB:
Die italienische Regierung hat die wichtige Rolle der Landwirtschaft in der Energiewende erkannt. Sie sieht in Biogas einen strategisch bedeutsamen Energieträger, insbesondere für Sektoren, die schwer elektrifizierbar sind. Die Entwicklung von Biogas steht nicht im Widerspruch zur Elektromobilität, sondern stellt vielmehr einen weiteren strategischen Baustein in der ökologischen Transformation des Agrarsektors dar, die ihm den Zugang zu mehr Märkten ermöglicht.

Welche Bedeutung haben die Bemühungen der Regierung bei der Förderung der Biogas-Entwicklung?
Die Förderung von landwirtschaftlichem Biogas im Rahmen des Nationalen Plans für Aufschwung und Resilienz (PNRR) dürfte die Verbreitung von Biogas betriebenen landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen auf den Betrieben sowie den Einsatz von Biogas in Firmenfuhrparks oder im öffentlichen Lokalverkehr begünstigen. Biogas in Form von verflüssigtem Biogas (Bio-LNG) wird zudem eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung des Schwerverkehrs spielen. Als Konsortium unterstützen wir im Rahmen des Projekts «Farming for Future. 10 azioni per coltivare il futuro» («Farming for Future. 10 Aktionen zur Kultivierung der Zukunft») die Förderung von Sensibilisierungsinitiativen. Dazu stehen wir in einem konstanten Dialog mit Landwirtschaftsverbänden, Akteuren aus Wissenschaft, Umweltschutz und Industrie sowie mit nationalen Institutionen, um Debatten über die Rolle der Landwirtschaft und die Notwendigkeit anzustossen, das Entwicklungspotenzial von landwirtschaftlichem Biogas zu erschliessen.

«Die verschiedenen Marktakteure sind gemeinsam in einen Transformationsprozess eingebunden, in dem Biogas als entscheidendes Bindeglied entlang der Wertschöpfungskette fungiert.»

Welche spezifischen Ziele haben Sie sich als Konsortium gesetzt und inwieweit wird CIB durch die Massnahmen des PNRR in seinen Bemühungen unterstützt?
Wir gehen davon aus, dass der Agrarsektor mit Hilfe der zehn Aktionen des Projekts «Farming for Future» in der Lage sein wird, bis 2030 rund 4,68 Milliarden Kilogramm Biogas zu erzeugen und dadurch 25 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Der PNRR ist für die Erreichung dieses Produktionsziels ein wichtiger Bestandteil. Er wird es erlauben, Investitionen im Agrarsektor auf der Grundlage von sofort realisierbaren Projekten zu planen. Dies dank eines breit angelegten Prozesses zur Umstellung bestehender Erdgasanlagen auf Biogas. In Verbindung mit den Investitionen des PNRR werden zudem Reformen angeregt, die von grosser Bedeutung sein werden, um die kritischen Stimmen zu besänftigen, welche die volle Entwicklung der landwirtschaftlichen Initiativen bislang gehemmt haben.

Consorzio Italiano Biogas CIBPiero Gattoni, Präsident des Consorzio Italiano Biogas. Quelle: CIB

Warum spielt Biogas als Treibstoff in Italien eine so bedeutende Rolle?
Biogas hat die gleichen Eigenschaften wie Erdgas, ist aber erneuerbar. Für die Verteilung kann auf ein flächendeckendes Gasnetz zurückgegriffen werden. Dank dieser strategisch wichtigen Infrastruktur ist eine Verbindung der Biogasanlagen zu verschiedenen Verbrauchern möglich. Das Gasnetz erlaubt nicht nur die Verteilung eines erneuerbaren Energieträgers, sondern auch die umfassende Aufwertung einer ausschliesslich italienischen Wertschöpfungskette. Seine Verteilung wird zum Beispiel verschiedenen Haushalten erlauben, den traditionellen fossilen Brennstoffen für das Betanken durch einen erneuerbaren Biotreibstoff zu ersetzen, ohne das Fahrzeug wechseln zu müssen.

Welche Rolle spielen die erneuerbaren Gase und Biogas auf dem Weg Italiens hin zur Klimaneutralität?
Aus einer jüngsten Studie, die von Navigant im Auftrag des Konsortiums Gas For Climate, einer Gruppe aus führenden europäischen Gasnetzbetreibern, der auch CIB angehört, veröffentlicht wurde, geht hervor, dass bereits ein angestrebter Anteil von 10% erneuerbarem Gas in den Netzen bis 2030 zu einer Emissionsminderung von 55% führen würde. Im Rahmen des bereits erwähnten Projekts «Farming for Future» hat CIB gezeigt, dass durch diese zehn Aktionen – wenn richtig umgesetzt – die Emissionen dank der Verwendung erneuerbarer Energien an Stelle von fossilen Brennstoffen reduziert werden können.

«Bereits ein angestrebter Anteil von 10% erneuerbarem Gas in den Netzen bis 2030 würde zu einer Emissionsminderung von 55% führen»

Sehen Sie die Dekarbonisierung als Chance für den Schwerverkehr? In Rimini und Turin gibt es bereits zwei Tankstellen, an denen verflüssigtes Biogas (LBG bzw. Bio-LNG) getankt werden kann. Welche weiteren Pläne verfolgen Sie diesbezüglich?
Das Biogas-Dekret von 2018 hat auch Anreize für die Errichtung von Bio-LNG-Verflüssigungs- und Vertriebsanlagen gesetzt. Aktuell befinden sich in Italien rund zwanzig Projekte für die Herstellung von landwirtschaftlichem Bio-LNG bereits im Bau oder in der Bewilligungsphase. Weiter gibt es hier gut neunzig LNG-Tankstellen und rund 3000 Fahrzeuge mit Bio-LNG-Antrieb. CIB setzt sich ferner für die Entwicklung neuer Bio-LNG-Verteilzentren ein. Ziel dabei ist, den Versorgungsweg für den Treibstoff – er wird heute über die Terminals in Barcelona oder Marseille importiert – zu verkürzen, eine grössere Unabhängigkeit von ausländischen Gasquellen zu erlangen und den CO2– und den Feinstaubausstoss nahezu auf null zu reduzieren. Kürzlich haben wir die erste Agrargenossenschaft dieser Art, die Cooperativa Verdemetano, gegründet. Ihr gehören derzeit rund zwanzig Landwirtschaftsbetriebe an. Sie soll die Produktion von Biogas am Markt über Partnerschaften etablieren und aufwerten sowie damit auch eine solide Präsenz am Markt für fortgeschrittene Biotreibstoffe garantieren. Einige der Stärken dieser Landwirtschaftsinitiative, die allen künftigen Produzenten offensteht, sind die landesweite flächendeckende Präsenz, die Organisationskompetenz und die langjährige Erfahrung.

Consorzio Italiano Biogas CIBBetankung eines LKW mit LNG-Antrieb mit verflüssigtem Biogas: CIB.

Wie können Behörden, Öffentlichkeit und Politik für die Vorteile von Gas/Biogas als Treibstoff sensibilisiert werden?
Wir führen täglich umfassende Sensibilisierungs- und Informationsmassnahmen durch, die gerade heute angesichts der unscharfen Trennlinie zwischen Fake und Fact von ausschlaggebender Bedeutung sind. Als Konsortium richten wir uns sowohl an Institutionen als auch an die Bevölkerung sowie an die Landwirte selbst, um die positive Wahrnehmung von Biogas zu stärken und dessen Vorzüge hervorzuheben: Sei es als wichtiger Treiber der Dekarbonisierung im Transportsektor, sei es als Schlüssel zu Innovation und zur Kreislaufwirtschaft, um den Produktionszyklus im Betrieb selbst zu optimieren. Zudem leisten wir regelmässig Informationsarbeit im institutionellen Bereich, indem wir Parlamentssitzungen, Tagungen und Webinaren beiwohnen und den Dialog mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Industrie pflegen. Ein weiterer Schwerpunkt ist auch die Kommunikation in den Medien. Vor kurzem haben wir auch im Rahmen des Projekts «Farming for Future» eine Online-Plattform gestartet, um ein breites Interesse an der Tätigkeit von CIB auf mehreren Ebenen zu wecken – es sind dies Öffentlichkeit, Landwirtschaft, Industrie, Umweltgruppen, Wissenschaft, Institutionen und Medien. Auch die Zusammenarbeit mit Umweltschutzorganisationen wie Legambiente ist für unsere Kommunikationstätigkeit von grösster Wichtigkeit.

«Die Regierung sieht in Biogas einen strategisch bedeutsamen Energieträger, insbesondere für Sektoren, die schwer elektrifizierbar sind.»

Biogas ist CO2-neutral und somit ein idealer Treibstoff. Warum, glauben Sie, erhält Biogas nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die Elektromobilität? Ist Biogas nicht attraktiv?
Ich glaube, dass die Arbeit des Konsortiums der vergangenen Jahre dazu beigetragen hat, das Potenzial von in integrierten landwirtschaftlichen Anlagen erzeugtem Biogas bekannt zu machen. Die neue politische Agenda und die zunehmende Sensibilität der Verbraucher für möglichst umweltfreundliche und nachhaltige Produkte erlauben uns, im Dialog rund um die Debatten über die Klimastrategie und den nationalen Plan für den ökologischen Wandel mehr Gewicht zu erlangen. Der sektorübergreifende und systemische Ansatz des PNRR schafft die Grundlage für mehr gegenseitiges Verständnis und einen besseren Informationsaustausch über die Potenziale von Biogas zwischen Industrie und Landwirtschaft. Die verschiedenen Marktakteure sind gemeinsam in einen Transformationsprozess eingebunden. Mit dabei: die um eine nachhaltigere Produktion bemühte Industrie, die Betriebe, die den Gastransport abwickeln und das Potenzial von Biogas zur Förderung eines umweltfreundlicheren Netzes ausschöpfen, sowie die Logistik, die zunehmend auf Bio-LNG setzt. In diesem Transformationsprozess fungiert Biogas als entscheidendes Bindeglied entlang der Wertschöpfungskette.

«Biogas hat die gleichen Eigenschaften wie Erdgas, ist aber erneuerbar»

Was braucht es, damit der aus Erdgas/Biogas gewonnene Treibstoff sich als gleichwertige Alternative zur Elektromobilität durchsetzen kann?
In unseren Landwirtschaftsbetrieben sind wir dank anaerober Verwertung in der Lage, für verschiedene Märkte erneuerbare Energie, planbarer Strom und Biogas für Transporte oder die Endverwendung zu erzeugen. Wir sind überzeugt, dass eine erfolgreiche Transformation hin zu einer Netto-Null-Wirtschaft einen ausgewogenen Mix an Lösungen erfordert, um ideologische Vorbehalte zu überwinden. Die Biogas-Mobilität wäre definitiv eine Lösung, die im Personenverkehr in Ländern wie Italien, das über ein flächendeckendes Vertriebsnetz mit mittel- bis langfristigen Lieferzeiten für den Schwerverkehr, die Landwirtschaft und den Schiffsverkehr verfügt, sofort einsetzbar ist. Laut der Studie «Gas for Decarbonisation. Pathways 2020 – 2050» von Gas For Climate können durch eine volle Ausschöpfung des Biogas-Potenzials 200 Milliarden Euro im Vergleich zu einem vollelektrischen Szenario eingespart werden. (cst, 21. Mai 2021)

Consorzio Italiano Biogas CIB Bereits im November 2020 konnten erste Lastwagen in Norditalien mit Bio-LNG betankten werden. Quelle: CIB

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