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OrangeGas B.V. - Niederlande Holland
OrangeGas B.V.
 
 

Niederländer auf Expansionskurs

Das holländische Unternehmen OrangeGas setzt auf Biogas und andere erneuerbaren Energieträger. Zudem baut es sein Tankstellennetz nicht nur auf dem Heimmarkt massiv aus. Gründer und CEO Marcel Borger verrät im Exklusivinterview Details zur Strategie, den weiteren Plänen von OrangeGas, nimmt aber auch Stellung zu Herausforderungen für Anbieter von erneuerbaren Energien.

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Ein den Tankstellen von OrangeGas B.V. wird primär Biogas gezapft. Quelle: OrangeGas B.V.

Viele grosse Energiekonzerne mit hohem Anteil an fossilen Energieträgern interessieren sich plötzlich für Anbieter von nachhaltigen Energien, damit sie die von der Politik geforderten Quoten an erneuerbarer Energie erfüllen. Auch das 2008 in den Niederlanden gegründete Unternehmen OrangeGas B.V. ist in den Fokus dieses Interesses gerückt. CEO Marcel Borger meint mit verschmitztem Lächeln: «Ich erhalte immer wieder Kaufangebote.» Doch der Überzeugungstäter mit der wilden Mähne baut seine Firma, die in der Heimat 83 Biogas‐Tankstellen sowie Tankstellen für flüssige, regenerative Treibstoffe und Wasserstoff, aber auch E-Ladesäulen betreibt, lieber selbst aus.

Seit Dezember 2017 ist OrangeGas mit seinem an den englischen Leitspruch «Think positive» angelegten Motto «Tank positive» auch in Deutschland vertreten. In Kooperation mit Verbio bieten die Niederländer an ihren Zapfsäulen 100 Prozent Biogas an. Und sie bauen ihr Netz konsequent aus. Von den derzeit knapp 850 CNG‐Tankstellen in Deutschland betreibt OrangeGas nach der Übernahme der EWE‐Stationen im Juli 2020 schon rund ein Fünftel. Nach den Niederlanden und Deutschland wurde CEO Marcel Borger auch in Schweden mit einer klaren Wachstumsstrategie aktiv. Im Herbst 2020 übernahm er die CNG-Stationen in Helsingborg, wo 120 mit Biogas betriebene Busse von Anfang an für Um- und Absatz sorgen. Das ehrgeizige Ziel von OrangeGas: Bereits in diesem Jahr in Schweden an rund 30 eigenen CNG-Tankstellen Biogas anzubieten.

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Sie versuchen, die CNG-Mobilität in den Niederlanden und in weiteren Ländern mit dem Motto «Tank positive» zu pushen. Wie viele Leute fahren auf Ihrem Heimmarkt schon mit CNG oder Biogas?
Marcel Borger, CEO und Gründer von OrangeGas B.V.: Wir haben in den Niederlanden etwa 15’000 CNG-Fahrzeuge, davon sind etwa 13’000 Personenwagen sowie leichte Nutzfahrzeuge, rund 500 CNG- und 1000 LNG-Lastwagen und etwa 750 Busse. Und der Marktanteil bei den CNG-Fahrzeugen ist aktuell trotz Corona-Pandemie recht stabil. Der Anteil der Lastwagen steigt, bei geleasten Fahrzeugen geht der Anteil zwar zurück, dafür steigt derjenige der privaten CNG-Fahrerinnen und -Fahrer an.

Was sind aus Ihrer Sicht die grössten Vorteile der CNG-Mobilität?
CNG oder im Fall von OrangeGas Biogas ist eine bezahlbare, zuverlässige Antriebsenergie für jedermann. Unternehmen haben damit die Möglichkeit, rasch einen grossen Anteil an sauberer Mobilität in ihre Flotten zu integrieren. Und wer bei uns tankt, der weiss auch, woher die Energie kommt. Viele Niederländer im Alter von 18 bis 40 Jahren möchten eigentlich sauber unterwegs sein, können sich aber kein teures Elektroauto leisten oder hätten gerne mehr Reichweite. Mit 180 über das ganze Land verteilten CNG-Tankstellen bieten sich CNG-Fahrzeuge als ideale, bezahlbare Alternative an.

Bei allen Vorteilen: Die CNG-Mobilität setzt sich auch in den Niederlanden nur zögerlich durch. Was sind die Gründe dafür?
Private geniessen durch die Nutzung von Fahrzeugen mit CNG- und Biogas-Antrieb leider keinen Steuervorteil. Wenn man sich in den Niederlanden für ein Elektrofahrzeug entscheidet, dagegen schon. Daher sind Stromer gefragter – auch als Geschäftsauto, selbst wenn viele Leute neben dem Stromer dann noch ein zweites Auto mit Verbrennungsmotor besitzen. Daher ist der CO2-Ausstoss trotz vieler E-Autos auf unseren Strassen insgesamt auch nicht gesunken. Solange die Politik nicht auch für Fahrzeuge, die dank Biogas nahezu CO2-neutral unterwegs sind, die gleichen fiskalen Anreize anbietet, werden die Stromer weiter im Vorteil sein und boomen. Ausserdem gibt es auch weniger gebrauchte CNG-Fahrzeuge auf dem Markt, was den Einstieg in diese clevere Antriebsvariante ebenfalls nicht leichter macht.

OrangeGas B.V. - Niederlande HollandDie Niederländer sind auf Expansionskurs und bauen ihr Tankstellennetz europaweit aus und investieren auch in Wasserstoff-Tankstellen. Quelle: OrangeGas B.V.

Was müsste passieren, damit die CNG-Mobilität die ihr gebührende Aufmerksamkeit erhält?
Sie müsste die gleichen Förderungen erhalten wie die Elektromobilität. In Amsterdam ist CNG-Fahren sehr beliebt. Wir haben dort beispielsweise die Tankstelle mit dem grössten Umsatz. Nur hat die Stadtregierung jetzt entschieden, dass jeder, der ein Stromauto kauft, auch das Anrecht auf einen Parkplatz erhält. Da Parkplätze in der Hauptstadt ein rares Gut sind, ist klar, was passierte. So etwas hat einfach nichts mit Umweltförderung zu tun.

Dennoch haben Sie begonnen, massiv in die Infrastruktur und ins Tankstellennetz zu investieren. Warum?
Wir bei OrangeGas haben einen orangen Traum: Wir möchten nicht nur sauberen Treibstoff aus sauberen Quellen anbieten, sondern haben auch den Ehrgeiz, der grösste Anbieter für saubere Treibstoffe in Nordwesteuropa zu werden. Wir haben unser Geschäft in Holland mit CNG und Biogas gestartet, sind nun auch schon in anderen Treibstoffbereichen wie Wasserstoff aktiv und müssen für unser Ziel auch expandieren. Es ist zudem Teil des Risikomanagements, nicht nur von einem Markt abhängig zu sein, genauso wie unsere Investitionen in weitere saubere Treibstoffe.

Weitere saubere Treibstoff heisst…
Neben Biogas investieren wir auch in den Elektro-Bereich. Hier haben wir im Dezember 2020, die grösste E-Ladestation von Amsterdam eröffnet. Wir sind ebenfalls im LNG-, LBG- und Biodiesel-Bereich aktiv und verkaufen natürlich auch Wasserstoff. Nach der ersten Wasserstofftankstelle in Den Haag haben wir beispielsweise Ende Jahr die zweite in Amsterdam in Betrieb genommen.

OrangeGas B.V. - Niederlande HollandBeispiel für einen Biogas-Kreislauf wie ihn die Holländer etabliert haben. Quelle: OrangeGas B.V.

Reicht eigentlich das in Holland produzierte Biogas, um alle OrangeGas-Tankstellen mit dem CO2-neutralen Treibstoff zu versorgen?
Wir haben aktuell etwa einen Anteil von 30 Prozent Biogas aus eigener Produktion, weitere 70 Prozent des Biogases kaufen wir von Partnern ein. Wir bauen unsere Biogas-Produktion in Holland und nun natürlich auch in Schweden jedoch weiter aus. Zusammen mit DMT Environmental Technology realisieren wir in Westpoort bei Amsterdam gerade eine grosse Anlage, die aus Klärschlamm Biogas für mehr als 5600 Fahrzeuge oder 420 Kehrichtwagen produzieren wird. Dadurch können wir unseren Eigenanteil an Biogas massiv erhöhen und müssen nur noch 20 Prozent zukaufen. In Deutschland arbeiten wir mit Verbio zusammen, damit wir an den Zapfsäulen 100 Prozent Biogas anbieten können.

Zurück zu Ihren Expansionsplänen. Sie bleiben also auch ausserhalb der Niederlande auf Wachstumskurs.
Ja, wir sind schon länger in Belgien und in Deutschland tätig. Im Sommer 2020 haben wir auf einen Schlag gleich 75 CNG-Tankstellen in Deutschland übernommen. Zudem sind wir seit Herbst 2020 auf dem schwedischen Markt präsent. Um unsere Ziele zu erreichen, wollen wir auch in Grossbritannien aktiv werden. Der CNG- und ebenfalls der LNG-Markt birgt noch viel Potenzial. Das zeigt sich vor allem, wenn man die Umsätze der Tankstellen mit einer Tankstelle im Biogas-Mekka Schweden vergleicht.

Ist auch eine OrangeGas-Tankstelle in der Schweiz ein Thema?
Ja, unser Ziel ist es, auch in der Schweiz Fuss zu fassen. Bereits 2021 möchten wir über 10 bis 12 Tankstellen in der Schweiz verfügen. Dann schauen wir, wie sich der Markt entwickelt. Wir wollen einen Korridor für saubere Energieträger bis nach Norditalien schaffen und damit die wichtigsten Güterverkehr-Routen abdecken können.

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Der smarte Buisnessman Marcel Borger, Gründer und CEO von OrangeGas B.V., will erneuerbare Energien europaweit den Weg ebenen. Quelle: OrangeGas B.V.

Haben Sie bei Ihrem wachsenden Tankstellennetz keine Angst, dass die Produktion von CNG-Fahrzeugen, wie von VW-Konzern-Chef Diess einmal angedroht, eines Tages gestoppt werden könnte?
Angst nicht, aber ein ungutes Gefühl bleibt. Wenn die EU sich beim «Green Deal» jedoch dafür entscheidet, auch biogene Treibstoffe in den gesetzlichen Bestimmungen zu berücksichtigen und nicht nur auf Elektromobilität setzt, dann werden weiterhin CNG-Fahrzeuge produziert. Denn bei einer Well-to-Wheel-Betrachtung sind Biogas-Fahrzeuge auf Augenhöhe mit Elektrofahrzeugen. Daher werden – allen Unkenrufen zum Trotz – die Hersteller nachziehen.

Wie sehen Sie die Chancen für synthetische Treibstoffe und die Power-to-Gas-Technologie? Sind Sie auch in diesem Bereich aktiv?
Wir klären gerade, ob wir in eine von uns OrangeGas-Energie-Factory genannte Anlage investieren sollen. Die Idee dahinter: Wir generieren in einem Wind- oder Solarpark Strom. Der wird ins Netz eingespeist oder genutzt, um über Elektrolyse Wasserstoff herzustellen. Den verflüssigen wir oder wandeln ihn mit CO2 aus unserer Biogas-Produktion zu Methan um und können so synthetisches, erneuerbares Gas herstellen. Gleichzeitig ist ein Anschluss ans Gasnetz geplant. Damit schaffen wir eine kleine, kompakte Raffinerie für erneuerbare Energien. Durch diese Sektorkopplung kann dann sowohl der Bedarf an Strom oder auch Gas jeweils ausbalanciert werden. Mit 90 grossen Windrädern ist man in der Lage, 75 Millionen Kilo H2 herzustellen. Daraus kann man wiederum 45 Millionen Kubikmeter Biogas produzieren.

Beeindruckende Zahlen…
Darum möchten wir diese Idee der OrangeGas-Energie-Factory auch umsetzen und planen momentan ein Pilotprojekt mit einer Leistung von rund 5 Megawatt. Der Strom dafür kommt (lacht) von Windmühlen – eigentlich logisch, wir sind ja Holländer! (jas, 12. Januar 2021)

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